Ich gehe nun zum zweiten Mal zurück in die Textilkunstgeschichte. Dieses Mal möchte ich die Künstlerin Lotte Hofmann aus Deutschland vorstellen.
Lotte Hofmann 1940 |
Lotte Hofmann wurde 1907 in Karlsruhe geboren. Mit sieben Jahren verlor sie ihre Mutter. Gemeinsam mit ihrer Schwester wuchs sie in einem Internat auf. Schon in dieser Zeit zeigten sich die Talente, die sich in späteren Jahren voll entfalten sollten. So war das Interesse am Textilen sehr ausgeprägt.
1921 zog die Familie nach Stuttgart. Lotte Hofmann beendete dort ihre Schulausbildung. Ab 1924 widmete sie sich der Ausbildung zur Gewerbelehrerin für Kunsthandarbeit - man stelle sich diese Bezeichnung in der heutigen Zeit vor - und Zeichnen in Hamburg, Potsdam und Berlin. Großen Einfluß auf ihre künstlerische Entwicklung hatte Hermine Urban, eine Schülerin von Adolf Hölzel.
Als besonders wichtig hat sie selbst immer die Zeit in Berlin bezeichnet. Hier besuchte sie in Abendkursen die Ittenschule. Der Schweizer Itten, ebenfalls Schüler von Hölzel, hatte schon in Weimar am Bauhaus unterrichtet. Die elementare Gestaltungs- und Formenlehre fand sich auch in seiner 1926 gegründeten Schule wieder. Lotte Hofmann sieht in den drei Jahren an dieser Schule ein wesentliches Element für ihre weitere Entwicklung. Itten vertrat eine „ganzheitliche“ Auffassung: „durch seinen Unterricht und seine Betreuung sollten sich seine Schüler nicht nur die notwendigen künstlerischen Grundkenntnisse aneignen, sondern sich auch die Individualität der eigenen Persönlichkeit bewusst machen.“ (Seite 12)
1931 trat Lotte Hofmann das Kandidatenjahr als Gewerbelehrerin im Bonner Schuldienst an. Nach dieser Zeit absolvierte sie noch eine Schneiderlehre in einer Werkstatt in Köln und machte dort im Jahr 1932 ihre Gesellenprüfung. Im selben Jahr übernahm sie die Leitung der Staatlichen Stickschule in Mittenwalde. Von 1933 bis 1945 leitete sie die Ostpreußische Gewerbeschule. 1942 legt sie noch die Stickmeisterprüfung vor der Handwerkskammer Königsberg ab. Aus dieser Stadt flüchtet sie 1945 nach Oberrot bei Schwäbisch Hall. Dort gründet sie 1946 ihre „Werkstatt LoHo“, die sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1981 leitet. Hier entstehen in den Anfangsjahren neben großartigen Wandbehängen auch sehr gut gestaltete und technisch hervorragend ausgeführte Alltagsgegenstände wie Kaffeewärmer, Serviettentaschen, Tischsets, Kissenbezüge, Kosmetiktaschen oder, auch noch aus Uniformstoffen, Stofftiere. Bei dem abgebildeten Beispiel wird deutlich, dass sie auch neue und moderne Materialien mit einbezog.
Spieltiere aus Plastikmaterial, 1950 |
Diese Tiere sind aus einer Plastikfolie von Hand genäht. Wenn wir uns den Kaffeewärmer genauer anschauen, entdecken wir eine uns sehr wohl bekannte Technik , die des freien Maschinenquiltens und Maschinenstickens. Diese Technik hat sie zur Perfektion gebracht.
Kaffeewärmer, 1955 |
Am besten läßt sich ihre Gestaltungskraft an den Arbeiten selbst ablesen: Schauen wir uns den Wandbehang aus dem Jahr 1954 an:
1954, 98 x 36 cm |
Dies ist ein frühes Beispiel für die sogenannten Flecklteppiche, bei denen mit ausgefransten Quadraten oder Rechtecken aus Seide gearbeitet wurde. Die Quadrate wurden nach einem Entwurf aufgenäht und anschließend mühsam von Hand ausgefranst. Eine sehr aufwendige Vorgehensweise, die aber zu einem sehr modernen und überzeugenden Ergebnis führte.
