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Freitag, 31. Mai 2019

Tafch stellt aus

Text und Fotos: Christine Läubli
Das Altstadhaus mit einem Werk von Ursula Suter
Mitten im alten Kern von Zug, direkt am See, liegt die 1427 erbaute Altstadthalle. Man kennt sie als den Ort der Teximus-Ausstellungen. Die vier Organisatorinnen dieser umfassenden Schweizer Triennale – zur Zeit Bea Bernasconi, Grietje van der Veen, Ursula Suter, Christine Läubli – bilden die Gruppe Tafch. Vom 23. bis 26. Mai 2019 zeigten wir in der Altstadthalle unsere eigenen Werke.

Im Erdgeschoss fiel das kraftvolle, gefilzte Bild «Wasser gehört allen» von Ursula Suter auf. Silbernes Weiss leuchtet in tiefdunklem Blau. Vielleicht glitzert das Mondlicht im Wasser eines Flusses oder stillen Sees? Jeder Besucher konnte hier seine eigene Geschichte finden.
Auch in den oberen Räumen beeindruckten die grossformatigen Werke der Filzkünstlerin durch sensible Strukturen, unerwartete Weichheit und meditative, aber starke Ausstrahlung.
Im schmalen, hohen Bild «es fliesst» schlängelt sich eine helle Bahn durch dunkles Grün-Oliv: Ein Bächlein im Moos? Ein Stück Himmel zwischen Sommerlaub? Wind im hohen Gras?
Beeindruckend ist auch der aus unzähligen Wollbällchen bestehende Teppich «Steine». Je länger man ihn anschaut, desto mehr Muster, Linien, Farbschattierungen tauchen im Grau auf – es ist, als hätte ein Zenmeister gerade seinen Steingarten gerecht.
Daneben erzählen kleine Kompositionen aus Überbleibseln von Filzprozessen, transparenten Übergängen und Stickereien sensible Geschichten.
Ursula Suter: Was bedeutet Zeit
Ursula Suter: Es fliesst
Ursula Suter: Landschaften
Ursula Suter: Steine
Bea Bernasconi beschäftigt sich seit längerer Zeit mit dem in unserer urbanen Landschaft allgegenwärtigen Thema Graffiti. Ihre frechen, farbenfrohen, expressiven Bilder springen ins Auge. Bea bearbeitet Stoffe mit unterschiedlichen, oft experimentellen Verfahren, verwendet Papiere aus allen Bereichen und fügt alles zur Collage zusammen.
Oftmals verarbeitet sie in ihren Arbeiten eigene Erlebnisse oder Eindrücke. Vor einigen Jahren betreute sie eine Immigrantin aus Eritrea. Diese intensive Begegnung mündete im Gesichterbild «Wanawake» und in der Werkreihe «Faces» mit berührenden Bildern. Aus einem diffusen Hintergrund tauchen Menschen aus fernen Ländern auf, geprägt von Leid und schrecklichen Erlebnissen. Sie haben in ihrer prekären Situation keinen festen Boden mehr unter den Füssen.
Nach einem belasteten Jahr, das Bea der an Alzheimer erkrankten Mutter gewidmet hatte, suchte sie 2018 mit dem Projekt «52 Weeks» die Rückkehr in die Kunst. Sie nahm sich vor, während des ganzen Jahres jede Woche ein Miniaturbild zu gestalten. Die drei Grundregeln bestanden darin, dass alles handgenäht sein musste, in jedem Objekt lediglich Fäden in drei Farben und ausschliesslich Resten verwendet werden durften – die Serie birgt schon in ihrer Stofflichkeit eine Sammlung von Erinnerungen.

