Freitag, 20. Februar 2015

Filzlust - Experimente mit der Nadelfilzmaschine

von Judith Mundwiler

Ich stelle Ihnen heute die Technik des Trockenfilzens vor. Ich bin immer wieder fasziniert von den vielen tollen Möglichkeiten, die mit etwas Experimentierfreude entdeckt werden können!

Schriftzug: Strickwolle auf Papier aufgenadelt

Vor allem, weil man mit diesen feinen Nadeln mit Widerhaken auch Stoffe so verändern kann, dass sie eine ganz neue Oberflächenstruktur erhalten. Oder es entsteht durch stetes Aufeinandenadeln von Materialien eine dichte Filzige Struktur.

Seit ein paar Jahren sind auf dem Markt so genannte Embellisher oder Punchingmaschinen (Nadelfilzmaschinen) erhältlich. Diese Maschine sieht aus wie eine Nähmaschine, hat aber keine Fadenführung. Sie besteht lediglich aus einem Motor mit Getriebe, einem Nadelkopf mit 5-11 Nadeln (je nach Marke) , einem transparenten Nadelschutz über den gesamten Nadelkopf, einem Handrad, einer Stichplatte mit je einem Loch pro Nadel, einem Fussel- Behälter und Fußpedal mit Stromanschluss.

In der herkömmlichen Filztechnik, wo mit Seife und Wasser gearbeitet wird, verhaken sich die Wollfasern mit ihrer Schuppenstruktur durch Reiben so ineinander, dass ein fester Grundstoff, der FILZ, entsteht.
Mit manchen Wollfasern, die sich gut filzen lassen, können auch dünne Seidenstoffe oder synthetische Gewebe eingefilzt werden. Diese Technik nennt man NUNO-FILZ.
Beim Trockenfilzen wird eine feine, kantige Nadel mit mehreren Widerhaken verwendet. Mit dieser Nadel können Wollfasern (Kardwolle) und Wollfäden auf einem weichen Untergrund (Styropor oder Schaumstoffkissen) mit schnellen Auf- und Ab-Bewegungen von Hand ineinander gezupft, also verfilzt werden.

Beim maschinellen Trockenfilzen (auch Punchen oder Embellishen genannt) lassen sich Fasern und Stoffe zusammen verbinden, die durch das Nassfilzen nicht oder nur schwer zusammenfilzen würden. Dies eröffnet unzählige Möglichkeiten für die Gestaltung von neuen Grundstoffen.
Auf weiche Materialien wie Filz, Wollstoff, Walkstoff, Lodenstoff, dünne Baumwolle, Seidenstoffe, Tüll, Chiffon, Gaze können Kardwolle, Stoffresten, Strickwolle, Garne, Bänder etc. aufgefilzt werden. Das Produkt ist ein neues Grundmaterial, welches zu Gegenständen oder Objekten weiterverarbeitet werden kann. Oder man gestaltet ein Bild, welches weiterverziert wird mit Stickereien oder Collagen.
Eine weitere faszinierende Möglichkeit ist das Verändern von transparenten Stoffen durch das Punchen (nadeln oder „nöödele“). Die Stoffe ziehen sich durch den Punchingvorgang zusammen und es entstehen wunderschöne geraffte Strukturen. Diese Stoffe lassen sich sehr gut zu Lichtobjekten, Fensterschmuck oder Körperschmuck verarbeiten.

Hintergrund: Filz/Putzlappen, dann ein Stück Seide mit einem missratenen Kopierdruck, farbige Chiffontücher, weisser Seidenchiffon

Hintergrund Filz, farbige Organza, Alufolie von Schokolade, Angelinafasern, Rand: Filz, Transferfolie, farbige Chiffontücher
Détail

Hintergrund: Grauer Wollfilz, Transferfolie. Buchstaben: Wollfilz, kleine Stücke von farbigen Chiffontüchern.

Détail

Hintergrund: Alter gestrickter Pullover. Kreise: Auf der Rückseite Wollfilzkreise aufgelegt und von der Rückseite her nach vorne genadelt.

