Freitag, 5. Oktober 2018

Constance Egger-Klee - ein Interview

von Grietje van der Veen

Aus familiären Gründen habe ich dieses Jahr auf einen Besuch am European Patchwork Meeting im Val d'Argent verzichtet, obwohl ein Werk von mir in zwei Ausstellungen zu sehen war. Statt dessen fuhr ich nach Innsbruck

Nicht unbedeutend war auch die Tatsache, dass eine Künstlerin, die ich an der 12th International Biennial of Contemporary Textile Art „Scythia“ in der Ukraine kennengelernt hatte, in der Nähe von Innsbruck wohnt. So verbrachten wir ein paar schöne Abende in ihrem Haus zusammen mit viel Fachsimpeln und dem Betrachten und Bewundern ihrer Werke. Ich habe sie auch für diesen Blogbeitrag interviewt und stellte ihr folgende Fragen:

Was war der Antrieb, dich mit Textilien zu beschäftigen?

Meine Mutter war als Schneiderin, Kostüm- und Maskendesignerin ausserordentlich kreativ. Durch sie kam ich in Berührung mit der Welt des Textils. Ich spielte mit Stoffen noch bevor ich krabbeln konnte. Stoffe waren die ersten Materialien, mit denen ich in Berührung kam, und nach wie vor liebe ich es, die haptischen Qualitäten verschiedenartiger Stoffe zu erfahren.

Wie wurde deine Fantasie durchs Nähen angeregt?

Meine ersten Erfahrungen sammelte ich beim Nähen klitzekleiner Kleider für meine Püppchen. Die Möglichkeit, unterschiedliche Materialien zusammenzufügen sowie aus etwas Flachem durch einfaches Sticken Dreidimensionales zu erzeugen faszinierte mich.

Durch wen oder was wurdest du anfänglich beeinflusst?

Wie schon gesagt: Meine Mutter war mein erstes Vorbild. Sie war eine begeisterte Stickerin und arbeitete für ein Musical Marionettentheater in der Nachkriegszeit in Deutschland. Sie entwarf auch alle Kleider für sich und für uns Kinder.

Wie war dein Weg hin zur Künstlerin?

Bis zum 18. Lebensjahr wollte ich Kunst studieren. Ich war sehr interessiert an angewandter dekorativer Kunst und beabsichtigte Produkt- oder Inneneinrichtungsdesigner zu werden. Für dieses Studium hätte ich aber mein Heim verlassen müssen, wozu ich zu der Zeit nicht imstande war. Da entdeckte ich den Beruf Occupational Therapy (Arbeitstherapie). Der Studienplan enthielt viele kunsthandwerkliche Lerneinheiten,was einem Kunststudium doch sehr nahe kam.

Darauf folgten viele Jahre des Experimentierens mit verschiedenen Techniken und Materialien und ein weiteres Online-Studium in Grafikdesign. Ich machte ebenfalls eine Ausbildung als Kreativtrainerin und gründete 2009 ein Textilkunstgruppen-Atelier.

 Meine erste Beteiligung an einem internationalen Wettbewerb war anlässlich des LICC (London International Creative Competition) 2011, wo ich eine „Honorable Mention“ erhielt für mein Bild „Glimpses“.
"Glimpses", Detail

Glimpses

Die Arbeit besteht aus drei Lagen Polyesterorganza, jede Lage auf beiden Seiten handbestickt und appliziert). Das Bild ist zeigt einen Weg in den Wald und wirkt so realistisch in seiner Dimensionalität, dass man das Gefühl hat, man tritt geradezu unvermittelt hinein. Einen Grossteil der Arbeit machte ich während der Krebserkrankung meines Ehemannes, und das Bild deutet auf einen Durchgang zu der „anderen Seite“ hin. Jedoch, da das Bild von beiden Seiten mit dem gleichen Eindruck betrachtet werden kann, eröffnen sich neue Perspektive mit den Fragen: Was ist die andere Seite? Oder: welche Seite ist die andere Seite?