Bea Bernasconi: 52 Weeks
Bea Bernasconi: Heart
Bea Bernasconi: Akina Mama (Ausschnitt)
Bea Bernasconi: Stuhl
Grietje van der Veen beschränkt sich seit einiger Zeit darauf, ihre textilen Vorräte aufzubrauchen. Dabei schreckt sie auch nicht davor zurück, eigene ältere Werke zu zerschneiden, um daraus Neues zu konzipieren. So entstanden beispielsweise meditative Miniaturen, die sie in alte CD-Hüllen rahmte. Auch Fundstücke inspirieren sie zu neuen Gestaltungen: Ein Gitter, das irgendwo herumlag, nahm sie mit und transferierte es mit schwarzen Fäden und Stoffstreifen zum scherenschnittartigen Wandrelief.
Ein Thema, das Grietje sehr beschäftigt, ist der Umgang des Menschen mit seiner Umwelt. In einer Werkreihe setzt sie sich damit auseinander. Abgeholzte Regenwälder, verlassene Mienen, Atommüll – von weitem erscheinen zwar diese Bilder als ästhetische, harmonische Kompositionen, doch in der Nähe oder im Titel erkennt man die Abgründe der Thematik.
Als Kontrapunkt zu diesen kritischen Werken steht die Reihe der Glücksmomente: Grietje gestaltete durch ein Jahr kleine, positive Augenblicke aus ihrem Leben. Ein Januartag in London, als sie auf ihren Sohn wartete, eine Winterstimmung im Rebberg, eine Blumenwiese im Mai …

Grietje van der Veen: Eremitage - Arlesheim
Grietje van der Veen: Ohne Titel
Grietje van der Veen: Wrapped in Lies I
Grietje van der Veen: 21 Minicollagen in CD-Hüllen
Ich selber (Christine Läubli) hatte mich in den letzten Jahren intensiv mit den Themen Schriften, Schichten, Bücher beschäftigt. In eine Leinenkette hatte ich erst diffuse Schriftbilder eingewebt, darauf von Hand Schriftbilder gezeichnet, dann eine Druckschrift aufgebracht und als letztes eine digitale Schrift auf projiziert: «Palimpsest» zeigt auf vier hintereinander angeordneten Stoffbahnen, wie im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wieder neue Techniken alte ablösten und doch nie ganz verdrängten.
Ebenfalls schichtweise hängte ich sieben Seidengazepaneele, auf die ich mit dem Stopfstich
Schriftartiges aufgezeichnet hatte. Hinter jeder Schicht schimmerte eine weitere. Dazu passten die kleinen «Fragmente»: Kritzeleien auf Transparentpapier, formenmässig von uralten Stofffragmenten inspiriert, liessen in Lagen gelegt ebenfalls eine untere Schicht erahnen.
Gezeichnete und gewebte Bücher mit unterschiedlichsten Schriftbildern und Grafiken beleuchteten das Thema «Schrift» noch von anderen Seiten her.

Christine Läubli: zerlesen
Christine Läubli: ge-schichten
Christine Läubli: news von gestern
Christine Läubli: farben des waldes
Das Publikum besuchte die Ausstellung «Tafch stellt aus» in erfreulicher Zahl. Und immer wieder ergaben sich interessante Gespräche. Die Menschen liessen sich berühren oder zum Nachdenken anregen – nicht zuletzt auch über den Stellenwert der textilen Kunst. Doch eigentlich ist es ganz einfach. Urmenschliche oder in unserer Zeit relevante Themen verlangen nach einer zeitgemässen Form und Aussage. Ob Malerei, Bildhauerei, Fotografie oder Textil, ob Farben, Steine, Holz, Beton oder Fasern und Fäden: In jeder Technik und mit jedem Gestaltungsmittel gilt es, einen künstlerisch gültigen Ausdruck zu finden.

Freitag, 8. Juni 2018

Uli Fischer – Textile Objekte

von Isabelle Wiessler



Am Samstag den 3. Februar 2018 folgte ich einer Einladung des Quiltkunst Vereins Deutschland an deren 5. Symposium teilzunehmen. Ich war sehr auf die verschiedenen Vorträge gespannt, unter anderem auf den von Uli Fischer, einem Künstler aus Berlin, der Bildobjekte aus gebrauchten historischen Stoffen anfertigt.

