Freitag, 2. November 2018

Miniartextil Como (I)

HUMANS
Miniartextil 2018, Como

Text: Christine Läubli
Fotos: Arte&Arte, Como

  Lucia Marchi (RA): Los que me humanan

Das norditalienische Städtchen Como ist eine Reise wert, besonders natürlich im Herbst, wenn in der Chiesa San Francesco die Ausstellung Miniartextil zu sehen ist. Neben jurierten Mini-Textilkunstwerken werden immer auch grosse Installationen von eingeladenen Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt präsentiert. Jedes Jahr wird ein eigenes Thema gewählt, 2018 heisst es «HUMANS».Vor dem Besuch der Ausstellung setzt man sich am besten noch gemütlich in die Herbstsonne, schlürft genüsslich an seinem Aperol Spritz und beobachtet die vielen vorbei flanierenden Menschen. Der liebe Gott hat sie wahrlich in mannigfaltiger Weise gestaltet! Alle haben ihre eigenen Sorgen, Freuden, Geschichten – und doch verbindet sie das HUMAN, das allgemein Menschliche. Später mischt man sich selber unter das Volk und erreicht im Südosten der Altstadt die stillgelegte Abteikirche San Francesco.


Im Kirchenraum befindet man sich gleich wieder mitten in einer Menschenmenge, gestaltet von Pia Männikkö. Die finnische Künstlerin hat Tüllpaneelen mit realgrossen, menschlichen Silhouetten bemalt, zwischen denen sich die Ausstellungsbesucher frei bewegen können. So macht das zauberhafte Werk sichtbar, wie sich die Leute aufeinander beziehen und wie sie den Raum in Besitz nehmen.


   

In einer Nische begegnet man verblüffenden Schnappschussporträts von David Oliveira aus Portugal. Mit Metalldraht und Tüll erzeugt er einen so lebendigen Ausdruck, dass man sich immer wieder umsehen muss, ob die Masken tatsächlich nur aus Stoff bestehen.
Den Chorraum der Kirche bespielt die amerikanische Künstlerin Soo Sunny Park mit „Unwoven Light“, einer raumgreifenden Installation. Das Licht durchflutet die körperhaften Plexiglasgewebe und tanzt sichtbar in bunten Farben auf den Wänden.

miniartextil

Dieses Jahr sind die jurierten Mini-Objekte in der Mitte der Kirche angeordnet. 220 Künstlerinnen und Künstler hatten eine Bewerbung eingeschickt, 54 Werke aus 15 Ländern wurden ausgewählt.

      Ramona Conconi (CH): Una cartola di umanità


      Xia Gao (USA): Daily Life

Christine Läubli (CH): We are our own story


      Minnamarina Tammi (FIN): Touch on

Dosho Chiaki (J): Heart 1

Nancy Van Dijk (CH) hat ein Fetzchen Stoff bemalt und darauf mit blauem Faden kaum erkennbare menschliche Gestalten gestickt; die Köpfe bestehen aus Knöpfen, ebenso der Mond über der Szenerie – ein berührendes Zeugnis der menschlichen Verletzlichkeit und Verlorenheit:

 

Caroline Turner (F) gestaltete eine winzige „Schriftrolle“. Statt mit einer Schrift ist sie mit Gesichtern bedruckt:

Silvia Maria Conte Mac Donell (RA) schichtete Baumwollstöffchen aufeinander, überzog sie mit einem Liniennetz und setzte das Standortzeichen von Google-Map darauf: Hier bin ich!
Und genauso findet sich jeder Besucher im Hier der Ausstellung: als subjektiver Betrachter, aber auch als Objekt, das in irgendeiner Weise gespiegelt und zum Nachdenken gebracht wird.


 Die Ausstellung weilt vom 29. September bis zum 18. November 2018 in Como und reist weiter nach Montrouge (5. bis 24. Februar 2019 und Caudry (20. Juni bis 27. August 2019).
www.miniartextil.it
 Dieser Text ist ein Auszug aus einem Artikel, der Mitte Januar 2019 in der Zeitschrift «TextilForumTextile» erscheint (das Heft ist zu beziehen bei https://www.textilforum.ch/beschrieb-tft)

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