von Cécile Trentini
Vor zwei Wochen hatte ich die Gelegenheit am Festival of Quilts in Birmingham einen Workshop zu unterrichten; zum ersten Mal mit Teilnehmerinnen aus England und Schottland.
Im Lauf der letzten Jahre habe ich in verschiedenen Ländern unterrichtet und machte mir jeweils einen Spass daraus, die "landesspezifischen" Merkmale meiner Kursteilnehmerinnen zu beobachten und so habe ich mit der Zeit eine kleine "internationale Kursteilnehmerinnen Typologie" zusammengetragen, die ich hier gerne vorstellen möchte.
Natürlich kann man nicht aus einer Gruppe von 10 Teilnehmerinnen Rückschlüsse über den Charakter aller Quilterinnen eines Landes ziehen; diese Beobachtungen spiegeln nur meine eigenen eingeschränkten Erfahrungen wider und andere Kursleiterinnen können sicher über andere Erfahrungen berichten.
Aber ich hoffe, dass Sie mir diese eigentlich unzulässige Verallgemeinerung verzeihen werden und trotzdem Spass an meiner nicht ganz ernst gemeinten Typologie haben. Vielleicht erkennen Sie sich sogar, mit einem Schmunzeln, in der einen oder anderen Gruppe wieder…
Beginnen wir "zu Hause":
Die (Deutsch) Schweizerinnen Ihrem Ruf gerecht werdend, sind sie überpünktlich. Beginnt der Kurs um 9 Uhr (und die Schweiz ist übrigens das einzige Land, in dem die Kurse so früh beginnen und so lange dauern, im Schnitt eine Stunde länger pro Tag als an jedem anderen Ort, an dem ich unterrichtet habe) sind 8 von 10 Teilnehmerinnen bereits um 08.30 im Kursraum, haben ihr Material ausgepackt, ihren Arbeitsplatz eingerichtet und sind startklar. Die zwei, die noch fehlen, haben sich entweder verfahren oder der Zug hatte Verspätung und sie entschuldigen sich in aller Form, wenn sie punkt 09.00 noch in den Kursraum huschen...
Die Schweizerinnen wollen was für ihr Geld, sie erwarten viel, sind aber auch fleissig und legen sich während dem Kurs so richtig ins Zeugs; konzentriertes und schweigsames Arbeiten kommt häufig vor und sie nehmen jede von der Kursleiterin gestellte Herausforderung an. Was allerdings nicht heisst, dass der Spass zu kurz kommt; auch bei den Schweizerinnen hat die soziale Komponente, das Zusammenkommen mit Gleichgesinnten, der Austausch und das Erzählen von Anekdoten aus dem Quilter- und Familienleben ihren Platz - einfach eher in den Pausen.
Lange Anfahrtswege und umfangreiche Materiallisten können Schweizerinnen leicht vergraulen; ist der Weg oder die Liste zu lang, kann das Interesse am Kurs schnell einmal schwinden – Ausnahmen ausgenommen natürlich, die weder Mühe noch Kosten scheuen, um einen Workshop zu besuchen. Häufiger als bei anderen Nationen allerdings nur einmal – "Wiederholungstäterinnen" gibt es auch in der Schweiz, aber seltener als anderswo.
Die Deutschen Wer hier teutonische Zucht und Ordnung erwartet hat, ist fehl am Platz. Der erste Kurstag beginnt grundsätzlich erst um 10 Uhr, was durchaus Sinn macht, so können die Teilnehmerinnen, die von auswärts kommen noch am Morgen, statt schon am Abend zuvor, anreisen. Und es sind deren nicht wenige; den Deutschen scheint kein Weg zu einem Kurs zu weit zu sein, sie nehmen stundenlange Anfahrtswege in Kauf, reisen quer durch ihr Land zu einem Workshop - allerdings nur wenn dies mit dem Auto möglich ist…
Der Kurs beginnt also um 10 Uhr; die ersten Teilnehmerinnen treffen frühestens um 10 vor 10 ein (was mir bei meinen ersten Kursen im grossen Kanton regelmässig den Angstschweiss auf die Stirn trieb: "was ist, wenn keine kommt?"); die letzten um 10 nach… Alle sind nun da, was nicht heisst, dass mit dem Kurs begonnen werden kann: es wird noch gemütlich Kaffee getrunken, Wiedersehen gefeiert und "geschnackst". Erst nach einem energischen, manchmal wiederholten "Wollen wir beginnen?" kann es losgehen.
