Freitag, 2. Juli 2021

gedankenwaldgewächse

Land Art Pfad in Engelberg, Schweiz

14. Juni bis 30. Oktober 2021 
im Hungerbodenwald auf der Gerschnialp

Text und Fotos: Christine Läubli




Die Gerschnialp ist von Engelberg aus mit einer nostalgischen Standseilbahn zu erreichen. Die Bergstation grenzt an den Hungerbodenwald, einem mystischen Ort: Betritt man ihn, meint man, sich in einem Märchen zu befinden. Der Land Art Pfad 2021 führt über zwei Kilometer und zehn Installationen; eines der Werke durfte ich selber aufbauen.


im Hungerbodenwald


Schon von weitem leuchten meine «gedankenwaldgewächse» durch die Stämme: Auf dicken Ästen stecken Knäuel aus pflanzengefärbter Wolle. Scheint die Sonne, leuchten die Farben noch stärker. Insekten schwirren heran und fragen sich wohl, wie die seltsamen Pflanzen hierher kamen und was sie hier sollen …





Während der Vorbereitung und Entwicklung der Installation suchte ich ein «Bild» für mein Märchengefühl. Seit langem spielen Märchen in meinem Leben eine wichtige Rolle. Immer wieder beschäftige ich mich mit ihnen, lese sie und über sie, mehrfach besuchte ich Kurse und Workshops. Märchen sind voller Lebensweisheit und Symbole. 
Auf den ersten Blick langweilige Tätigkeiten wie das Zählen von Linsen, die Arbeit in der Küche oder bei einem Köhler, das Hüten von Schafe oder Gänse, tauchen im Märchen immer dann auf, wenn die Protagonisten Raum brauchen, um zu reflektieren, sich selber zu finden und an ihrer Aufgabe zu wachsen. Dies benötigt Zeit, oft sieben Jahre, bis sie bereit sind für den nächsten Schritt.


am Spinnrad


Auch Kämmen oder Spinnen sind häufige Märchensymbole für das Ordnen der Gedanken. 
Im Grimmmärchen «Die Nixe im Teich» beispielsweise wird ein Jäger von einer Nixe verhext und in einen Weiher gezogen. Seine Frau ist verzweifelt und möchte ihn erlösen. Nach einem dornigen Aufstieg zu einer alten Frau erhält sie zuerst einen Kamm, dann eine goldene Flöte und das dritte Mal ein goldenes Spinnrad, mit denen sie sich bei Vollmond jeweils an den Weiher setzt und arbeitet, bis sie mit ihrem Mann entfliehen kann. Es braucht dann aber noch einmal viele Jahre, in denen die beiden Schafe hüten, bis sie einander erkennen und wieder zueinander finden.


Der Prototyp wird im Garten getestet


Elemente aus diesem und ähnlichen Märchen finden sich wieder in meiner Installation: Die Wolle für die «gedankenwaldgewächse» stammt von Schafen. Bevor ich sie spinnen konnte, musste sie gekämmt werden. Färben und Spinnen erlebe ich als meditative Tätigkeit. 


In der Reflexion erkennen wir, woraus wir selber, die Gesellschaft und Menschheit Kraft schöpfen können. Wer bin ich? Was ist mir wichtig? Worauf kann ich verzichten? Antworten zu finden, braucht Zeit. Die blumenhaften Objekte verdeutlichen das Wachsen noch einmal in sich.

Aufbau auf im Hungerbodenwald


gedanken spinnen

gedanken ordnen 

reflektieren 

wachsen

auf meinem weg – 

aushalten

was kommt






Der Land Art Pfad auf der Gerschnialp oberhalb von Engelberg ist bis am 30. Oktober frei zugänglich. Kuratiert wurde er von Claudia Häusler. www.kultur.spuur.ch/aktuell
Rahmenprogramm auf 
www.engelberg.ch/landart 

Ausser den Gedankenwaldgewächsen sind zu sehen 
(die Fotos sind von Claudia Häusler und entstanden teilweise während dem Aufbau):

«Wald-Wandler» von Gedeon Regli

«Moosknäuel» von Yvonne Christen Vàgner 


«Eindruck – Ausdruck» von Leander Locher 


«ON / OFF Power-Zeichen» von Claudia Vogel und Matthias Maeder 


«ECHO» von Myriam Kachour 


«Tor» von Richard Zürcher 


«Angeli di legnA» von Stefano Devoti 

«Tree Person» von Susana Malagon 


«Relation» von Daniel Züsli 

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