Freitag, 16. November 2018

Heidi Bucher Parasol unit foundation for contemporary art, London 19. September - 9. Dezember 2018



Text: Christine Läubli
Fotos: Benjamin Westoby. Courtesy of Parasol unit foundation for contemporary art. (Heidi Bucher, installation view at Parasol unit, London, 2018)






Die Schweizer Künstlerin Heidi Bucher war ihrer Zeit weit voraus. Vielleicht deshalb war das Werk nach ihrem Tod 1993 gut zehn Jahre lang kaum zu sehen. Dank einer Retrospektive im Migros Museum für Gegenwartskunst Zürich im Jahre 2004 ist es heute wieder präsent und wird weltweit neu wahrgenommen. Noch bis am 9. Dezember 2018 ist in der Parasol unit foundation for contemporary art in London eine Ausstellung mit Arbeiten der Schweizer Avantgarde-Künstlerin zu sehen.

Heidi Bucher wurde 1927 in Winterthur (CH) geboren und wuchs in einem gutbürgerlichen Haus auf. 1942-46 besuchte sie die Modefachklasse Zürich bei so illustren Lehrern wie Johannes Itten, Max Bill oder Elsie Giauque. Während eines Au-pair-Aufenthaltes in London entstanden erste Zeichnungen und Seidencollagen. 1960 heiratete sie den Künstler Carl Bucher. Mit ihm führte sie eine Künstlerehe, zwei Söhne wurden geboren. Im gesellschaftlich offenen Haus gingen viele wichtige Persönlichkeiten ein und aus. Wegen eines Stipendiums von Carl Bucher übersiedelte die ganze Familie 1969 nach Kanada. Aufenthalte in Kalifornien folgten. Zurück in der Schweiz trennte sich Heidi Bucher von ihrem Mann und bezog eine ehemalige Metzgerei in Zürich, die ihr als Wohn- und Arbeitsort diente.

In ihrem Werk widmete sie sich konsequent den Themen «Hüllen», «innen / aussen», «Körper und Architektur», «kollektive und individuelle Erinnerung». In den letzten Jahrzehnten ihres Lebens bündelte sie mit den «Häutungen» die diesbezüglichen Erfahrungen zu einer gültigen künstlerischen Lösung.
Wenn Heidi Bucher alte Räume “häutete”, war dies harte Arbeit. Sie bestrich Wände, Türen, Schränke oder Fenster mit flüssigem Latex und klebte zum Teil riesige Gewebe auf, die sie noch einmal mit der Flüssigkeit tränkte. Wenn der Stoff nahezu trocken war, löste sie ihn wie eine Haut ab. Das Ergebnis zeichnete feinste Strukturen des Untergrundes nach: Holzmaserungen, Farbreste, Parkett- und Fasermuster. Die Liegenschaften, die Heidi Bucher bearbeitete, waren meist privater Natur und besassen ihre Geschichte, zum Beispiel das Haus ihrer Grosseltern, das «Ahnenhaus», und das Herrenzimmer ihres Elternhauses (beide in Winterthur) oder die ehemalige Heilanstalt Bellevue in Kreuzlingen, Schweiz. Heidi Bucher formte nicht nur Architekturen, sondern auch Möbel, Kleider, Kissen und anderes ab – Dinge, die ebenfalls eine Geschichte erzählten. Schillerndes Permuttpigment, das sie dem Latex beigegeben hatte, machte die entstehenden Objekte zu besonderen Kostbarkeiten und poetischen Erinnerungen an das Vergangene. Die Objekte wirken fragil, sensibel, leicht, schwebend. Beim Betrachten denkt man oft an Schlangenhäute oder sich befreiende Schmetterlinge – ein Thema, das Heidi Bucher ebenfalls immer wieder aufgriff.

Die Londoner Ausstellung zeigt Arbeiten aus den letzten zwei Lebensjahrzehnten, ästhetisch überzeugende und berührende Werke mit oft sakraler Ausstrahlung. Drei Videos geben Einblick in Leben und Arbeit dieser aussergewöhnlichen Künstlerin.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, dessen Texte Heidi Buchers Werk in den Kontext ihrer Zeit stellen.

Quellen:

Katalog: Hg. Ziba Ardalen: Heidi Bucher, Parasol Unit 2018, ISBN 978-09-9351-956-7
http://parasol-unit.org/whats-on/heidi-bucher/

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