So 29.11.20 – Mo 24.05.21
Die niederländische Designerin Hella Jongerius ist für ihre Auseinandersetzung mit Farben und Materialien international bekannt. «Breathing Colour» zeigt raumgreifende Installationen, mit denen die Designerin die Wirkung und Wahrnehmung von Farbigkeiten erforscht. Nach Stationen in London, Rotterdam und Stockholm kommt ist diese einzigartige Ausstellung zurzeit im Gewerbemuseum Winterthur (Schweiz) zu sehen.
Hella Jongerius im Jongeriuslab Studio Berlin, Foto: Roel van Tour |
Wie beeinflusst das Licht die Farben? Mit dieser Frage beschäftigt sich Hella Jongerius seit rund 10 Jahren. Ihre Antworten präsentiert sie in dieser Ausstellung auf eindrückliche Weise. Die Forschungen gehen weit über die bekannten Farbsysteme hinaus und lassen den Farben Raum zum Atmen.
Einladungskartenmotiv, Foto: Roel van Tour |
Unterteilt ist die Ausstellung in die Tageszeiten, welche die Saaltexte poetisch beschreiben. Im ersten Saal «erwacht» man mit dem Morgen. Die Farben sind hell und frisch, die Materialien fein, transparent. Die anfänglich warmen Töne der Morgendämmerung werden nun kristallklar und kalt.
Blick in die Ausstellung, Foto: Bernd Grundmann |
Der Mittag schliesst sich an – nun werden die Schatten hart und deutlich, die starken Kontraste fast schneidend, die markanten Farben sind aber auch voller Energie.
Morgen: Hella Jongerius im Jongeriuslab Studio Berlin, Foto: Roel van Tour |
Im letzten Saal wird es Abend und Nacht: Die allmählich einsetzende Dunkelheit mischt zunehmend Schwarz in die Farben, diese werden weich, gedämpft, die Konturen verwischen.
Mittag, Foto: Bernd Grundmann |
In einem kleinen Film begleitet man eine rote Kugel durch den 24stündigen Tagesablauf. Hier zeigt sich noch einmal ganz deutlich, wie sich das Rot je nach Licht und Tageszeit signifikant ändert.
Abend, Foto: Bernd Grundmann |
Im mittleren Saal untersucht Hella Jongerius, wie eine kalte, metallene Oberfläche die Farben reflektiert. Erstaunlich, wie dreidimensionale uni Flächen aus der Ferne zweidimensional und mehrfarbig wirken!
Farbforschungen, Foto: Christine Läubli |
Verdeutlicht werden diese Phänomene durch «Colour Catcher», «Farbfänger», eine Art Körbe, die Licht, Schatten und Farben auffangen und reflektieren. Die facettierten Fänger stehen und liegen auf farbigen Platten. Sich bewegende Lichtquellen umkreisen sie langsam und zeigen, wie sich die Farben auf den Platten mit dem Schatten ändern, wie sie sich immer neu und phantastisch mischen. In der Ruhe, die es braucht, um kleinste Nuancen wahrzunehmen, gelangt man in eine meditative Welt der Stille und des Glücks.
Farbe auf Metall, Blick in den mittleren Saal, Foto: Bernd Grundmann |
Origami: Die gleiche Farbe wirkt je nach Lichteinfall unterschiedlich, Foto: Christine Läubli |
Die Lichtfänger werden durch Gewebe ergänzt, welche die Farben von Morgen, Mittag und Abend gestalten. Ausserdem verdeutlichen ganz kleine Stoffmuster, wie sich das Licht je nach Gewebestruktur unterschiedlich bricht; sie bezeugen die immense Forschungsarbeit, die hinter Hella Jongerius’ Werken steht.
Farbfänger, Foto: Bernd Grundmann |
Ein Begrüssungsvideo und ein Dokumentarfilm zeigen, wie die Designerin denkt, forscht und arbeitet.
1993 gründete Hella Jongerius ihr eigenes Studio: Jongeriuslab. Zu ihren Auftraggebern zählen unter vielen anderen das niederländische Designkollektiv Droog, die Fluggesellschaft KLM Royal Dutch Airlines, der US-amerikanische Textilhersteller Maharam und die Designfirmen Vitra und Artek. Gleichzeitig waren ihre Werke in internationalen Museen und Galerien ausgestellt, wie zum Beispiel im MoMA in New York oder in der Galerie Kreo in Paris. «Breathing Colour» wurde in Zusammenarbeit mit dem Design Museum London entwickelt.
Gewebemuster, Foto: Christine Läubli |
gewebte Farbstimmung, Foto: Christine Läubli |
Hella Jongerius:
«Mit dieser Ausstellung habe ich versucht, das volle Potenzial von Farbe zu offenbaren und zu zeigen, wie das Licht Farben atmen und lebendig werden lässt. Sie soll uns Farbe hinterfragen lassen – einen der elementarsten Aspekte von Design. Mein ultimatives Ziel ist es, die Macht der Farbe gegen die Macht der Form antreten zu lassen.»
Farbfänger auf farbigen Platten, Foto: Christine Läubli |
Hella Jongerius:
«Ich rebelliere gegen die Eintönigkeit der Farbindustrie. Ich vermisse den Schuss Rot in den industriellen Rezepten für Grün. Er verleiht der Farbe ihre Intensität, ihr Leben. Ich vermisse Farben, die mit dem Wechselspiel des Lichts atmen. Ich vermisse die Wandelbarkeit, die Optionen, die es uns erlauben, eine industriell produzierte Farbe zu deuten und umzudeuten, so wie wir ein Kunstwerk umdeuten.»
Morgenstimmung, Blick in die Ausstellung, Foto: Bernd Grundmann |
Hella Jongerius:
«Ebenso wie Licht Farben atmen lässt, erzeugt es auch Schatten. Dies ist ein wichtiger und faszinierender Teil meiner Farbforschung geworden. Ohne Schatten wären die Objekte nackt. Schatten sind die Projektion von Objekten, die ihre Position im Raum kennzeichnen.»
Hella Jongerius im Jongeriuslab Studio Berlin, Foto: Roel van Tour |
Informationen:
Gewerbemuseum Winterthur, Kirchplatz 14, CH-8400 Winterthur
Die Ausstellung dauert bis zum 24. Mai 2021 und wird von einem reichen Veranstaltungsangebot begleitet.
Leider muss sie wegen Covid bis am 22. Januar geschlossen bleiben.
www.gewerbemuseum.ch