Erzähle uns doch etwas über deine Lieblingstechniken

Ich kreiere gerne Strukturen, am liebsten transparente. Wahrscheinlich, weil ich irgendwie immer auf der Suche bin nach den Kräften hinter der Bildung der Sache selber. Polyester Organza ist mein wichtigstes Material. Er ist transparent, leicht, hat Stand und gute Hitze-Fixierungsqualitäten. Er kann „geschnitten“ und mit einem Lötkolben in Lagen zusammengefügt werden. Meine Arbeit „Procreation“ ist entstanden aus einer Serie von mit Hitze fixierten Organza Blasen. Sie wurde an der 12th International Biennial of Contemporary Textile Art „Scythia“ in Ivano Frankivsk, Ukraine gezeigt.

Procreation
Procreation, Detail

Gebrauchst du ein Skizzenbuch ?

Ja, ich verwende ein Skizzenbuch, aber mache ebenfalls kleine Prototypen von Techniken und Materialien, um zu sehen, ob sie zu meinem Konzept passen.


Die Vier Elemente, Feuer

Die Vier Elemente,Feuer, Detail
Die Vier Elemente, Erde
Die Vier Elemente, Erde, Detail
Die Vier Elemente, Wasser

Die Vier Elemente, Wasser, Detail
Die Vier Elemente, Luft

Die Vier Elemente, Luft, Detail
The Dancing Universe, Small

The Dancing Universe, Small, Detail

In was für eine Umgebung arbeitest du am liebsten?
Ich arbeite sowohl in der Natur als auch in einem Atelier zusammen mit gleichgesinnten Künstlerinnen. Das Gruppenatelier ist auch der Ort, wo experimentiert wird mit Techniken und Prototypen. Wenn es aber zum Wesentlichen kommt, zu den Einzelheiten, bin ich am liebsten alleine zuhause, wo ich meine Arbeiten an verschiedenen Orten, an verschiedenen Tageszeiten anschauen und prüfen kann.


Was inspiriert dich momentan am meisten?

Nach wie vor inspiriert mich mit Hitze fixierter Organza. Das Thema ist noch längst nicht ausgeschöpft. Ich kann mir noch so viele Formen und Strukturen vorstellen, die ich kreieren könnte. Die Natur und ihre Formen sind stets meine Inspirationsquellen.


The Dancing Universe, Large

Von welchen Künstlern wirst du am meisten beeinflusst und warum?

Leonardo da Vinci und Johann Wolfgang von Goethe sind Universalgenien, die die Natur wissenschaftlich erforscht haben.

Paul Klee: Ich liebe die Art, wie er mit Lagen – oft transparenter - Farben spielt. Auch er hatte diese forschende und fast wissenschaftliche Qualität.

Alexander Calder: Ich liebe es, wie er mitten in der Luft dreidimensional zeichnet. Ich bewundere auch an ihm, dass er nie aufhörte zu spielen und experimentieren. Ich versuche, ihm in dieser Hinsicht zu folgen.


Wie hat sich deine Arbeit entwickelt im Laufe der Zeit? 

Früher arbeitete ich rein experimentell und ganz spontan. Ich liebe diesen spielerischen Ansatz immer noch, aber inzwischen arbeite ich mehr konzeptionell. Ich finde es auch spannend, mich mit einem vorgeschriebenen Ausstellungsthema auseinanderzusetzen. Es kommt meinem Interesse an wissenschaftlicher Beobachtung und das Sammeln von Informationen sehr nahe. Ich möchte aber beide Ansätze weiterverfolgen. Irgendwie kommen beide Ansätze allmählich zusammen, aber ich möchte das Spielerische doch wieder mehr den Vortritt geben.

Drache

Ohne welches Instrument könntest du bei deiner Arbeit nicht leben?

Meine Hände und speziell meine taktilen Sinne.

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Wer mehr von Constances Arbeiten sehen will, schaut HIER

Nachtrag:

Dieses Video zeigt die Arbeit, die Constance an der WTA 2017 in Uruguai eingereicht hat und die von der Jury angenommen wurde.

30.11.2017 - Hochgeladen von TEXpedition connection
Exhibited on World Textile Arts Biennial 2017 in Uruguay with the Title "PoliPacha - Weaving our new World ...


Videoarbeit, eingereicht an der WTA 2017


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