Freitag, 29. Januar 2016

Trudy Kleinstein

von Grietje van der Veen

Nachdem wir letzte Woche erörtert haben, was eine ultimative Künstlerin ausmacht, stelle ich Ihnen eine Künstlerin vor, die viele dieser Eigenschaften besitzt:
Sie ist unabhängig, authentisch, beherrscht ihr Handwerk, ist kritisch, Einzelgängerin, hat ein klare Linie, ist herausragend und noch vieles mehr.

Trudy Kleinstein ist für mich ein Vorbild in ihrer Standhaftigkeit, Unerschütterlichkeit und Unabhängigkeit als Künstlerin. Sie bleibt sich und ihrer Kunst treu. Vor vielen Jahren habe ich sie in ihrem Haus besucht und interviewt. Seitdem sind wir immer in losem Kontakt geblieben. Letztes Jahr habe ich sie wieder am Carrefour Européen im Elsass getroffen und war überwältigt von ihrer Ausstellung dort. Alle grossformatigen Quilts, die sie in Ste.Marie aux Mines asusstellte, sind handgenäht, -appliziert und -gequiltet. Ich freue mich, dass sie sich spontan kurzfristig bereit erklärt hat, auf meine Fragen schriftlich zu antworten und mir ein paar Bilder dieser Ausstellung zu schicken.

· Wie war deine Ausbildung ?

Meine erste Ausbildung war Hochbauzeichnerin. Anschliessend habe ich noch die Ausbildung zur Psychiatrieschwester gemacht und fast 20 Jahre neben meiner Familie mit suchtkranken Menschen gearbeitet. Obwohl ich nie auf meinem ersten Beruf gearbeitet habe, hat mich die Architektur nie ganz losgelassen. Ich entwerfe immer noch gerne Häuser und übernehme ab und zu eine Bauleitung.

· Wie war der Werdegang als Künstlerin? Kannst du etwas über deinen Hintergrund erzählen?
Vor 20 Jahren habe ich als Autoditaktin mit traditionellen Quilts begonnen. Inspiriert durch Kunst und Grafik habe ich bald meine eigenen Entwürfe umgesetzt. Mit jedem Quilt habe ich wieder etwas dazugelernt.

· Bist du durch einen Lehrer oder Lehrerin inspiriert worden?
Ich habe ab und zu Kurse besucht. Von jedem Lehrer kann man etwas lernen, etwas mitnehmen. Für mich war aber immer wichtig, einfach meinen Weg zu gehen.

· Welche Stationen waren für dich von besonderer Bedeutung für deine künstlerische Arbeit? (eigene Ausstellungen, Begegnungen, Erlebnisse...)

Die Preise, die ich im Ausland gewonnen habe, haben mir immer wieder gezeigt, dass ich auf dem rechten Weg bin. Ohne Trends zu folgen oder immer und überall präsent zu sein.

Als ich vor Jahren eine grosse Ausstellung japanischer Quilts sah, war ich total fasziniert und begeistert. Ich habe gemerkt, dass sich mit Handnähen noch ganz andere Sachen machen lassen, ohne die japanischen Quilts zu kopieren. Bei diesem Handnähen und eher Sticken als Quilten bin ich bis heute geblieben, und es macht mir unglaublich viel Spass.

· Hast du dich für andere Kunstrichtungen interessiert, bevor du dich für das Textile entschieden haben? Wie ist das aktuell?

Die Malerei und Kunst der verschiedenen Zeiten und Kulturen fand ich immer schon fasziniernd. Als Kind habe ich mir zu Weihnachten Bücher über Tut ench Amun gewünscht.

Als ich ein halbes Jahr als Au pair in Paris war, war mein erster Gang ins Louvre.

Bei den zeitgenössischen Künstlern schätze ich vor allem Anselm Kiefer. Ich liebe seine Texturen und Farben.

· Mit welchem Material arbeitest du heute am liebsten?

Im Moment kann ich am Besten meine Ideen mit handgefärbten Stoffen und Stickgarnen umsetzen.

· Mit welcher Technik arbeitest du heute am liebsten?

Natürlich das Handnähen und Sticken.

· Welche Ziele verfolgst du inhaltlich?

Im Vordergrund stehen für mich die Farben und die Natur. Die Ruhe, die mir diese Arbeit gibt, kommen in meinen Quilts zum tragen.

· Siehst du dich durch die Wahl von Material und Technik in der Präsentation in der Öffentlichkeit eingeschränkt?

Das ist für mich kein Thema. Ich bin eins mit meiner Arbeit, und nur das zählt für mich.

· Siehst du dich dadurch weniger als Künstlerin akzeptiert?

Ich muss weder mir noch anderen mit meiner Arbeit etwas beweisen. Ich habe alles, was ich brauche, diese kreative Arbeit füllt mich aus. Sind dabei die Menschen von meinen Arbeiten noch begeistert, so freue ich mich und das reicht mir persönlich.

· Welche aktuellen Projekte stehen an?

Ich gebe dieses Jahr verschiedene Kurse. Im April habe ich eine grosse Ausstellung zusammen mit Edith Bieri in Zürich.

Vielleicht nehme ich mir auch die Zeit, nach Jahren wieder einmal an einem internationalen Wettbewerb teilzunehmen.

