Das Ziel von TAFch, die Textilkunst in der Schweiz bekannter zu machen, war für mich der Anlass, einmal nicht nach vorne zu schauen, sondern auch herausragende Textilkünstlerinnen der Schweiz in der Vergangenheit aufzuspüren. Ich hatte vor langer Zeit in der Zeitschrift Textilforum das Bild einer Stickerei gesehen, die mich sehr beeindruckt hat. Sie ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Diese Stickerei sei von einer der bedeutendsten Stickerinnen der Schweiz angefertigt worden, so der Kommentar. Leider habe ich den Namen zu dem Zeitpunkt nicht behalten und so blieb mir das Bild im Kopf, mehr aber nicht. Was hatte mich an der Arbeit so beeindruckt? Zum einen die moderne Komposition und Anmutung, der reduzierte Einsatz der Farben, die dritte Dimension in der Stickerei und die gekonnte Flächenfüllung mit nur wenigen unterschiedlichen Stickstichen. Sie können sich wahrscheinlich schon denken, dass das Bild vom Mittwoch diese Arbeit zeigt.
Aber wer steckt nun dahinter? Der Zufall spielte
mir einen Katalog in die Hände, in dem ich das Werk wiedersah. „Lissy Funk - a
retrospective“ , so der Titel. Diese Retrospektive wurde 1988 vom Art Institute
of Chicago organisiert und dort auch gezeigt. Sie wanderte weiter in das
Deutsche Textilmuseum in Krefeld und anschließend in das Helmhaus in Zürich. Es
war die erste umfassende Ausstellung dieser beeindruckenden
Künstlerinnenpersönlichkeit. Wer war Lissy Funk? Die Künstlerin wurde 1909 als
Lissy Duessel in Berlin geboren. Mit der Familie zog sie von Köln über München
nach Dresden. Dort begann sie 1921 eine Tanzausbildung, fand aber bald heraus,
dass das nicht ihr weiterer beruflicher Weg sein könnte, brach die Ausbildung
ab und folgte der Familie im Jahr 1925 nach Mendriosotto ins Kanton Ticino.
Dort fiel die Entscheidung, sich in Zukunft der Stickerei zu widmen. Sie
beschreibt es im „ Artist`s Statement“ wie folgt: „Drawing and painting were
too fast for me - I needed something that would grow from within, that I could
create slowly, at my own pace. So I took needle and thread and embroidered two
blue-and-white panels. The needle moved with sometimes seemed endless. I was
gripped with the excitement by the posibilities needlework offers for artstic
selfexpression. The technique presented me with a rich and limited world. I
knew, it was for me. I became an embroiderer and worked day and night.“( Lissy
Funk, A Retrospective, S.10)( Zeichnen und Malen waren zu schnell für mich. Ich
brauchte etwas, das aus dem Inneren heraus wuchs, das sich entwickeln konnte in
meinem eigenen Tempo. So nahm ich Nadel und Faden und stickte zwei blau-weiße
Wandbehänge. Die Nadel schien sich in einer endlosen Bewegung zu befinden. Ich
war gefangen von den Möglichkeiten, die die Handarbeit für die künstlerische
Ausdrucksweise bot. Diese Technik beschenkt mich mit einer reichen,
überschaubaren Welt. Ich wusste, das war mein Weg. Ich wurde Stickerin und
stickte Tag und Nacht.) Eine Künstlerin, der die Malerei und das Zeichen zu
schnell geht! Wie gut kann ich das verstehen. Ja, es ist auch bei mir die
Langsamkeit, die ich an der Handarbeit so schätze, die Gedanken, die einfließen
können, die Entwicklung von Ideen, das Hineinhorchen in das Material, in das
Thema, in die eigene Bildwelt. 1937 sieht Lissy Funk zum ersten Mal große
Tapisserien aus dem Mittelalter. Sie ist sehr beeindruckt. Diese und andere
Werke aus der Zeit werden zu ihren Vorbildern. Sie studiert sie sehr intensiv
und nimmt viele Ideen und Gestaltungselemente in ihre Arbeiten auf.
