Freitag, 12. Februar 2016

Der Textile Raum


Bild Wordless Wednesday
Elsi Giauque Entwurf
Käthi Wenger Ausführung
“Theater Hommage à Dürrenmatt” 1967 / 68


Der Textile Raum
Museum Bellerive Zürich

Von Ursula Suter

Falls Sie die Möglichkeit haben diese vielfältige und dichte Ausstellung zu besuchen, sollten Sie den PC abstellen und sich auf den Weg machen! Optisch und inhaltlich bietet sie viel mehr als was ich mit diesem Blog erfassen kann.
Sie ist noch bis zum 21.02.2016 geöffnet.

Die Ausstellung ist in „Lektionen“ gegliedert. Aus dem Beiblatt zu Ausstellung zitiere ich jeweils die Einführung in die Lektionen. Am Blog-Ende finden sie eine Zusammenfassung des geschichtlichen Teils des Textes.
Mit den Bildern folge ich dieser Einteilung. Die Auswahl hat jedoch nichts mit der Wichtigkeit des Werkes zu tun sondern mit meinen Möglichkeiten als Fotografin. 

 Lektion 1
Nur der Volle Einsatz gilt!
Der textile Raum spannt den Bogen von illustrativen kunstgewerblichen Raumtextilien der 1910er und 1920er Jahre aus dem Unterricht an der Zürcher Kunstgewerbeschule (heute ZHdK) bis zum zeitgenössischen Design. Ausgewählte Beispiele aus der industriellen Produktion ergänzen die Schau, die in Lektionen unterteilt, den Protagonistinnen der Schweizer Textilkunst folgt.
Eine grosse Werkgruppe würdigt Elsi Giauque (1900 – 1989), die als Lehrerin von Ihren Schülerinnen stets absolute Hingabe an die Sache forderte gemäss dem Leitsatz: “Nur der volle Einsatz gilt.“ Viele der ehemaligen Schülerinnen gaben selber als Lehrerinnen das Feuer für die textile Sache an nachfolgende Generationen weiter. Zeitlebens setzte sich Giauque schliesslich massgebend für die Anerkennung der Textilkunst als Gattung der Bildenden Kunst ein.

Elsi Giauque transparente Säule 1964 -  1967

Detail transparente Säule

Elsi Giauque Noé 1952/53

Elsi Giauque Eléments textiles dans l'espace 1970/72

Aus einem anderen Winkel, verändert sich die Farbigkeit

Elemente überlagern sich

Lektion 2
Lerne dich auszudrücken.
An der Schnittstelle zwischen Textil und Architektur haben sich die Protagonistinnen der Ausstellung schon in den 1940er Jahren ihre Sporen abverdient. Textile Wandbilder und Raumelemente strukturieren massgeblich ganze Interieurs.

Moik Schiele Explosion 1980

Moik Schiele All 1980

Verena Voiret ohne Titel 1985

Irma Wyser Zierdecke 1930

Moik Schiele Links Teppich undatiert, Mitte Entwurf 1991/92, Rechts Luftteppich undatiert

Lektion 3
Schlage neue Wege ein.
Vor hundert Jahren legte Sophie Taeuber-Arp mit ihrer Anleitung Zeichnen für textile Berufe das Fundament eines systematisch forschenden, innovativen Unterrichts. In den 1940ern manifestierte sich der Wille zum Experiment bereits in der Bezeichnung der Fachklasse. Verblüffend breit ist die Vielfalt der Werkstoffe und Techniken, die zu experimentellen Prozessen und Ergebnissen führten: Der Grigg zu ungewöhnlichem Material förderte Naturstoffe und technische Halbfabrikate zu Tage, ermöglichte aber auch ästhetische Alltagsassemblagen.