Uli Fischer sprach mithilfe einer Bildpräsentation über seinen Werdegang und seinen künstlerischen Weg zu seinen Arbeiten.

Er hat sowohl ein Textildesign-Studium in Hannover als auch ein Kunststudium in Braunschweig absolviert. Danach arbeitete er in den USA unter anderem als Kolorist. Nach einigen Jahren kam er nach Deutschland zurück und arbeitete an verschiedenen Projekten im Bereich Theater und Film als Filmausstatter, Szenenbildner und Art Director. Währenddessen arbeitete er mit Siebdruck und an monochromer Farbflächenmalerei, wobei das Quadrat im Zentrum seiner künstlerischen Arbeit stand.

Ab 1992 unternahm Uli Fischer Reisen in Indonesien, Thailand und Burma. Dort kam er das erste Mal mit dem alten traditionellen Gewebe Südostasiens in Kontakt. Er gründete daraufhin eine Galerie mit dem Schwerpunkt auf Tribal Art im Dialog mit zeitgenössischer bildender Kunst. Seine Liebe zu diesen Textilien führte auch zu einer Neuorientierung und zur Konzentration auf das eigene künstlerische Schaffen.

Bei seiner jetzigen Arbeit verbindet Uli Fischer nicht nur seine frühere Beschäftigung mit Textilien, sondern auch seine Vorliebe für Farbfeldmalerei und die Einflüsse aus den verschiedenen Kulturen der Welt. Er verwendet für seine Bilder ausschließlich gebrauchte historische Stoffe, weil diese eine Geschichte haben. Sie besitzen eine Seele und bekommen durch das, was sie „erlebt“ haben, eine besondere Patina. Diese Stoffe werden sehr akribisch von ihm ausgesucht – sie müssen ihn ansprechen, sowohl von ihrem Aussehen als auch von dem, was sie ihm „sagen“.

furoshiki 1950, 80 / 2012


indigo-ayers, 56 / 2011
 
 

Diese Stoffe werden durch seine Hände zu Neuem: „Transforming past into Future“ ist sein Leitsatz. Er formt daraus meist großformatige Bilder, indem er diese Stoffe mit kleinsten Stichen von Hand appliziert oder zusammenfügt und sie, auf den zuvor mit Leinwand bespannten Rahmen näht. Dabei ist ihm sehr wichtig die Gebrauchsspuren zu belassen und sie sogar in Szene zu setzen. Es ist eine sehr minutiöse und zeitaufwendige Arbeit – alles von Hand – Stich für Stich.

paradigm, 92 /  2013

tele static 110 / 2014
 
zerrissen 62, 2011
 
Ich hatte das Glück mit Uli Fischer seine letzte Ausstellung in Berlin Anfang April zu besuchen. So konnte er selbst über seine Bilder sprechen. Er kennt den Ursprung seiner Stoffe sehr genau und versteht es der Haptik und Optik der Oberflächen mit viel Einfühlsamkeit und Spannung neues Leben zu geben. Ob durch eine Kombination einzelner Textilbahnen, durch Applikationen oder durch Aufeinanderlegen verschiedener Stoffe. Dabei möchte er einmal das Durchscheinende eines sehr dünn gewordenen Stoffes zum Ausdruck bringen (Twilight) oder einzelne Risse und Löcher durch sehr gezieltes Einfügen anderer Stoffe in Molatechnik belassen (indigo-ayers).


turners traum 12 / 2017

wohin 131 / 2016


twilight, 120 / 2014

twilight, 120 / 2014 _ Detail

indigo-ayers, 56 / 2011_Detail

Für mich, die sich seit Jahrzehnten mit Stoffen beschäftigt, war es ein äußerst interessanter Blick und eine sehr andere Annäherung an diese Materialien. Diese Bilder berühren mich sehr, man möchte dorthin eintauchen. Ich lade Sie ein Uli Fischers sehr ausführliche Webseite zu besuchen uli-fischer.com und vor allem die nächste Gelegenheit zu nutzen um seine Bilder zu betrachten.