Hintergrund: Schwarzer Wollfilz, Transferfolie, farbige Wollfilzstücke (orange) vorne aufgelegt und genadelt. Schwarze Kreise von der Rückseite her genadelt. Rosa Dreiecke von Hand gestickt und übernadelt, grüner Wollfaden aufgenadelt


Vorgehen beim Trockenfilzen


Sicherheit:

Anleitung des Herstellers genau lesen. Z.T. gibt es im Internet kleine Filmchen, wo die einzelnen Techniken gezeigt werden.
Kontrollieren, dass der Fingerschutz richtig montiert ist. Bei den meisten Modellen kann er höhenverstellt und so der Dicke des zu filzenden Materials angepasst werden.
Kleine Stoffstücke oder Wollschnipsel dürfen nie mit dem Finger unter den Schutz geschoben werden. Das Material nur vor und hinter der Schutzvorrichtung vorsichtig festhalten, ev. überschüssiges Material wenn zu groß, nach dem Filzen wegschneiden!
Kleine Stoffschnipsel, die man nicht festhalten kann, können auch mit einem Stück Chiffon überdeckt und so festgefilzt werden.

Material:

Das zu filzende Material darf nicht zu dick oder zu hart sein.
Dicke Möbelstoffe, Jeansstoffe, Industriefilz, Stoffe mit Metallfäden oder mit sehr starker Appretur sollten nicht verwendet werden, oder nur mit großer Vorsicht. Hier ist zu empfehlen, die dickeren Filznadeln in die Maschine zu montieren.
Geeignet als Grundmaterial sind Bastelfilze, Wollstoffe, Walkloden, weiche Putzlappen (erhältlich bei J.Mundwiler), KUNIN-Filz (Synthetischer Filz, der sich mit dem Heissluftfön schmelzen lässt) weiche, dickere Filze bis höchstens 4mm Dicke
Geeignet zum Auffilzen ist Bastelfilz, Kardwolle oder Märchenwolle, Garne, Strickwolle, Bänder, Chiffon, Vorhangstoffe, Gaze, Seidenstoffe, Pannesamt (Fasnachtsstoff), Japanpapier, Stoffresten in diversen Materialien, nicht zu dick.

Nadelbruch:

Nie zu dicke Schichten Filzen, lieber das Material nebeneinander legen
Am Ton des Einstechens der Nadeln hört man, ob das Material zu dick ist...
....oder ob die Nadeln stumpf sind.
Tipp: Pedal ganz nach unten treten= schnelle Nadelbewegung, und Material langsam unter der Maschine führen. Bei zögerlichem Filzen besteht die Gefahr, dass die Nadeln eher brechen.
Die Nadeln brechen, wenn sie stumpf sind oder wenn zu fest und zu ruckartig am Stoff gezogen wird. Ebenfalls heikel sind die Ränder der Arbeit.
Nie mit einer gebrochenen Nadel weiterarbeiten, da würden nur noch mehr Nadeln brechen!!
Beim Auswechseln der Nadel immer Maschine vom Strom nehmen und Bedienungsanleitung beachten.

Filzvorgang:

Filzgut unter die Nadeln legen.
Das Fusspedal betätigen (schnell) und ganz langsam Filzgut verschieben
Die Bewegungen auf und ab, hin und her, kreuz und quer betätigen. Kontrollieren, ob die Stücke richtig liegen, Sie könnten nun ev. nochmals entfernt und neu platziert werden.
Nun mit hoher Motor Geschwindigkeit und bedächtigen, nie ruckartigen Bewegungen das Material bewegen, bis der gewünschte Effekt entsteht.
Bei den Rändern darauf achten, dass immer alle Nadeln auf dem Stoff sind, sie brechen sonst gerne
Ist man fertig mit Filzen: Bei Maschinen mit Nadelstopp oben (Pfaff): geduldig warten,bis der Nadelkopf ganz ruhig ist. Manchmal macht die Maschine noch einen unverhofften letzten Stich. Bei den anderen Maschinen (Merrylock) zuerst den Nadelkopf am Handrad ganz nach oben drehen! Material entfernen.
Das Filzmaterial nie schnell drehen. Es sind 5-11 Nadeln, da kann man nicht wie bei der Nähmaschine mit einer Nadel in eine Ecke nähen und das Nähgut drehen, wenn die Nadel unten ist.....!!!!
Ab und zu den Fusselbehälter leeren.