1957, 196 x 296 cm |
Detail |
Dieser Vorhang aus dem Jahr 1957 nimmt in kongenialer Weise die Pojaghi - Technik vorweg, die vor einigen Jahren hier bei uns neu entdeckt wurde. Bemerkenswert ist die Größe, in der diese Technik eingesetzt wurde. Das erfordert in jeder Beziehung großes Können.
Vor allen Arbeiten stand ein farbiger Entwurf, umgesetzt mit Aquarellfarben, Wachsmal- oder Pastellkreiden.
Oft wurden diese Skizzen aus der Natur abgeleitet und dann textil umgesetzt, wie diese Arbeit aus dem Jahr 1973.
1973, 78 x 96,5 cm |
Die folgenden Abbildungen zeigen noch einmal Fleckle-Bilder in großer Perfektion.
1978, 79,5 x 117 cm |
1978, 180 x 245 cm |
70iger Jahre, 117,5 x 33,8 cm |
Beim schmalen Wandbehang hat sie diese Technik nicht flächendeckend eingesetzt, sondern mit Maschinenstickerei kombiniert. Darin zeichnet sich ihr Gesamtwerk aus. Lotte Hofmann verstand es, die Techniken sehr bewusst und der Idee entsprechend zu kombinieren und einzusetzen. Die folgenden drei Abbildungen zeigen Werke, die im Gesamtwerk eine Sonderstellung einnehmen.
70iger Jahre, 38 x 28 cm |
1979, 59,7,x 42 cm |
1981, 21,2 x 17,5 cm |
Hier werden Haare, Fasern oder Fäden als großer Strang aufgelegt und mit der Maschine dekorativ festgenäht. Sie wirken durch das Übernähen wie Gewebe. Es entstanden Flachreliefs mit interessanter Wirkung. Diese Vorgehensweise, die auf eine wunderbare Weise die textilen Ausdrucksmittel nutzt, wollte ich selber immer schon mal ausprobieren. Vielleicht klappt es ja in diesem Sommer! Die Theatervorhänge oder andere große Auftragsarbeiten für den öffentlichen Raum waren genauso aufwendig gearbeitet wie die Werke im kleineren Format. Dabei standen Lotte Hofmann auch immer Frauen zur Seite, die an der Ausarbeitung mitgeholfen haben. (Wordles Wednesday) Es ist allerdings unglaublich, dass manche dieser Arbeiten verschwunden, man muss wohl sagen, entsorgt worden sind.
Lotte Hofmann war nicht nur eine herausragende Künstlerin, sie hat auch in vielen Gremien mitgearbeitet, um dieser Kunst zu mehr Öffentlichkeit und Anerkennung zu verhelfen. Eine beeindruckende Persönlichkeit!
Alle Abbildungen und das Zitat stammen aus dem Buch“Lotte Hofmann - Textile Bilder 1950 - 1981“ Hrsg. Harald Siebenmorgen, Autorin Heidrun Jecht, Stuttgart, ARNOLDSCHE, 1997 ISBN: 3-925369-78-3. Diese Buch kann man leider nicht mehr kaufen, es sei denn, man findet es im Antiquariat
Liebe Gabi,
AntwortenLöschenvielen Dank für diesen interessanten Bericht. Schade, dass ich diese Künstlerin nicht kennenlernen konnte.
Liebe Grüße
Myriam
Liebe Myrjam,
AntwortenLöschenja ich hätte sie auch gerne kennengelernt. Sie muss eine sehr nette, freundliche, ich denke auch energische, Frau gewesen sein.
liebe Grüße gabi
Liebe Gabi,
AntwortenLöschenDiese Künstlerin hat so vieles, von dem wir meinen, wir hätten es als Neues entdeckt, schon vor Jahrzehnten vorweggenommen. Ich bin ganz begeistert von den Fleckl-Teppichen und der "Pojagi"-Arbeit. Ihre Werke sind so modern, dass ich nie drauf gekommen wäre, sie sind in den 50-er Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden. Schade, dass das Buch über sie nicht mehr erhältlich ist. Werde mich aber trotzdem umsehen.