Beeindruckend ist immer die Vorstellungsrunde: klar, direkt und ohne falsche Bescheidenheit: "Das ist, wer ich bin; das ist, was ich kann; das ist, was ich lernen will" (da habe
ich viel davon gelernt!). Auch diese Teilnehmerinnen sind offen für Neues, interessiert, nehmen Herausforderungen an und nähen ohne Murren die geforderten mindestens 10 Möglichkeiten einer Arbeitsprobe (wobei hierzulande eine Legende umgeht, ich hätte anfangs jeweils nur 5 Varianten gefordert - daran kann ich mich nicht erinnern…)
Besonders erfreulich für mich ist die grosse Treue der Deutschen Teilnehmerinnen. Hat man sie mal für ein Thema begeistert (in meinem Fall Entwurfstechnik), kommen sie immer wieder. Manche schon bald 10 Jahre! Es gibt nichts Spannenderes für eine Kursleiterin als die Arbeit und die Entwicklung einer Teilnehmerin über Jahre mit zu verfolgen.
Die Österreicherinnen
Wage ich das hier zu schreiben? Man hatte mich vor meinem ersten Kurs in diesem Land gewarnt: in Österreich hinkten die Quilterinnen in Sachen Technik und Design der Zeit etwa 10 Jahre hinterher Das deckt sich allerdings
überhaupt nicht mit meinen Erfahrungen. Das Durchschnittsalter der Kurs-Teilnehmerinnen lag zwar tatsächlich etwas höher als anderswo, was hätte vermuten lassen können, dass sie eher noch im traditionellen Patchwork verhaftet seien; das Interesse, die Neugierde, die Offenheit und vor allem auch die in den Kursen entstandenen Entwürfe und Arbeiten hielten dem internationalen Vergleich aber absolut stand!
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"Durch dick und dünn", Herti Estl |
Die grösste Herausforderung in Österreich und zugleich der grösste Spass: die Sprache! Wenn ich da an den einen Kurs in Oberkärnten zurückdenke, als die Teilnehmerinnen ob meinem verdutzten Gesicht einander immer wieder daran erinnerten "wir müssen Deutsch sprechen" und ich trotz Wiederholung des Gesagten auf "Hochdeutsch" die Frage immer noch nicht verstand… Wir haben Tränen gelacht!
Die Amerikanerinnen Sind - quiltbezogen - erstaunlich traditionnel. In vielem entsprechen sie dem Cliché, das man von ihnen hat: eher laut, etwas überschwenglich und ziemlich raumgreifend. Aber eben auch: sehr offen, sehr begeisterungsfähig, sehr unkompliziert. Ein Kurs mit ihnen ist ein Genuss.
Meine Überzeugung wurde dabei bestätigt: es gibt ein unterschiedliches ästhetisches Empfinden in Amerika und in Europa. Den Amerikanerinnen gefallen andere Farben und andere Darstellungen als den Europäerinnen, was ja auch sichtbar wird, wenn man Quilt-Kataloge vergleicht: fotorealistische Quilts z.B. sind in Amerika sehr viel stärker vertreten. Es ist wohl auch kein Wunder, dass die Ursprünge der konstruktiven und konkreten Kunst in Europa liegen, diejenige der Pop-Art vorwiegend in den USA.
Aber, OMG, die Erfahrung Amerikanerinnen zu unterrichten war wahrlich "AWSOME", LOL.
Last but not least:
Die Britinnen Die Britinnen tauchen sogar noch später auf als die Deutschen: 5 Minuten vor Kursbeginn ist noch nicht mal die Hälfte der Teilnehmerinnen anwesend!
Sind sie aber einmal da, wird ebenso konzentriert, intensiv und experimentierfreudig gearbeitet - eher ruhig und zurückhaltend aber immer wieder blitzt der berühmte britische Humor hervor…
Spannend, was da in zwei Tagen entstanden ist.
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Entwürfe von Vicky Worth |
Die (West) Schweizerinnen Im Herbst werde ich zum ersten Mal einen Kurs in der Romandie geben. Ich bin jetzt schon gespannt, wie "die Welschen" sein werden…
(à suivre)
Dieser Beitrag ist auch eine gute Gelegenheit, mich wieder mal bei all meinen Kursteilnehmerinnen zu bedanken: eure Neugierde, eure Offenheit, eure Bereitschaft Ideen und Projekte in der Gruppe zu erarbeiten und zu besprechen machen das Unterrichten jedes Mal spannend und auch für mich immer wieder lernreich. Herzlichen Dank!
Und nun bin ich gespannt, ob die eine oder andere "Kleine Kursleiterinnen Typologie" in den Kommentaren auftaucht – ich würde mich darüber freuen!