Text und Fotos: Christine Läubli
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Das Altstadhaus mit einem Werk von Ursula Suter |
Mitten im alten Kern von Zug, direkt
am See, liegt die 1427 erbaute Altstadthalle. Man kennt sie als den Ort der
Teximus-Ausstellungen. Die vier Organisatorinnen dieser umfassenden Schweizer Triennale
– zur Zeit Bea Bernasconi, Grietje van der Veen, Ursula Suter, Christine Läubli
– bilden die Gruppe Tafch. Vom 23. bis 26. Mai 2019 zeigten wir in der
Altstadthalle unsere eigenen Werke.
Im Erdgeschoss fiel das kraftvolle, gefilzte Bild «Wasser gehört allen» von Ursula
Suter auf. Silbernes Weiss leuchtet in tiefdunklem Blau. Vielleicht glitzert das
Mondlicht im Wasser eines Flusses oder stillen Sees? Jeder Besucher konnte hier
seine eigene Geschichte finden.
Auch in den oberen Räumen beeindruckten die grossformatigen Werke der Filzkünstlerin
durch sensible Strukturen, unerwartete Weichheit und meditative, aber starke
Ausstrahlung.
Im schmalen, hohen Bild «es fliesst» schlängelt sich eine helle Bahn durch
dunkles Grün-Oliv: Ein Bächlein im Moos? Ein Stück Himmel zwischen Sommerlaub? Wind
im hohen Gras?
Beeindruckend ist auch der aus unzähligen Wollbällchen bestehende Teppich «Steine».
Je länger man ihn anschaut, desto mehr Muster, Linien, Farbschattierungen tauchen
im Grau auf – es ist, als hätte ein Zenmeister gerade seinen Steingarten
gerecht.
Daneben erzählen kleine Kompositionen aus Überbleibseln von Filzprozessen, transparenten
Übergängen und Stickereien sensible Geschichten.
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Ursula Suter: Was bedeutet Zeit |
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Ursula Suter: Es fliesst |
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Ursula Suter: Landschaften |
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Ursula Suter: Steine |
Bea Bernasconi beschäftigt sich seit längerer Zeit mit dem in unserer
urbanen Landschaft allgegenwärtigen Thema Graffiti. Ihre frechen, farbenfrohen,
expressiven Bilder springen ins Auge. Bea bearbeitet Stoffe mit unterschiedlichen,
oft experimentellen Verfahren, verwendet Papiere aus allen Bereichen und fügt alles
zur Collage zusammen.
Oftmals verarbeitet sie in ihren Arbeiten eigene Erlebnisse oder Eindrücke. Vor
einigen Jahren betreute sie eine Immigrantin aus Eritrea. Diese intensive
Begegnung mündete im Gesichterbild «Wanawake» und in der Werkreihe «Faces» mit berührenden
Bildern. Aus einem diffusen Hintergrund tauchen Menschen aus fernen Ländern auf,
geprägt von Leid und schrecklichen Erlebnissen. Sie haben in ihrer prekären
Situation keinen festen Boden mehr unter den Füssen.
Nach einem belasteten Jahr, das Bea der an Alzheimer erkrankten Mutter gewidmet
hatte, suchte sie 2018 mit dem Projekt «52 Weeks» die Rückkehr in die Kunst. Sie
nahm sich vor, während des ganzen Jahres jede Woche ein Miniaturbild zu
gestalten. Die drei Grundregeln bestanden darin, dass alles handgenäht sein musste,
in jedem Objekt lediglich Fäden in drei Farben und ausschliesslich Resten verwendet
werden durften – die Serie birgt schon in ihrer Stofflichkeit eine Sammlung von
Erinnerungen.
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Bea Bernasconi: 52 Weeks |
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Bea Bernasconi: Heart |
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Bea Bernasconi: Akina Mama (Ausschnitt) |
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Bea Bernasconi: Stuhl |
Grietje van der Veen beschränkt sich seit einiger Zeit darauf, ihre textilen
Vorräte aufzubrauchen. Dabei schreckt sie auch nicht davor zurück, eigene
ältere Werke zu zerschneiden, um daraus Neues zu konzipieren. So entstanden beispielsweise
meditative Miniaturen, die sie in alte CD-Hüllen rahmte. Auch Fundstücke inspirieren
sie zu neuen Gestaltungen: Ein Gitter, das irgendwo herumlag, nahm sie mit und transferierte
es mit schwarzen Fäden und Stoffstreifen zum scherenschnittartigen Wandrelief.
Ein Thema, das Grietje sehr beschäftigt, ist der Umgang des Menschen mit seiner
Umwelt. In einer Werkreihe setzt sie sich damit auseinander. Abgeholzte
Regenwälder, verlassene Mienen, Atommüll – von weitem erscheinen zwar diese
Bilder als ästhetische, harmonische Kompositionen, doch in der Nähe oder im
Titel erkennt man die Abgründe der Thematik.
Als Kontrapunkt zu diesen kritischen Werken steht die Reihe der Glücksmomente:
Grietje gestaltete durch ein Jahr kleine, positive Augenblicke aus ihrem Leben.
Ein Januartag in London, als sie auf ihren Sohn wartete, eine Winterstimmung im
Rebberg, eine Blumenwiese im Mai …
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Grietje van der Veen: Eremitage - Arlesheim |
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Grietje van der Veen: Ohne Titel |
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Grietje van der Veen: Wrapped in Lies I |
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Grietje van der Veen: 21 Minicollagen in CD-Hüllen |
Ich selber (Christine Läubli) hatte mich in den letzten Jahren intensiv mit den Themen Schriften,
Schichten, Bücher beschäftigt. In eine Leinenkette hatte ich erst diffuse
Schriftbilder eingewebt, darauf von Hand Schriftbilder gezeichnet, dann eine Druckschrift
aufgebracht und als letztes eine digitale Schrift auf projiziert: «Palimpsest»
zeigt auf vier hintereinander angeordneten Stoffbahnen, wie im Laufe der Menschheitsgeschichte
immer wieder neue Techniken alte ablösten und doch nie ganz verdrängten.
Ebenfalls schichtweise hängte ich sieben
Seidengazepaneele, auf die ich mit dem Stopfstich
Schriftartiges aufgezeichnet hatte. Hinter jeder Schicht schimmerte eine weitere.
Dazu passten die kleinen «Fragmente»: Kritzeleien auf Transparentpapier, formenmässig
von uralten Stofffragmenten inspiriert, liessen in Lagen gelegt ebenfalls eine untere
Schicht erahnen.
Gezeichnete und gewebte Bücher mit unterschiedlichsten Schriftbildern und
Grafiken beleuchteten das Thema «Schrift» noch von anderen Seiten her.
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Christine Läubli: zerlesen |
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Christine Läubli: ge-schichten |
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Christine Läubli: news von gestern |
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Christine Läubli: farben des waldes |
Das Publikum besuchte die Ausstellung «Tafch stellt aus» in erfreulicher Zahl. Und
immer wieder ergaben sich interessante Gespräche. Die Menschen liessen sich berühren
oder zum Nachdenken anregen – nicht zuletzt auch über den Stellenwert der textilen
Kunst. Doch eigentlich ist es ganz einfach. Urmenschliche oder in unserer Zeit
relevante Themen verlangen nach einer zeitgemässen Form und Aussage. Ob Malerei,
Bildhauerei, Fotografie oder Textil, ob Farben, Steine, Holz, Beton oder Fasern
und Fäden: In jeder Technik und mit jedem Gestaltungsmittel gilt es, einen künstlerisch
gültigen Ausdruck zu finden.
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