Von Grietje van der Veen
Eigentlich wollte ich hier
eine Zusammenfassung des Workshops in Nottingham (siehe meinen Beitrag vom 10.
April) präsentieren. Ich hatte mir so viel davon vorgestellt. Das Thema ist
höchst interessant und brennt mich schon lange unter den Nägeln. Der Workshop
war aber auf nur einige Stunden angesetzt und die wichtigsten Aspekte konnten
wegen Zeitmangels nicht behandelt werden. Das Fotografieren der besprochenen
Werke von Leslie Morgan war nicht gestattet, sodass ich meinen Beitrag über die
Diskussion nicht einmal mit Bildern unterlegen kann. Also drücke ich hier
lediglich meine eigene Meinung zu dem Thema aus. Sie sind also nicht das
Resultat der Diskussionen im Workshop. Ich streife heute nur zwei Aspekte.
Das Risiko der Quilterin, ausserhalb
der vorgebenen Normen zu arbeiten, und das Risiko der Jurierung der Werke sind
zwei Paar Stiefel. Es ist einfacher, wenn man sich an den allgemein bekannten
Regel und Prinzipien hält (Kontraste, Harmonie, Farbverteilung, etc.). Da kann eigentlich nicht viel schief gehen. Aber was, wenn man sich nicht daran hält nach
dem Motto: Regeln sind da, um gebrochen zu werden? Und wie reagiert die Jury
auf so ein Werk? Versteht sie die Absicht? Setzt sie sich einem Risiko aus,
wenn sie ein „hässliches“ Werk in eine Ausstellung aufnimmt? Ich stelle mir eine Flut von empörten Briefen vor. Oder was
geschieht, wenn eine Künstlerin politische oder gesellschaftliche Themen
kontrovers behandelt? Müssen textile Werke immer „schön“ sein? Sind sie nur für
die Wohnung bestimmt und nur dort wirklich „daheim“, wie der Möbelhausbesitzer
und Organisator der Ausstellung „Wir sind aus solchem Stoff wie Träume sind“ in
Aarau in seiner Ansprache behauptete?
„Bons Vivants“ macht sich
sicher gut im Wohnzimmer
Aber dieses Werk? Das
spottet doch alle Prinzipien. Es druckt eine persönliche Krise aus. Nicht
einmal ich finde es schön.
Das sind alles Themen, die
eingehender diskutiert werden müssen. Darüber in einem anderen Beitrag.
Noch ein risikoreiches
Thema: Verena Lenzlinger, mit der
ich zusammen nach Nottingham reiste, hatte einen Beitrag über eine Kontroverse
über den patCHquilt-Wettbewerb vom 1996 vorbereitet, den sie nicht vortragen
konnte, was sie begreiflicherweise enttäuschte. (Verena, verzeih mir, dass ich
die Problematik an deiner Stelle hier bespreche. Ich kann dich nicht fragen, ob
du damit einverstanden bist, denn du marschierst jetzt im Sherwood Forest rum.)
Ich bespreche hier die Sache von meinem Standpunkt aus, der sich in der Sache
mit dem von Verena zwar deckt, aber andere Aspekte in den Vordergrund rückt.
Ich
möchte hier die enge Verzahnung von Wettbewerbsausschreibung und Jurierung thematisieren.
Der o.g. Wettbewerb löste deswegen heftige Diskussionen aus, weil das Werk, das
für den Umschlag des Katalogs, für Poster und Flyer ausgesucht wurde, eine Kopie
eines berühmten Werks von Gustav Klimt war.
Klimt Werk
Die Quilterin hatte zwar als
Zusatz zum Titel „nach Stoclet Fries von Gustav Klimt“ angegeben, aber
offensichtlich wurde diese Bemerkung der Jury nicht vermittelt. Der Zusatz
wurde im Katalog zwar vermerkt, das Werk rangierte aber merkwürdigerweise unter
der Kategorie „Eigener Entwurf“.
