Freitag, 22. Mai 2015

Sprachlos!?

von:

Gabi Mett

Mich hat in der vergangenen Woche eine Veröffentlichung bewegt, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Es handelt sich um einen Artikel aus dem Jahr 2014. Die Deutsche Bank, bekannt für ihre Unterstützung der Gegenwartskunst durch Ankäufe, Präsentationen und Veröffentlichungen etc. bringt 6x im Jahr die Zeitschrift ArtMag heraus. In der Novemberausgabe 2014 befasst sich die Zeitschrift schwerpunktmäßig mit der Frau in der Kunst. Es wird die chinesische Künstlerin Cao Fei vorgestellt, die als die wichtigste Gegenwartskünstlerin aus China gehandelt wird. Ein interessanter Beitrag berichtet über Fotografinnen aus dem Nahen Osten.


Und dann wird in einem weiteren Artikel die Frage gestellt:

Stehen Frauen in der Kunstwelt in der zweiten Reihe?

Frauen malen nicht nur schlechter als Männer, sie bestehen auch die „Marktprüfung“ nicht. Das jedenfalls behauptet Georg Baselitz. Die Marktprüfung, das ist für ihn die „Wertprüfung“.
Doch spricht der Markt wirklich das letzte Wort? Woran misst sich der Erfolg von Künstlerinnen? Und warum werden Arbeiten von Frauen noch immer wenig verkauft und gesammelt?


Diese Frage wurde Galeristinnen, Kuratorinnen und Museumsdirektorinnen gestellt.

Mathilde ter Heijne, Künstlerin aus Berlin

Haben Künstlerinnen überhaupt Interesse an diesem patriarchal- kapitalistisch geprägten Kunstmarkt? Ich glaube, sie wissen, dass der Marktwert heutzutage kein geeigneter Gradmesser für gute und wirkungsvolle Kunst sein kann. Sie organisieren sich selbst und entwickeln ihre eigene Kunstwelt, experimentieren mit anderen spannenden Kunstformen und -begriffen. Da hinkt der Markt hinter der Entwicklung leider hinterher. Die meisten Sammler scheinen nicht gut informiert zu sein oder haben vielleicht kein wirkliches Interesse daran, was Kunst heutzutage sein kann.

Amanda Sharp, Gründerin der Messe Frieze art fair in London

Es verzerrt nicht nur das Bild, wenn Erfolg allein durch die Höchstpreise gemessen wird, sondern verweist Frauen auch immer auf den zweiten Platz, obwohl sie substantielle Werke haben, die sich gut verkaufen und auch in Museumsschauen vertreten sind. Korrigiert wird dieses Bild durch die Neubewertung von Künstlerinnen, die gerade im Gange sind: So zeigen auf der Frieze Masters vor allem Institutionen großes Interesse an der Spotlight-Sektion (auf der Messe) , in der wenig bekannte Positionen des 20.Jahrhunderts präsentiert wurden. Dazu zählen auch zahlreiche Frauen - Rosemarie Castoro und Mary Corse, zwei bedeutende Vertreterinnen des amerikanischen Minimalismus, waren da in diesem Jahr gute Beispiele.

Ranjana Steinruecke, Galeristin aus Mumbai

Warum beschränkt man diese Frage auf die Kunst? In fast allen Berufen spielen Männer die Hauptrolle. Sehr häufig beschäftigen sich Künstlerinnen in ihrer Arbeit mit ihrer mittelbaren Umgebung, und daraus resultierenden Themen haben vielleicht nicht den Wow-Faktor, der in der Kunstwelt so gefragt ist. Frauen spielen häufig das subversive Potential ihrer Kunst herunter. Das war nicht geplant, aber es sagt wahrscheinlich etwas über uns aus. Der Markt spielt eine bedeutende Rolle, aber in der Kunst gibt es auch andere, stillere Einflüsse und Kräfte, die viele Sammler anziehen.

(ArtMag, 06, November 2014, S.16 – 22)

Dies sind drei Meinungen zum Thema. 


Welche Sprache müssen wir sprechen, welche Codeworte gehören zu einer Künstlerinnensprache, wie und mit welcher auch männlichen Sprache müssen wir uns verkaufen, wenn wir auf dem Kunstmarkt Fuß fassen wollen? Wie sind die Spielregeln und wo lernt man sie? An den Kunsthochschulen? Fehlt es uns an herausragenden Theorien, Erkenntnissen, an innovativen Projekten und interdisziplinären Zusammenarbeiten? Haben wir das Netzwerken nicht genug geübt, sind unsere Themen nicht aufregend genug, nicht kritisch genug. Arbeiten wir zu klein, zu fein, zu ordentlich? Sind wir nicht provokant genug? Oder wollen wir das alles gar nicht überdenken, weil es uns zu schwierig erscheint, diese Sprache zu lernen oder weil wir meinen, dass diese Geheimschrift nur Eingeweihten zugänglich ist? Oder möchten wir uns dieser zusätzlichen Auseinandersetzung nicht stellen, weil es bedeuten kann, dass wir Energie verschwenden, die unseren Arbeiten besser zustehen würde? Wenn wir in den Kunstbetrieb wollen, warum stellen wir uns dann nicht den Regeln, machen uns nicht vertraut mit den Gepflogenheiten? Haben wir Angst davor, dass wir nicht bestehen können? Fehlt uns das Selbstbewusstsein? Was liegt da eigentlich im Argen? Sind wir Frauen doch noch nicht so emanzipiert, wie wir immer schon dachten, dass wir es wären? Oder sind wir es schon nicht mehr?