Verena Brunner Das staaterhaltende Tuch 1975

Pierette Bloch Maille de crin 1983/84 Rosshaar geknüpft, gestrickt

Beatrix Sitter-Liver Zenith 1983 Papier aquarelliert, gerwebt
Katharina Della Chiesa Luftwesen 2015
Links Lissy Funk das goldenen Tor 1938 Rechts Anna Deborah Gerber Welcome to Europe 2015

Lektion 4
Verdichte, soweit es geht.
Die repetitive Anwendung gewisser Techniken führt zu dichten Netzen und soliden Knoten. Massige Taue, geknüpft in Makame, bestimmen die grossen Formate, während kleinteilige Spitzen, feinste Häkelarbeiten und durch Nähte verdichtete Textilien die Ausbeute unermüdlichen Durchhaltewillens verkörpern. Alle Positionen verdeutlichen auf eindrückliche Weise das vollkommene Eintauchen in die Materie-

Lieselotte Siegfried Beim alten Garten 1980/81

Francoise Grossen Fife White Elements 1971

Francoise Grossen Us 1969
Katharina Della Chiesa Verweht 3 2011

Alice Frey-Amsler Stoffcoupon 1934

Lieselotte Siegfried Spanien-Gegensätze 1968/69

Lektion 5
Orientiere dich an der Natur.
Fauna und Flora erweisen sich seit alters als ergiebige Inspirationsquellen der Gestaltung. Der Grad der Abstraktion lässt sich bei der Umsetzung in dekorative Textilien stark variieren: realistisch anmutende, figürliche oder auf Strukturen reduzierte Anwendungen, sei dies auf Tüll oder hauchzartem Batist, auf Kissenplatten oder wollenen Teppichen.

Lucie Welti-Turel Kissenplattte 1921
Sophie Taeuber-Arp Kissenplatte 1916

Cornelia Forster Entwurf Atelier R. Picaud Ausführung Symbole 1956


Walter Roshardt Textilbild Nadelmalerei 1919

Lissy Funk Kopfstudie 1956

Lissy Funk Bärtiger 1956

Lektion 6
Geh auf Tuchfühlung!
Das Weben als Technik hat das textile Schaffen von Anbeginn beflügelt. Nicht nur lässt es endlose Farbvariationen zu, auch die verschiedenen Bindungen bieten vielfältige gestalterische Möglichkeiten. Auf dem Raster gewebter Untergründe schliesslich fanden in Kreuzstichtechnik figürliche Motive den Weg in die Geometrie.

Elsi Giauque Blau-Rot. Rot-Blau 1925 Kreuzstichtechnik

Stoffentwürfe verschiedener Künstler aus der Sammlung der Zürcher Hochschule der Künste

Lektion 7
Ornamente sind gut!
Als gestalterische Methode zur Veredelung eines Grundmaterials bietet die Drucktechnik unendliche Möglichkeiten. Unter der Leitung des als Maler und Grafiker bekannt gewordenen Künstler-Lehrers Otto Morach (1887-1973) entstanden an der Zürcher Kunstgewerbeschule in den 1910er und 1920er Jahren meist zweifarbige Stoffe, die vom Nebeneinander von figürlichen Elementen und abstrakten Motiven leben.

Helen Dahm Tapete handbedruckt um 1919

Elsi Giauque Je tourne 1925

Nora Gross Entwürfe Dekorationsstoffe handbedruckt 1920


Franziska Born - Entwurf, Heimlifeiss - Produktion 2001 Abtröchnitüechli

Jakob Schläpfer Dekorationsstoff Pollok 2009 zweifarbige Pailetten, Beim Darüberstreifen ändert sich das Bild

Die Ausstellung hinterlässt einen tiefen Eindruck bei mir. Ich staune über das zeitlos Moderne vieler Objekte und über die vielen verschiedenen Möglichkeiten in der textilen Kunst.

