In diesem Beitrag möchte ich mich auf die verschiedenen Blickwinkel der Juroren und des Publikums bei einer Jurierung konzentrieren. Nach meinem „Quilt Judging Course“ wurde ich einige Male angefragt, am Festival of Quilts in Birmingham zu jurieren. Man bekommt eine bestimmte Kategorie zugewiesen, die man in Rekordzeit zu beurteilen hat. Die kleineren Kategorien wie die der Kinder und Jugendlichen werden als Ganzes beurteilt, die grossen Kategorien wie „Contemporary“, „Traditional“ und „Art Quilts“ werden in Blöcke unterteilt. Somit bekommen die Jurierenden nur einen Teil der Werke in ihrer Kategorie zu sehen. Die einzelnen Blöcke werden von drei Jurorinnen beurteilt, die sich unter einander nicht absprechen dürfen. Jeder Jurorengruppe wird eine freiwillige Helferin zugeteilt, welche die Beurteilungsblätter einsammelt, ans Büro weitergibt und eine Liste der „Artist’s Statements“ und weiterer Details über die Quilts dabei hat. Nach der Auswertung der Beurteilungsblätter werden die höchstbewerteten Werke von der Gesamtjury der jeweiligen Kategorie gemeinsam angeschaut und diskutiert. Gemeinsam legen sie die ersten drei Plätze und ein „Highly Commended“ fest. Da wird manchmal recht kontrovers diskutiert und oft muss man auch Kompromisse eingehen.
Nach jedem Festival gibt es böse Briefe von enttäuschten Quilterinnen, die nicht verstehen, dass ihr Werk, in dem soviel Herzblut steckt und das von allen Verwandten und Freundinnen so bewundert wird, magere Punkte bekommen hat. Für die Jury gilt nicht die investierte Zeit oder das Herzblut als Bewertungspunkt. Viele Einsenderinnen erwarten von den Jurymitgliedern ebenfalls eine gleiche Bewertung ihres Werks nach dem Motto: nachdem sie den Jurierungskurs gemacht haben, sollten alle Juroren gleichgeschaltet sein. Aber nicht jede Jurorin gewichtet gleich, was sich auch anhand der oben erwähnten Diskussionen um die Preisverleihung zeigt. Bei diesen Diskussionen aber ist die genossene Ausbildung von Vorteil. Man versteht die Argumentationen der anderen, kann diese richtig einordnen und gewichten - und lässt sie deswegen eher gelten.
Wie Gudrun Heinz in ihrem Kommentar auf meinen letzten Beitrag richtig bemerkte, werden den Jurierenden oftmals die Erläuterungen der Quilterin nicht übermittelt. Im speziellen Fall von Birmingham ist dies praktisch unmöglich. Die Assistentin ist für drei Jurorinnen zuständig, die sich an verschiedenen Orten aufhalten. Sie kann unmöglich überall zur gleichen Zeit sein, vor allem weil die Zeit so knapp bemessen ist. So bittet die Jurorin nur dann um nähere Informationen, wenn sie sich nicht im Klaren ist über die Intention der Quilterin oder die verwendeten Techniken und Materialien. Die Hintergrundinformationen sind aber wichtig. Manchmal sieht man ein Werk in einem anderen Licht, wenn man mehr darüber weiss, oder zumindest den Titel kennt. Ich bin also sehr dafür, dass sämtliche Kommentare den Juroren vorgelesen werden, schon wegen der gleichen Chancemöglichkeiten aller Werke. Das wird bei unserem „Teximus“ Wettbewerb sicherlich so gehandhabt.
Gleiche Chancen für alle sind mir sehr wichtig. Deshalb gehe ich nicht ganz einig mit Cécile und den Kommentatorinnen ihres Beitrags "Es schaut's dir keiner weg!" vom 5. April. Es ist ein Unterschied, ob es sich um eine Ausstellung an sich oder um einen Wettbewerb und deren Zielsetzungen handelt. Wie Cécile auch habe ich an der Nadelwelt Werke gezeigt, die teilweise schon vier bis fünf Mal ausgestellt wurden. Es waren nur drei ganz neue dabei. Trotzdem waren die BesucherInnen angetan, auch wenn sie die Sachen vielleicht schon mal gesehen hatten.
Meine Ausstellung am Festival of Quilts, Birmingham 2011 |
"Poesie des Augenblicks" in Einbeck, 2012 |
Die gleiche Ausstellung in der Galerie "JetztOderNie" in Flüh, (CH) 2013 |
Ein Teil der Werke wurde in der TAFch-Ausstelung "wer sind wir? - wir sind wer!" in Zug (CH), 2012 gezeigt |
Die Begeisterung für "Poesie des Augenblicks" an der Nadelwelt in Karlsruhe vor 2 Wochen war gross |
Diese beiden Werke (oben "Dezember", unten "Juni") waren die meist fotografierten Werke in meiner Ausstellung |
Bei den Wettbewerben sollte man das Ziel der Ausstellung im Auge behalten. Bei „Teximus“ ist es uns gemäss unseren Zielsetzungen wichtig, einem Laienpublikum die Textilkunst nahe zu bringen, also Leuten, die kaum je ein textiles Werk bewusst angeschaut haben. Da spielt es keine Rolle, ob ein Meisterwerk zehn Jahre alt oder neu ist. Auch die Künstlerinnen der verschiedenen Textilrichtungen kennen die Werke der anderen kaum. Was weiss eine Quilterin von den Arbeiten einer Klöpplerin und diese wieder von denen einer Filzerin? Es handelt sich hier um ein Kennenlernen, ein aufeinander Zugehen, und sich auf die gemeinsamen Wurzeln zu besinnen.