· Die heutige Kunstszene steht immer mehr im Zeichen der Projekte. Hast du schon Projekte mit anderen Künstlern durchgeführt?

Da diese Projekte meistens zeitaufwendig sind und ich eher ein Einzelgänger bin, ist das kein grosses Thema für mich.

· Glaubst du, dass das Interesse am Textilen und an den textilen Künsten zunimmt?

Ich setze mich heute zuwenig mit diesem Thema auseinander als das ich mich dazu äussern kann.

Früher war es mir sehr wichtig für das zu kämpfen, heute möchte ich diese Zeit einfach für mich und das Nähen einsetzen und das Kämpfen den Frauen überlassen, denen es ein Bedürfnis ist.

· Sammelst du etwas?

Ich würde gerne mehr Antiquitäten sammeln, nur haben sie irgendwann keinen Platz mehr.

· Sind Bücher für dich wichtig?
Ja, etwas vom Wichtigstem in meinem Leben. Ohne Bücher und Lesen könnte ich mir mein Leben nicht vorstellen.

· Wie und wo findest du deine Inspiration?
Die Natur mit ihren Formen und Farben bietet mir die meiste Inspiration.

· Inwieweit wirst du von deiner Umgebung beeinflußt?

Ich versuche mich so wenig wie möglich beeinflussen zu lassen. Ich habe wenig Kontakt mit anderen Künstlern. Ich arbeite einfach gerne für mich alleine.

· Gibst du dein Können in Workshops weiter?
Ja ich gebe immer wieder Kurse. Früher in meinem Atelier in Seewis und heute vor allem wen ich für Gruppen angefragt werde und ich gebe auch Privatstunden.

Im Sommer führe ich zusammen mit Edith Bieri eine Quiltwoche in Samnaun durch.

Mein Kurs witmet sich natürlich ganz dem Handnähen und bei Edith näht man mit der Maschine. Auch beim Europäischen Patchworktreffen im Elsass werde ich im September wieder Tageskurse anbieten.

· Du hast mehrmals deine Werke öffentlich ausgestellt. Welche Ausstellungen waren für dich die wichtigsten?

Die erste Einzelausstellung bleibt einem sicher immer in Erinnerung.

Dann sicher das Erlebnis, wenn man an einer Ausstellung seine ersten Preise gewinnt. Es war am Carrefour 2003 im Elsass. Da meistens die Arbeiten, von denen ich persönlich nicht so überzeugt bin, besser ankommen als die, wo ich mich begeistern kann. So war das für mich sehr überraschend für eine Arbeit 2 Preise zu gewinnen.

Dann kommt auch noch die Ausstellung wo ich viele Quilts verkauft habe und natürlich die Ausstellung wo ich mein Buch präsentiert habe. Das Buch habe ich meiner Mutter gewidmet und es war auch die Ausstellung wo sie das letzte Mal dabei sein konnte.

Am Schluss noch die Ausstellung letzten Herbst am Europäischen Patchworktreffen im Elsass. Für diese Ausstellung habe ich 3 Jahre gearbeitet und die Besucher waren begeistert und ergriffen. Ich habe zu jedem Quilt noch ein Gedicht geschrieben und auf grosse Leinenstoffe als Hintergrund gestickt. „Quilts, die die Seele berühren“ ein schöneres Kompliment konnte ich für diese Ausstellung nicht bekommen.

Diese Arbeiten darf ich im April in der Kapelle der Bauhauskirche St. Theresia in Zürich noch einmal zeigen. Nähere Angaben dazu finden Sie auf meiner Webseite.


HERBST DES LEBENS
blätter über blätter
fülle eines baumes
rascheln des windes
wohltat und altgehörtes
heimat und abschied
leise alles zugleich 

HERBST DES LEBENS, 2012-2014, 185x190 cm ,Seide, Baumwolle, Wollstoffe,
handgestickt, handgenäht, handgequiltet

MOHN
stengel, die tragen
angst und schmerz
blüten, die strahlen
hoffnung und licht
nur zur freude
alles für mich
Mohn, 100 x 152 cm, 2014, Seide Baumwolle,handgestickt, handgenäht, handgequiltet

STEINE I
ein paar steine
zu einem ganzen
durchzogen von wegen
sehnsucht verlangt
zart die farben
vom glück erzählt

STEINE I, 2014, 102x106 cm,Seide, Baumwolle, Wollstoffe, handgenäht,  handgequiltet


STEINE II
steine der schöpfung
lied des lebens
farben und formen
linien und flächen
berührung und trennung
nähe und einsamkeit 
STEINE II., 2014, 151x150 cm,Seide, Baumwolle, Wollstoffe, Leinen,Handgenäht Handgequiltet

MAUER
mauern so mächtig
gefühle zerbrechlich
farben so strahlend
sehnsucht vereint
leben und licht
hoffnung und Zuversicht 
MAUER, 2013, 144 x144 cm, Seide, Baumwolle, handgestick,t handgenäht, handgequiltet

Anmerkung von Grietje:Wenn Sie mehr über Trudy Kleinstein erfahren möchten, oder planen, ihre Ausstellung in Zürich zu besiuchen: HIER geht es zu ihrer Website.