Dank des Tipps einer guten Bekannten hatte ich letzte Woche die Gelegenheit eine tolle Ausstellung zu besuchen, die ich hier gerne weiterempfehlen möchte. Die Galerie Hauser & Wirth in Zürich, zeigt noch bis zum 26. Juli 2014 eine grosse Einzelpräsentation von Werken von Louise Bourgeois. Es werden über dreissig, zum Teil noch nie ausgestellte Exponate aus den Jahren 1996 bis 2008 präsentiert, die einen ganz neuen Einblick geben auf ihr Tapisserie-Oeuvre aus ihrer späten Schaffenszeit
Die Presseinformation der Galerie beschreibt die Werke so treffend, dass ich mir erlaube ausführlich daraus zu zitieren:
"Materialien und Techniken der Tapisserie wurzeln tief in Bourgeois' Kindheit. Ihre Mutter und deren Eltern stammten aus der für ihre Tapisserie-Manufakturen berühmten französischen Gemeinde Aubusson. Bourgeois' Eltern besassen in Paris eine Galerie, in der ihr Vater historische Tapisserien verkaufte, während die Mutter zunächst in Choisy-le-Roi und später in Antony die Tapisserien in ihrer Werkstatt restaurierte. Es sind die persönlichen Erinnerungen an die Arbeit im mütterlichen Atelier, welche dazu führten, dass die Tapisserie ein so wichtiger Bestandteil ihrer Arbeiten wurde. Nirgendwo sonst setzt sich die Künstlerin mit der Mutterbeziehung so intensiv auseinander wie in den Spinnen- und Tapisseriewerken.
Ohne Titel, 2001
Tapisserie, Stoff und Edelstahl
200.7 x 45.7 x 35.6 cm
Sammlung The Easton Foundation
Photo: Christopher Burke
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Für Bourgeois war der künstlerische Prozess ein Mittel zur Bewältigung persönlicher Traumata. Emotionen drücken sich in den gewählten Materialien unmittelbar aus. Im Versuch, die Wurzeln ihrer Gefühle freizulegen, entwirrte sie mit ihrem Werk das Unbewusste. Gegen Ende ihres Lebens rückte die Beziehung zur Mutter ins Zentrum ihres Schaffens und verdrängte die einstige Beschäftigung mit dem Vater. Die ständigen Schnitte und destruktiven Impulse früherer Werke wichen nun Themen der Wiederherstellung und des Aufbaus, weshalb Bourgeois just auf jene Techniken zurückgriff, die ihr aus der Kindheit vertraut waren (Nähen, Weben und Sticken), um ihre Gefühle gegenüber der Mutter zu verarbeiten.
Das Thema von Bourgeois' Tapisserien ist die Wiedergutmachung – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Stofffetzen werden wieder zusammengenäht oder zu neuen Formen gefügt. In den Galerieräumen stehen vier Tapisserie-Totems, die an Bourgeois' frühere Personages erinnern, jedoch aus Bausteinen bestehen, auf denen üppige Blumenkränze, Fleurs-de-Lis oder die Antlitze eines Paars zu sehen sind: Durch Anverwandlung alter, symbolreicher Tapisserien lotet die Künstlerin das erzählerische Potenzial des Mediums aus.
Ohne Titel, 2000 Tapisserie und Stahl, 180.3 x 28.6 x 22.2 cm Privatsammlung, courtesy Hauser & Wirth Photo: Christopher Burke |
Zwischen 2001 und 2003 schafft Bourgeois aus den Tapisserien eine Serie von Köpfen.
Ohne Titel, 2002 Tapisserie und Aluminium 45.7 x 30.5 x 30.5 cm Sammlung The Easton Foundation Photo: Christopher Burke |
Gekoppelt an das Medium der Tapisserien erforscht Bourgeois die komplexe Mutter-Kind-Beziehung mittels dem wiederkehrenden Spinnenmotiv, in welchem die Mutter sowohl als Beschützerin wie als Rivalin erscheint. Bourgeois selbst stellte den Bezug zwischen der Spinne und ihrer Mutter her, als sie über 'Ode à ma mère' eine Sammlung von Kaltnadelradierungen, sagte: «Die Spinne – warum die Spinne? Weil meine beste Freundin meine Mutter war. Sie war genauso besonnen, klug, geduldig, besänftigend, vernünftig, zartfühlend, feinsinnig, unentbehrlich, gepflegt und nützlich wie eine Spinne … Niemals werde ich müde, sie darzustellen.» Louise Bourgeois, Ausstellungskatalog, Tate Modern, London 2000
In 'L'araignée et les tapisseries' sind vier Spinnenskulpturen zu sehen. Die grösste, 'Spider' (1997), umspannt mehr als fünf Meter. In ihr umklammern die langen, spindeldürren Beine eine Stahlzelle, die die Spinne gleichermassen beschützt und erstickt. Zellen werden bei Bourgeois oft als häusliche Umgebungen gestaltet, und sie drücken unterschiedlichste Formen von psychischem und intellektuellem Schmerz aus. In der ausgestellten Zelle steht ein einzelner Stuhl, der Assoziationen an einen Beichtstuhl weckt.