Die Triennale Heidelberg, Quilt National und andere berühmte Organisationen haben sich auf die Fahnen geschrieben, neue Trends in der Textilkunst zu zeigen. Deshalb dürfen nur neue, noch nie gezeigte Werke eingereicht werden. Es gibt m.E. aber auch einen anderen Aspekt: Etwas Schönes, was man schon ein paar Mal gesehen hat, wird mit jeder Begegnung (subjektiv und unbewusst) immer schöner. Interessante Werke, die schon mal veröffentlicht worden sind, sind im Vorteil bei einer Jurierung. Während neue Arbeiten sich vielleicht nicht sofort beim ersten Anblick erschliessen, haben die schon bekannten Werke den Vorteil des freudigen Wiedererkennens. Auch hier geht es um Chancengleichheit.
Ich lasse mich gerne von den LeserInnen dieses Beitrags eines Besseren belehren. Ich freue mich also auf kontroverse Meinungen. Schreiben Sie Ihren Kommentar.
Hallo,
AntwortenLöschenzunächst finde ich es gut, daß es die "Wanderausstellungen" gibt.
So ist es möglich, daß Interessent/innen sich die Ausstellungen in vielen Städten bzw. Ländern ansehen können.
Und interessant ist es auch, sich eine Arbeit ein zweites Mal anzusehen - da es doch immer wieder Neues zu entdecken gibt.
Das tue ich immer sehr gerne.
Wenn ich jetzt aber Ihre Arbeiten nächstes Jahr in der Nadelwelt - wieder die gleichen - entdecken würde, wäre es für mich etwas grenzwertig.
LG Luitgard
Von einer "guten" Jurierung erwarte ich, daß die Arbeit an sich überzeugend ist im Ausdruck, im Stil aber auch in der Ausführung/Verarbeitung.
AntwortenLöschenGerecht - angenommen, nicht nur, weil der Stil der Quilterin derzeit IN ist, die Quilterin selbst IN ist und somit in der Ausstellung vertreten sein MUSS. Dann sollten es geladene Ausstellungen sein - und keine ausgeschriebenen.
Bei einem traditionellen Quilt erwarte ich, daß die Linien sich treffen, und die Spitzen auch auch "spitz" sind und alle dran sind.
Bei modernen Quilts ist für mich die Devise: nur draufgeschmissen und drübergenäht: das allein ist für mich und meine Begriffe - nicht modern.
Und klar ist mir auch, daß neben den eingeforderten Kriterien, die eine Arbeit ausweisen muß - natürlich auch der persönliche Geschmack der Jurorin - zumindest eine kleine Rolle spielt!
So bin ich der Meinung, daß wenn eine Jurorin NUR die traditionelle Richtung verfolgt und verfechtet, diese sich schwer tut, eine moderne Quiltarbeit zu beurteilen.
Vielleicht nur zu einem geringen Teil - als Jurorin "mitspielen" sollte. Während umgekehrt schon ein "Urteil" möglich ist.
Und ich bin auch eine Verfechterin, daß ein gewisser Teil der Juror/innen sich mit der bildenden Kunst - zumindest befaßt - haben sollte.
Das ist meine Meinung zu diesem Thema der Jurierung.
Liebe Grüße Luitgard
Hallo Luitgard, Danke für die ausführlichen Kommentare, die ich gerne beantworte.
AntwortenLöschenKeine Bange. Die Ausstellung an der Nadelwelt wird nirgends mehr gezeigt. Schon deswegen nicht, weil ich momentan keine Naturbilder mehr mache (abgesehen von kleineren Sachen, die ich für meine Kurse als Beispiele anfertige). Ein Wechsel war auch höchste Zeit.
Mit Ihrem zweiten Kommentar sprechen Sie mir aus dem Herzen. Die Frage, ob ein Werk einer IN-Künstlerin angenommen oder abgelehnt werden soll, liegt m.E. daran, in wieweit die Künstlerin sich weiterentwickelt. Unzähliche Variationen des ewig gleichen Themas oder - noch schlimmer - Motivs, nur weil es bei dem Publikum gut ankommt und es einen hohen Erkennungswert hat, finde ich problematisch.
Ein Modul des "Quilt Judging Course" beinhaltet, dass die Kursteilnehmerinnen sich eingehend mit Quilttechniken beschäftigen, die sie nicht kennen. So habe ich viele traditionelle Techniken kennengelernt und auch erarbeiten müssen. Ich verstehe jetzt die Schwierigkeiten, mit denen traditionelle Quilterinnen zu kämpfen haben, viel besser. Ob dies umgekehrt auch der Fall ist, kann ich nicht beurteilen. Ich finde schon lange, dass traditionelle und Artquilts nicht gemeinsam beurteilt werden sollten. Schon gar nicht mit dem gleichen Auswertungsbogen. Aber da stehe ich ziemlich alleine da.
Eine weitere Aufgabe des Kurses besteht darin, andere als textile Kunstrichtungen kennen zu lernen und zu beurteilen, Ausstellungen (keine textile) zu besuchen und zu kommentieren. Ich finde, wer sich mit Textilkunst befasst, sollte sich auch sonst für Kunst interessieren. Wir sind ja keine Insel.