Pressetext Textilforum  www.textile-forum-blog.org/de/
Der textile Raum, eine Ausstellung von 23.10.2015 bis 21.2.2016 im Museum Bellerive, Höschgasse 3, CH_8008 Zürich.
Die Bedeutung dieser Ausstellung ist nicht hoch genug einzuschätzen denn hier wird die wirkliche Geschichte der Textilkunst dokumentiert. Dies steht im krassen Gegensatz zu Ausstellungen der bildende Kunst wo textile Arbeiten von Malern gezeigt werden, ausgeführt vom Atelier „Flanderns Tapestries“, oder andere textile Anleihen von Künstlern die sich nicht mit Textil auseinandergesetzt haben. Hier folgt der Pressetext:
Die Textilkunst erlebt derzeit eine Renaissance. Die Ausstellung «Der textile Raum» im Museum Bellerive spannt den Bogen von kunstgewerblichen Raumtextilien der 1910er Jahre bis zum zeitgenössischen Design. Sie zeigt den Stellenwert der Schweizer Textilkunst im internationalen Kunstkontext und dokumentiert in einer dichten Schau die eindrücklichen Karrieren ihrer Protagonistinnen an virtuosen Objekten und zahlreichen Zeitdokumenten. Vor rund hundert Jahren lenkte Sophie Taeuber-Arp (1889–1943) die vormals floralen Tüllstickereien ihrer Schülerinnen auf geometrische Wege und legte damit die Basis für einen innovativen Umgang mit textilen Techniken. Die Taeuber-Arp- Schülerin Elsi Giauque (1900–1989) führte das visionäre Erbe ihrer Lehrerin fort und gleiste im Rahmen ihres Lehrauftrags für textile Experimente zwischen 1944 und 1966 zahlreiche Auftragsarbeiten im angewandten Bereich auf. An ihrem Wohnort in Ligerz am Bielersee betrieb sie zusammen mit der ehemaligen Studentin Käthi Wenger (*1922) ein Atelier für experimentelle Gewebe. Die dort entstandenen freien Arbeiten führten das Genre der Weberei in eine neue Dimension und sorgten an der Biennale Internationale de la Tapisserie in Lausanne – ab 1962 das Schaufenster der internationalen «Fiber Art»-Bewegung  für Furore. Im Museum Bellerive behaupten sich Giauques und Wengers textile Säulen aus längs laufenden Spannfäden als prägnante architektonische Elemente, während sich die aus farbigen Kacheln bestehende Installation «Élément spatial» – eine Ikone der Textilkunst – dank ihrer Durchlässigkeit in stets neuer Farbigkeit komponiert. Der Erfolg ihrer Schülerinnen unterstreicht Elsi Giauques Beitrag zum internationalen Renommee, das die Schweizer Textilkunst noch heute geniesst. Moik Schieles (1938–1993) Raumelement «Silberne Welle» schlängelt sich elegant durch die Vertikale, während ihre farbgewaltigen Tapisserien eine geradezu explosive Wirkung entfalten. Liselotte Siegfried (*1935) wiederum klöppelte in filigraner Weise auf grobmaschigem Hasenzaun. Andere Schülerinnen, wie Marlise Staehelin (1927– 1991), trugen ihr Wissen weiter und legten das Fundament für Karrieren wie jene der
Westschweizer Künstlerin Françoise Grossen (*1943), die schwere Fäden zu Stricken und Knoten verdichtet und mit einer neuen Sinnlichkeit verführt. Ausgehend von kunstgewerblichen Raumtextilien folgt die Ausstellung den Schlüsselwerken der Fiber Art und verfolgt in Druck- und Webstoffen ihre Ausleger hin zum Textildesign. So zeigt sie etwa Entwürfe für Meterware der in die Schweiz emigrierten Bauhaus-Meisterin Gunta Stölzl (1897–1983), die durch innovative Strukturen und Materialien wie Zellophan und Kunstseide bestechen. Die extravaganten Wohntextilien des Designerpaars Trix und Robert Haussmann wiederum schaffen illusionäre Materialverfremdungen. Claudia Caviezel schliesslich evoziert mit ihren Wandbehängen ein vielschichtiges tropisches Raumgefühl. Die Ausstellung «Der textile Raum» folgt gemeinsamen Strukturmerkmalen und mischt Unikate und Design. Bestände der Sammlungen des Museum für Gestaltung und des Archivs der ZHdK, ergänzt durch Leihgaben aus der Fondation Toms Pauli, den städtischen Sammlungen Bern, Biel und Zürich und dem Kunstmuseum Winterthur, sowie Leihgaben der Künstlerinnen und ihrer Familien verweben sich zu einem dichten, spannenden Netz.

2 Kommentare:

  1. Liebe Ursula,

    vielen Dank für den ausführlichen Bericht. Ich bedauere es sehr, dass ich diese Ausstellung nicht sehen kann, denn sie zeigt doch die unbegrenzten Möglichkeiten der textilen Künste. Vielen Dank für die vielen Fotos. Sie geben einen guten Einblick in die Ausstellung.

    herzliche Grüße Gabi

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  2. Liebe Ursula,
    ich kann mich Gabis Worten nur anschließen. Schade, dass ich nicht alles im Original sehen kann. Aber dank deines tollen Berichtes, bin ich ja fast dort gewesen. Herzlichen Dank dafür!!!! Liebe Grüße Anette

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