Ausschnitte aus Stickereien aus den Jahren 1937 und 1947 zeigen sehr
deutlich diesen Einfluß. Sie selbst führt weiter aus, dass nach der Entdeckung
dieser alten Werke das Interesse für die textile Kunst der folgenden
Jahrhunderte geweckt war. Zwangsläufig führte es sie bis in die Gegenwart. Diese neuen Arbeiten haben sie ebenfalls
stark bewegt. Sie setzt sich mit Werken von Jean Lurcat, Le Corbusier und auch
Magdalena Abakanowicz auseinander. Bei aller Begeisterung setzt sie aber ihren
eigenen, ganz persönlichen Weg fort. Und der wird schwierig. Nachdem sie sich
in den Jahren zuvor mit der Darstellung von der Natur, aber auch dem Menschen
auseinandergesetzt hat, merkt sie, dass ihr diese Themen abhanden kommen. Sie
glaubt, dass sie am Ende ihrer Arbeit angekommen ist. Nur sehr langsam findet
sie einen Weg aus dieser Situation. „ I started looking into myself. I found
stimuli - things I lived through und heard about - and I tried to bring them
into being. I put them into my needle, and that is how I found myself... Slowly
my very own world came into existence.“ ( Lissy Funk, A Retrospective,
S.11)(Ich begann, in mich hineinzusehen. Ich fand Ansatzpunkte - Dinge, die ich
erlebt oder über die ich gehört hatte und ich versuchte, sie zum Leben zu
erwecken. Ich übergab sie meiner Nadel und das war der Weg, mich selbst zu
finden...Langsam entstand meine ganz eigenen Welt.) Kann man es besser
beschreiben? Ich denke, hier wird eine künstlerische Entwicklung auf den Punkt
gebracht. Es ist eine von vielen künstlerischen Entwicklungsmöglichkeiten, aber
mir spricht sie wirklich aus der Seele. Im weiteren führt sie noch aus, dass
der kreative Prozess langwierig sei, das er auch einmal erfolglos sein kann und
man immer und immer wieder beginnen muss. „Often, when I think that everything
is totally lost, the wll hanging begins to walk, showing me the way. I follow,
walking next to the tapestry with a needle in my hand. The feeling is
wonderful. It is true happiness. We live together, and everything is fine.“(
Lissy Funk, A Retrospective, S.12). (Manchmal, wenn ich denke, dass ich alles
verloren habe, zeigt der Wandbehang den Weg. Ich folge ihm mit Nadel und Faden
in der Hand. Es ist ein wunderbares Gefühl und wahres Glück. Wir leben zusammen
und alles ist gut)
Lissy Funk schuf so über hundert Bildteppiche. Sie erhielt zahlreiche
Auszeichnungen und war unter anderem dreimal in der Biennale in Lausanne zu
sehen. 1938 erhielt sie den Auftrag, einen Wandbehang für den Kantonsratssaal
im Rathaus in Zürich zu gestalten. Er hat die Größe von 5 x 7m und wurde in
sechs Jahren fertiggestellt.Weitere öffentliche Aufträge folgten. Von 1948 bis
1976 unterrichtet sie in der hauswirtschaftlichen Fortbildungschule in Zürich.
Wir sehen hier eine Künstlerin, die in vielen Bereichen gewirkt hat. Eine
wirklich starke Persönlichkeit.
Beieinander, 1987,
28 x 25,4 cm,private collection
Das Haus winkt von
fern, 1987, 20,3 x 19 cm, private collection
liebe gabi
AntwortenLöschenbeeindruckend, diese frau!! und es klingt in mir ähnliches an, von wegen der nadel, die sich ihren weg durch den stoff sucht. im moment sticke ich alles von hand! kann fast nicht die nähmaschine hervornehmen um meine ideen von strukturen und linien umzusetzen, obwohl es viel schneller gehen würde...und es wäre manchmal naheliegender, da die zeit um an meinen ausstellungsstücken zu arbeiten im moment eher rar ist. (zwischen all dem organisatorischen für "teximus1") aber es geht stetig voran......und es ist fast meditaitv, in der ruhe von hand zu sticken, ohne radio und nähmaschinen-motoren-geräusche....
herzliche grüsse in den norden!
judith
Liebe Judith,
AntwortenLöschenschön, dass du die Erfahrung auch im Moment machst. So geht es doch langsam aber stetig weiter, der Druck für die geplanten Ausstellungen wird nicht ganz so groß und es ist interessant, was bei dieser Vorgehensweise entsteht.
liebe Grüße Gabi
Danke für die Vorstellung dieser beeindruckenden Künstlerin, die ich bisher nicht kannte. Auch ich kann sehr gut ihre Äußerungen nachvollziehen, bin auch manchmal sehr langsam und folge dem Weg der Nadel. Aber das ist ja auch das Schöne, wie ich finde. Wie gut, dass wir wählen können, ob es schnell oder doch gemächlich geht, jedenfalls in den meisten Fällen....Herzliche Grüße Anette
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