Seit Mitte April steht in Zürich ein Objekt, das schon im
Vorfeld die Gemüter erhitzte und nun umso mehr polarisiert.
Worum geht es?
Am Limmatquai neben dem Rathaus befand sich einst eine
Fleischhalle. Seit das Gebäude 1963 abgerissen wurde, wird über
die weitere Verwendung des Grundstücks gestritten. Darum liess der Stadtrat
2008 unter der Ägide der Arbeitsgruppe Kunst im öffentlichen Raum einen
internationalen Wettbewerb durchführen.
"zürich transit
maritim, das Siegerprojekt, besteht aus einer zeitlich gestaffelten,
mehrstufigen Inszenierung, die von der verantwortlichen Künstlergruppe - Jan
Morgenthaler, Barbara Roth, Martin Senn und Fabia Sephernia - als
"Archäologie der Zukunft" bezeichnet wird. Basis ihres Vorhabens ist die
Idee, Zürich als historische Hafenstadt und den Limmatquai als Hafenanlage
vorzustellen. Um diese fiktive Vergangenheit haben die Künstler eine Erzählung
entwickelt, die mit einem Schiffshorn, mit Schiffspollern, Schautafeln und dem seit April 2014 installierten
Hafenkran als bühnische Elemente operiert."
(Text der Info-Tafel)
Und deshalb steht seit Mitte April in Zürich ein Hochseehafenkran!
der im Einklang mit der fiktiven Geschichte und im Sinne der
"Archäologie der Zukunft" nicht "aufgebaut", sondern
"freigelegt" wurde.
Infotafel am Standort des Krans |
Es handelt sich um einen ausgemusterten Portal-Hafendrehkrahn
namens "Delfin" (Jahrgang 1963), der von Zürichs Schwesterstadt
Rostock aus die Reise an das Ufer der Limmat unternommen hat.
Man kann sich vorstellen, dass ein solches Vorhaben ein
kostspieliges Unterfangen ist. In Zeiten der Budget Kürzungen war es also nicht
verwunderlich, dass die Absicht für teures Geld mit einem
"Rosthaufen" das schöne Panorama zu "verschandeln" bei einigen Zürchern auf grossen Widerstand stiess.
Im Herbst 2012 lancierten bürgerliche Kreise gar eine
Volksinitiative «Hafenkräne Nein», mit der sie in Zürich ein allgemeines Verbot
zum Aufstellen von Hafenkränen zu Kunstzwecken erreichen wollten. Die Stadt
liess sich Zeit mit dem Ausarbeiten eines Gegenvorschlags...
Zur Abstimmung wird es wohl nicht mehr kommen, denn im Januar 2014 lag die Baubewilligung vor, es gab keine Rekurse mehr, nun hatte das Projekt grünes Licht.
Allerdings warf die Frage der Finanzierung weiterhin hohe Wellen, die darin gipfelten, dass Stadtrat Martin Waser (SP) und seine Frau mit ihrem Privatvermögen einsprangen, um fehlende CHF120'000 abzudecken. Der Betrag hat sich dann dank Spenden an den von Waser daraufhin gegründeten Förderverein rasch auf CHF80'000 verringert; der aktuelle Stand der Finanzierung ist mir nicht bekannt. Wieviel auch immer Stadtrat Waser letztlich aus eigener Tasche beisteuern muss; ein solches Engagement ist auf jeden Fall bemerkenswert.
Zur Abstimmung wird es wohl nicht mehr kommen, denn im Januar 2014 lag die Baubewilligung vor, es gab keine Rekurse mehr, nun hatte das Projekt grünes Licht.
Allerdings warf die Frage der Finanzierung weiterhin hohe Wellen, die darin gipfelten, dass Stadtrat Martin Waser (SP) und seine Frau mit ihrem Privatvermögen einsprangen, um fehlende CHF120'000 abzudecken. Der Betrag hat sich dann dank Spenden an den von Waser daraufhin gegründeten Förderverein rasch auf CHF80'000 verringert; der aktuelle Stand der Finanzierung ist mir nicht bekannt. Wieviel auch immer Stadtrat Waser letztlich aus eigener Tasche beisteuern muss; ein solches Engagement ist auf jeden Fall bemerkenswert.
Dank der finanziellen Unterstützung von weiteren Sponsoren und
privaten Spendern konnte der Kreditrahmen der Stadt eingehalten werden. Der
Hafenkran kostet die Stadt Zürich nicht mehr als die bewilligten CHF600'000 - für
die Gegner immer noch viel zu viel.
Und so ist auch das meist aufgeführte Argument der Gegner die
"Verschwendung von Steuergeldern" (NB: Martin Waser hat vorgerechnet,
dass das Kunstprojekt «Zürich Transit Maritim» jeden Zürcher, jede Zürcherin gerade
mal einen Franken fünfzig gekostet habe.). Dazu wird kritisiert, dass ein
rostiger Gebrauchsgegenstand noch lange keine Kunst sei. Hafenkräne gehörten
dorthin, wo sie auch gebraucht werden...
Dabei kann Rost doch so schön sein! |
spannend auch das Zusammenspiel von alt und neu. Für die sichere Befestigung des Krans mussten neue Schrauben und Muttern verwendet werden. |
Eins ist sicher: der Kran regt zu Diskussionen an, er
fordert heraus, er zwingt zur Auseinandersetzung - und das ist doch ein wichtiger Bestandteil
von zeitgenössischer Kunst.
Er verändert sicher auch unsere Sehgewohnheiten und
präsentiert die Limmatstadt und ihre Wahrzeichen in einer völlig neuen
Perspektive...
Wie klein die Türme des Fraumünsters und der Peterskirche plötzlich erscheinen! |
... und ist möglicherweise bereits zum meistfotografierten
Objekt in Zürich avanciert...
Man kann aber auch herrlich mit dem Fotoapparat
"spielen"
Solche Fotos eignen sich übrigens bestens als
Ausgangslage für einen Quiltentwurf
- Transparentpapier über das Foto legen
- Die wichtigsten Linien nachzeichnen
- und sich dabei auch die Freiheit gewähren,
Linien zu verändern, Formen zu verschieben oder ganz wegzulassen.
Das kann dann in etwa so aussehen
Die helleren (Bleistift) Linien würde ich eventuell
noch weglassen.
Würde doch perfekt passen zu einem Wettbewerbsthema
"Science Fiction" oder "Fremde Welten". |
Der Kran führt also zu spannenden Diskussionen, regt zum Denken an
ermöglicht
einen neuen Blick auf Altbekanntes, lässt einem eine ungewohnte Ästhetik
entdecken und ist erst noch inspirierend! Für mich ist also die Antwort auf die
Frage "Kunst oder Humbug" eindeutig... Aber was meinen Sie?
PS:
1) Wenn man "Zürich Hafenkran" googelt, findet
man unzählige Seiten und Informationen zum Thema. Drei, die ich besonders
interessant bzw. informativ fand:
2) Am Wochenende vom 4. bis 6. Juli findet ein Hafenfest statt.