Ein weiteres Zitat möchte ich hinzufügen. Es stammt aus der Kunstzeitung, Mai 2015, Nr.225. Der Artikel wurde von Johanna Di Blasi verfasst. Er beschäftigt sich mit dem Begriff der Muse, erklärt aber ganz nebenbei Wesentliche zur Sprache in der Kunst.

 „ Nach Musen würde ich niemals fragen“, sagt Thomas Becker, Professor für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig (HBK).“ Wer veraltete Begriffe verwendet, wird im Kunstfeld nicht aufgenommen.“ Der Kunsttheoretiker würde Künstler auch nicht nach Inspiration oder Eingebung fragen, das hätten schon Max Ernst und die Surrealisten abgelehnt. „Fragen nach Strategie, Material und Abgrenzung gegenüber anderen Künstlern sind hingegen in Ordnung.“ Eine wiederholte Aussage des Kulturwissenschaftlers lauet: “ Das ist ein gefährlicher Begriff, da muss man aufpassen.“ ... Inspiration, Intuition, Schöpfung und selbst Subjektivität werden als belastete Vokabeln angesehen, als theologisch gefärbt (Schöpfung, Eingebung höherer Wesen, Küsse der Musen), als elitär (die Kunst) oder aus männlich einseitiger Perspektive geprägt (Das schöpferische Subjekt)... Hemmt es nicht jegliche Kreativität, sich als Künstler in einem nachgerade neurotischen Feld von Denk- und Redeverboten, Fallstricken und Diskurstretminen bewegen zu müssen? „ Auch der Kreativitäts-Begriff gilt als problematisch“, erklärt Thomas Becker. Die Surrealisten hätten zwar noch mit dem psychologischen Konzept operiert, das anstelle von Eingebungen Impulse aus dem Unbewussten annehme. Heute allerdings lasse Kreativität immer häufiger an Marktkonformität und Kreativitätsimperative denken - „Sei kreativ!“ als gefordertes Soft Skill in Wirtschaftsunternehmen. „Davon grenzen sich Künstler ab“, sagt der Braunschweiger Ästhetikprofessor. Aber wie erklärt man dann künstlerisches Schaffen? In avancierten Diskursen sei die Kreativitätstheorie von Netzwerktheorien abgelöst worden. Das wiederum verwundert im Digitalen Zeitalter kaum. Gemäß der Netzwerktheorie sind Künstler Akteure innerhalb eines komplexen Feldes. Sie müssen dieses Feld in seiner Gesamtheit als Struktur verinnerlichen, um strategisch-innovative Handlungen setzen zu können.... Tatsächlich fühlen sich viele Künstler - oder sollte man sagen Netzwerkknoten? - heutzutage geschmeichelt, wenn man ihnen strategisches Handeln unterstellt. Kreativitätstheorien mit erkennbar humanistischem oder spirituellem Hintergrund sind tabu.

 
Und nun? Wie gehen wir nun weiter vor? Ich bin gespannt auf Ihre Ideen!

3 Kommentare:


  1. Sehr gut! Dieser Dialog muß unbedingt geführt werden, ich glaube einfach, dass
    Künstlerinnen eindeutiger einfordern müssen und ihre kritische Distanz
    zum Kunstmarkt auch eine Stärke ist. Dazu zwei interessante Links

    http://www.ifse.de/artikel-und-studien/einzelansicht/article/das-andere-in-der-kunst-frauen-sind-in-galerien-unterrepraesentiert.html

    Das IFSE wurde im Jahr 2003 in einem Verbund aus Unternehmern, Forschern
    und Experten an der Universität Witten/Herdecke gegründet, zog dann
    Ende 2007 nach Berlin um.


    http://www.monopol-magazin.de/was-der-markt-will

    Anne Ulrich

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  2. Hallo Anne,

    vielen Dank für die Links. Werde sie mir in Kürze genauer anschauen.
    Ich bin gespannt!

    herzliche Grüße Gabi

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  3. Liebe Gabi,
    ein interessantes und spannendes Thema, das du da angesprochen hast. Da ich mich nicht als Künstlerin sehe, ist es etwas schwierig, dazu etwas zu sagen bzw zu schreiben. Für mich wäre aber das männliche Gehabe auf keinen Fall erstrebenswert, egal in welcher Situation. Aber ich muss auch nicht von dem leben, was ich "herstelle" und habe vielleicht deshalb nicht die richtige Sichtweise auf diese Dinge. Aber alles Verhalten den "Marktstrategien" zu unterwerfen, finde ich persönlich einfach falsch, nicht nur in der Kunst. Da müssen wir nach anderen Wegen suchen, finde ich. So wie ihr das mit TAF macht, finde ich es sehr gut. Aber ob euch das hilft, ob es für euch reicht? Ich bin gespannt, was ihr noch für Ideen entwickelt und wie es weitergeht. Gutes Gelingen dabei!!!!
    Herzliche Grüße
    Anette

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