Spider, 1997 Stahl, Tapisserie, Holz, Glas, Stoff, Gummi, Silber, Gold und Knochen 449.6 x 665.5 x 518.2 cm Sammlung The Easton Foundation Photo: Frédéric Delpech |
Diese späten Werke weisen zahlreiche religiöse Bezüge auf. In 'Spider' (2003) ist der anthropomorphe, in Tapisserie gearbeitete Spinnenkörper tief gebeugt, was an einen Märtyrer in einer Bibelillustration erinnert. Die Beine aus rostfreiem Stahl sind an den Knien zusammengeschweisst, wodurch sie fragilen Stelzen gleichen, die das Bild von Nadeln heraufbeschwören – jener Werkzeuge also, mit denen das Tapisseriehandwerk betrieben wird.
Spider, 2003 Edelstahl und Tapisserie 59.7 x 71.1 x 63.5 cm Collection The Easton Foundation Photo: Christopher Burke |
Jedes einzelne Exponat dieser Ausstellung ist zutiefst persönlich. Indem Bourgeois Bilder aus vorgefundenen Tapisserien wiederherstellt oder neu konfiguriert, entsteht ein Gefühl von Beziehungen, die zerlegt und neu aufgebaut werden. In diesen späten Werken integriert Bourgeois solche emotional aufgeladenen Stoffe in ihr Schaffen und sorgt so für eine Dauerhaftigkeit, die über ihr eigenes Leben hinausweist."
Lady in Waiting, 2003 Tapisserie, Faden, Edelstahl, Stahl, Holz und Glas 208.3 x 110.5 x 147.3 cm Sammlung The Easton Foundation Photo: Christopher Burke |
Werke von Louise Bourgeois üben auf mich eine ganze eigene Faszination aus; wecken aber auch zwiespältige Gefühle. Oft haben sie für mich etwas "Gruseliges" an sich, das mich unangenehm berührt.
Ganz anders bei vielen Exponaten dieser Ausstellung, die eine ganz besondere Ästhetik aufweisen, einen Charakter, den ich auf dem Hintergrund der auto-biographischen Prägung ihres Oeuvres, schon fast als "versöhnlich" zu bezeichnen versucht bin.
Auf jeden Fall eine weitere interessante Facette dieser spannenden Künstlerin!
Die Ausstellung beinhaltet einige bedeutende Leihgaben aus privaten Sammlungen, deshalb durfte nicht Fotografiert werden. Die Galerie hat mir aber freundlicherweise die offiziellen Pressefotos und -informationen zur Verfügung gestellt, so dass ich diesen Beitrag trotzdem bebildern konnte. Es sei ihnen hier nochmals herzlich dafür gedankt.
Alle Photos: © The Easton Foundation/Licensed by ProLitteris
Liebe Cécile,
AntwortenLöschendas ist ein toller Bericht von dieser Künstlerin. Ich muss noch mal recherchieren. Es gibt, so viel ich weiß, einen Katalog oder ein Buch, wo es nur um ihre textilen Arbeiten geht. Weißt du da näheres?
liebe Grüße Gabi
Liebe Gabi
AntwortenLöschenDu hast recht: 2010 ist das Buch "Louise Bourgeois The Fabric Works" im Skira Verlag erschienen, anlässlich der gleichnamigen Ausstellung in der Fondazione Emilio e Annabianca Vedova in Venedig. Die Ausstellung wurde danach bei Hauser&Wirth in London gezeigt. Nebst den bekannteren 3-dimensionalen Körper und Figuren, den Installationen mit Spinnen, findet man eine ganze Reihe von kleineren textilen Arbeiten (die z.T. durchaus an Patchwork oder Quiltarbeiten erinnern), die im Vergleich sehr leicht, schon fast beschwingt oder manchmal poetisch anmuten - auf jeden Fall auch nochmals eine unbekanntere Facette dieser so vielfältigen Künstlerin. Das Buch zählt über 300 Seiten und ist nicht ganz günstig, aber eine Investition, die sich lohnt. Du darft gerne einen Blick reinwerfen, wenn du das nächste Mal bei mir im Atelier bist ;-)
Liebe Grüsse
Cécile
Liebe Cécile,
AntwortenLöschenich werde drauf zurückkommen.
herzliche Grüße Gabi
Welch eine interessante Künstlerin. Danke für diesen Beitrag. Am Wochenende habe ich an einem Workshop teilgenommen und dort hatte die Kursleiterin einen kleinen Katalog einer Ausstellung von Louise Borgeois mit. Gibt es Zufälle???? Herzliche Grüße Anette
AntwortenLöschenErst jetzt kam ich dazu, den Beitrag über die Ausstellung von Louise Bourgeois zu lesen, deshalb dieser "verspätete" Kommentar ...
AntwortenLöschenIn der Zeitschrift Elle Decoration extra 1/2005 zum Thema Stoff-Träume gibt es einen zweiseitigen Artikel über Louise Bourgeois und zwar passend zum Hefttitel einen Bericht über ihr Stoffbuch. Das hat mich so begeistert, dass ich den Artikel aufgehoben und mich mit Louise beschäftigt habe, die ich bis dahin nicht kannte. Ich zitiere mal kurz aus dem Artikel:
"Aus Stoffen, die sie ihr Leben lang begleitet haben, hat Louise Bourgeois einen 36-seitigen Band "Ode à l'Oubli" gemacht. ... Die Lithografin Judith Solodkin, die seit dreißig Jahren mit der Künstlerin arbeitet, setzte das textile Original in eine Printedition um.....Sie waren kürzlich in der New Yorker Galerie Peter Blum ausgestellt. Dort ist die limitierte Auflage von 25 Exemplaren auch erhältlich-für je 80 000 Dollar."
Leider habe ich das damals nicht gesehen und kenne leider auch niemanden, der sich ein Exemplar gekauft hat ...
Mit vielen Grüßen, Christine