Werk der Quilterin
©patCHquilt VSQ/ASP 1997
Hier zeigen sich zwei
verschiedene Probleme. Je weniger präzise die Wettbewerbsbedingungen formuliert sind,
umso grösser sind die Interpretationsmöglichkeiten der TeilnehmerInnen. Wenn in den
Bedingungen steht, dass Kopien von bestehenden Werken nicht angenommen werden, sollten
diese schon im Vorfeld abgelehnt werden. Als Kopien gelten alle Werke, in denen
man sofort das Originalwerk erkennt, auch wenn es einige Abweichungen gibt. Was
aber, wenn es die Quilterin unterlässt, darauf
hinzuweisen, dass sie ein bestehendes Werk zum Vorbild genommen
hat? Dann wird das Werk juriert.
Aber dann haben wir das nächste Problem: wie
sattelfest sind die Jurymitglieder in der Kunst und in der Quiltwelt? Die
Leute, die Quilts jurieren, haben nicht alle Kunstgeschichte studiert, sondern
sind meistens Quilter wie Sie und ich. Um auf das oben erwähnte Risiko von
Quilterin und Jurymitglieder zurückzukommen: Hier war das Risiko denkbar
ungleich verteilt: Die Quilterin konnte ziemlich sicher sein, dass das Werk
angenommen wurde, sobald sie die Hürde der fehlenden Originalität übersprungen hatte. Die Begeisterung weltweit für Klimt ist allgemein bekannt.
Die Jury hingegen hatte das volle Risiko. Sie kannte das Werk offensichtlich
nicht und verliess sich in ihrem Urteil voll auf die Vorgabe, dass „Kopien
anderer Quilts“ (Zitat Ursula König im Katalog) nicht zugelassen waren. Die
Organisatoren hatten offensichtlich Kopien von Werken ausserhalb der Quiltwelt
nicht in Betracht gezogen. Die Bedingungen waren also nicht präzise genug. Die Jury hatte darauf den Spott.
Übrigens stellt sich ein
ähnliches Problem, wenn der Jury ein Werk zur Beurteilung vorgelegt wird, in
dem sie eine für ihren speziellen Stil bekannte Künstlerin zu entdecken meint.
Was macht die Jury, wenn sie nach Abschluss der Jurierung entdeckt, dass sie
einer Nachahmerin aufgesessen ist?
Das Thema ist noch längst
nicht ausgeschöpft. Ich werde in weiteren Beiträgen darauf zurückkommen.
liebe grietje,
AntwortenLöschenvielen dank für diesen hochinteressanten beitrag.
die wahl, die eine jury trifft, kann nur den kenntnisstand der kunst- und quiltwelt zugrundelegen, den die juroren haben. aber hinzu kommt auch noch, dass oft noch andere personen nicht sorgfältig arbeiten, z.b. solche, die die sendungen entgegen nehmen und dann nicht alles oder fehlerhaft erfassen und übermitteln.
was mich am meisten stört, ist, dass auch die kommentare der einsender, die eventuell weiteren aufschluss ermöglichen würden, oft der jury ebenfalls nicht zugänglich sind.
trotzdem fasziniert mich diese tätigkeit sehr. bin gespannt auf deine weiteren angekündigten beiträge!
beste grüsse
gudrun
I hope I understand your text well (I cannot read German and Google transltes very poorly), but to follow up your point about the Klimt quilt: recently at the Spanish National Exhibition, the top award was given to a quilt copy of a very famous Kandinsky (the title said so, in case one did not identify it) with a border added. I think such quilts should be eligible for craftmanship awards (quilting, appliqué...) but not for overall awards, since these include the design, work of the artist who painted the original.
AntwortenLöschenBest regards.
@lafibracreativa.com
AntwortenLöschenYou are right. As this was not the quilter's own design, her work should not have received the highest scores. what a pity.
Grietje