Schon seit Jahrzehnten gehört meine große Leidenschaft der Handstickerei. Dabei bin ich immer meinen eigenen Weg gegangen, habe nicht auf Traditionen oder Kunstfertigkeiten früherer Generationen geachtet. In meinem Textilgestaltungsstudium wurden wir sogar dazu angehalten, jede Arbeit, die wir in Angriff nahmen, wieder neu und unabhängig von Traditionen zu denken und zu gestalten. Dies hat sicherlich ganz neue Denkweisen gefördert, die mich bis heute begleiten und auch meine aktuellen Arbeiten noch beeinflussen. Aber schon während und besonders gegen Ende des Studiums hatte ich das Gefühl, mehr die traditionellen Handarbeiten studieren zu müssen, um zu sehen, welches Potential für die künstlerische Textilgestaltung darin steckt. Ich wollte zu dieser Zeit sogar eine Ausbildung als Textilrestauratorin beginnen, habe mich an vielen Museen darum beworben, aber meine Wege sollten anders laufen.
Ich fand im Bereich des Handstickens zu Stichen, die meine gesamten Arbeiten über die Jahrzehnte geprägt haben. Das ist der Vor- oder Quiltstich, der Spannstich, der Plattstich und der Knötchenstich.
Mehr braucht es nicht, um Punkt und Linie auszudrücken. Es war und ist eine Herausforderung, die Ausdrucksmöglichkeiten dieser Stiche auszuloten und immer wieder neu zu interpretieren.
Natürlich habe ich paralell zu meinen praktischen Arbeiten auch die textile Geschichte verschiedener Länder und Kontinente studiert. Vor etwa 12 Jahren stieß ich dabei auf die sogenannten Kanthaquilts, die auch als Kanthastickerei oder als Bengalentücher bezeichnet werden.
Wie der Name schon sagt, stammen diese Arbeit aus Westbengalen, Indien. Weiße gebrauchte Saristoffe aus feiner Baumwolle wurden in zwei oder mehr Lagen zusammengeheftet und dann flächendeckend bestickt. Dazu wurde der Rückstich, der Stilstich und der Vorstich benutzt. Die Motive wurden mit rotem, blauem, grünem oder gelben Garn und der Hintergrund mit weißem Baumwollgarn ausgeführt. Um ein Zentralmotiv wurden weitere Symbole und Zeichen gearbeitet. Bei dem Zentralmotiv handelt es sich oft um eine Lotusblüte, Lebensbäume und Sonnenwirtel ergänzen das Zentrum. Diese Symbolik ist in mancher Hinsicht auch auf den Buddhismus zurückzuführen. Dieser Bezug ließ die Stickerei nicht selten zu einer rituellen Tätigkeit werden. Die fertigen Arbeiten wurden dazu benutzt, wertvolle Gegenstände zu schützen, sie darin einzuwickeln.
Was mich besonders fasziniert, ist die Tatsache, dass die Stickerinnen immer auch ihre eigene Zeit in die Arbeiten integriert haben. Man entdeckt Alltagsgegenstände oder Begebenheiten aus dem täglichen Leben. In diesen Arbeiten ist das Spirtuelle mit dem Alltäglichen kongenial verbunden und das mit einfachsten Mittel: Stoff, Garn und drei sehr einfachen Stickstiche. Diese Arbeiten haben mich sofort fasziniert, denn sie entsprachen meiner Vorstellung, Tradition und Gegenwart miteinander zu verbinden.
Auf meinen Messebesuchen in Birmingham hatte ich dann das große Glück, drei dieser wunderbaren Quilts kaufen zu können. Ich schaue mir sie immer wieder gerne an und bin begeistert von der Qualität und dem Ausdruck. Und sie bestärken mich, meine textile Reise mit einer eingeschränkten Auswahl an Stickstichen und vielleicht sogar an Farben fortzuführen. Diese dichte Flächengestaltung habe ich in einer großen Arbeit allerdings noch nicht zu Wege gebracht. Aber immer wieder werden Teile einer Arbeit mit dichten Vorstichen strukturiert und ausgearbeitet, wie an den folgenden Details zu sehen ist.
Detail aus der Arbeit "Platz unserer Ahninnen"
Detail aus der Arbeit " In Gedanken woanders"
Liebe Frau Mett,
AntwortenLöschenherzlichen Dank für diesen tollen Beitrag und den Ausschnitt aus Ihren tollen Werken. Weniger ist oft eben mehr. Ich freue mich so sehr, dass es diesen Blog gibt. Ich bin ganz begeistert. Vielen lieben Dank an alle, die hier schreiben. Sehr, sehr interessant.
Weiterhin viele kreative Ideen
Herzliche Grüße
Anette W.
Liebe Anette,
AntwortenLöschenich freue mich sehr über deinen begeisterten Kommentar.
ich denke, wir sind alle daran interessiert,uns mit Themen rund um die Textilkunst zu beschäftigen und unsere Erfahrungen und unser Wissen mit anderen zu teilen.
Ich denek, die Begeisterung für das Textile wird auch in Zukunft im Blog zu spüren sein.
herzliche Grüße Gabi