Liebe Gabi,
AntwortenLöschenherzlichen Dank für die Vorstellung dieser außergewöhnlichen Frau, die ich bisher nicht kannte. Es ist wirklich erstaunlich, was sie geleistet hat, dass es noch heute hochmodern wirkt. Wunderschöne Kompositionen! Ich bin gespannt auf deine textilen Gewebe, die du immer schon einmal machen wolltest.Drücke dir die Daumen, dass du die Zeit dafür findest. Es ist schade, dass es das Buch nicht mehr gibt (jedenfalls zu einem annehmbaren Preis), jedenfalls in deutscher Sprache. In Englisch habe ich es im Netz allerdings gefunden. Aber da reichen meine Sprachkenntnisse leider nicht aus. Vielleicht habe ich ja mal Glück und finde es doch noch irgendwo. Es war jedenfalls mal wieder ein Blick in etwas Neues, wunderbar!!!! Herzliche Grüße Anette
Hallo Grietje, hallo Anette,
AntwortenLöschenich finde es toll, wenn man solche Entdeckungen machen kann. ich habe vor langer Zeit einmal Abbildungen von ihren Arbeiten gesehen. Bei einer Quiltfreundin habe ich dann im letzten Jahr das Buch gesehen und ausgeliehen
Es lohnt sich doch immer wieder, auch in der Textilgeschichet zu forschen.
liebe Grüße Gabi
halli hallo,
AntwortenLöschendas hier vorgestellte buch ist bei einer lotte-hofmann-ausstellung in karlsruhe von dezember 1997 - februar 1998 erhältlich gewesen - ich hab es im regal stehen und bringe es zum durchblättern auch immer wieder zu meinen kursen mit. die ausstellung fand statt im museum beim markt, einer dependance des badischen landesmuseums karlsruhe - vielleicht hat man ja dort noch einen posten bücher im keller? man müsste mal anfragen.
beste grüsse
gudrun
Liebe Gudrun, vielen Dank für den Hinweis. Vielleicht kann man da ja wirklich noch ein Exemplar ergattern.
AntwortenLöschenHerzliche Grüße Gabi
Hallo Gabi,
AntwortenLöschenwas für ein Glück, dass manche Arbeiten erhalten geblieben sind. Einige sind echte Meisterwerke. Das letzte erinnert mich mehr an ein abstraktes Wandbild, ich würde nie an Textilien denken.Lotte Hoffmann war wirklich sehr kreativ, bedenkt man nur, wie gelungen sie verschiedene Stoffe mit Haaren und Fasern verbindet
Liebe Martina,
AntwortenLöschenja ich finde es auch sehr überzeugend. Sie ist doch wirklich eine Entdeckung, nicht wahr?
liebe Grüße Gabi
Ja, genau :)
AntwortenLöschenLiebe Gabi,
AntwortenLöschendu jagst mich auf kosten. Jedesmal, wenn du ein buch vorstellst, muss ich es einfach kaufen. Ich habe es auf englisch bestellt, denn auf deutsch habe ich es nicht gefunden.
liebe grüsse
Grietje
Liebe Grietje,
AntwortenLöschenda kann ich leider nichts dran ändern... :-)
liebe Grüße Gabi
Gerade habe ich diesem Bericht über LoHo, so wurde sie nämlich hier bei uns im Ort genannt, entdeckt.
AntwortenLöschenIch komme aus Oberrot-Hausen und die Künstlerin ist natürlich auch hier noch vielen ein Begriff.
Ich bin im örtlichen Musikverein von Hausen an der Rot, und wir sind sehr stolz, den LoHo hat unsere Fahne designed und genäht. Die Fahne ist natürlich bis heute in Gebrauch und wir freuen uns jedes Mal an ihr, denn kein anderer Verein hat eine vergleichbare.
Schön, dass Lotte Hoffmann auch heute noch vielen eine Inspiration ist :-)
Hallo,
AntwortenLöschenden Ausstellungskatalog/Buch kann man vergleichsweise günstig beim Bundesverband Kunsthandwerk bestellen. Dort kostet er nur 38 EUR. Hier der Link mit der Bestelladresse http://www.lotte-hofmann-stiftung.de/leben.htm
Hallo und vielen Dank für den tollen Bericht. Kennen Sie vielleicht auch den wunderschönen Vorhang im Staatstheater in Kassel? Danke für die interessanten Berichte. Liebe Grüße Ann
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