Bedruckter Putzlappen

Farbige Chiffontücher werden aufgenadelt. Chiffon zieht sich sehr stark zusammen!

Mit Nähmaschine und Goldfaden Blumenmotive sticken.

Mit Blumen, welche auf wasserlöslicher Folie gestickt wurden, ergänzen. Genaue Anleitung dazu finden Sie in unserem Buch: "Siebdruck auf Stoff " von Judith Mundwiler und Gabi Mett.

Bedruckte Rebgaze vor und nach dem Nadeln. Die Fäden ziehen sich sehr zusammen, es entsteht eine völlig neue Oberflächenstruktur.

Bedruckte Pongéseide wird auf Wollfilz genadelt.

Hier sieht man gut, dass der Stoff, welcher aufgenadelt wird, "zerstört" wird.

Noch ein paar weitere Ideen zum Experimentieren: 

Oranges Japanpapier zwischen Rebgaze

Goldene Alufolie zwischen weissem Spinnvlies, Rebgaze und Seidenchiffon

Gesticktes Quadrat aus Afganistan-Stickprojekt auf orangem Wollfilz. Mit lila und rosa Strickwolle gestickt, überfilzt. Zick-Zacklinie: Auf der Rückseite hellblauer Filz in Zackenmuster aufgelegt und von hinten gefilzt. Violette Dreiecke vorne aufgefilzt und von hinten weitergefilzt (oben, deshalb gibt es den orangen Schimmer darüber)

Hintergrund: Schwarzer Wollfilz, Stück von einem alten T-Shirt, diverse Stoffresten aufgenadelt und bestickt von Hand

Détail

Hintergrund: Violetter Wollfilz mit bemaltem Vliesofix beklebt. Farbige Kardwolle aufgenadelt (nur wenig gefilzt). Bestickt mit Nähmaschine und von Hand.

Farbige Kardwolle-Kreise auf Vorhangorganza. Die Organza zieht sich zusammen beim nadeln.

Hintergrund: Synthetische Vorhang-Organza. Blumen: Quadrate in der Mitte auffilzen. Sie ziehen sich zusammen zu Blumen.
Hintergrund: Schwarzer Wollfilz. Farbige Organzastücke von vorne auffilzen. Dann von hinten Spiralen filzen. Spiel mit den Fasern vom Hintergrundstoff. Wenn Sie von hinten filzen, werden die schwarzen Fasern nach vorne gebracht und geben so wunderschöne Muster auf der Vorderseite.
Hintergrund: Weisser Wollfilz/Putzlappen. Weisser Futterstoff in Falten legen und jede Falte gut von vorne und von hinten nadeln. Schwarze Kringel: Lange Schafhaare

Wenn Sie Lust bekommen haben an dieser Technik und selbst experimentieren möchten: Sie können bei mir die Merrylock SP1000 bestellen.
Weitere Infos dazu auf meiner Webseite unter "Verkauf".


Viel Spass, seien Sie mutig und probieren Sie verschiedene Materialien aus! Es wird halt je nachdem einige Nadeln kosten......

1 Kommentar:

  1. Danke für das Feuerwerk an Inspirationen. Ich habe nach dem Lesen gleich den Spieltrieb umgesetzt und einen neuen "Stoff" kreiert, der jetzt zu einer Schachtel wird, in die ein textiles Leporello kommen soll.(Der nächste Post müsste sich also um Schrift auf Stoff handeln...) Ich kann jedem experimentierfreudigen Menschen eine solche Maschine nur empfehlen, ich bin total begeistert. Es gibt so viele Möglichkeiten......Lieben Dank für die vielen tollen Bilder. Herzliche Grüße Anette

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