Freitag, 24. März 2017

Was bleibt?

von TAFch

Nun ist wirklich alles schon vorbei. Was bleibt, sind wunderschöne Bilder und der Eindruck, mit dieser Ausstellung einen grossen Schritt in Richtung der angestrebten Ziele von TAFch gegangen zu sein.

Zu sehen und zu entdecken waren 42 Arbeiten von 31 Künstlerinnen. Bereits an der Vernissage hatten sich um die 200 Besucher auf den Weg gemacht, sich die Werke anzuschauen und mit den Künstlerinnen in Kontakt zu treten. Insgesamt konnten an den Tagen etwa 1100 Besucher gezählt werden. Diese Zahl ist beeindruckend. Es fiel auf, dass nicht nur Frauen den Weg gefunden hatten, sondern auch sehr viele interessierte Männer angesprochen werden konnten. Ebenfalls auffällig waren die zahlreichen jungen Besucher.


Jeanine Hug      Hirschsequenz


Die Werke zeigten ein grosse Bandbreite künstlerischen Schaffens, was immer wieder zu intensiven Gesprächen und Auseinandersetzungen bei den Besuchern führte. Dies wiederum kam dem ausgelobten Publikumspreis zugute. Mehr als 500 Stimmen wurden abgegeben. Wie schon berichtet ging der Preis und damit das Preisgeld in Höhe von 500 CHF  an Beatrice Lanter mit ihrer Arbeit „hinten III - bunt“, dicht gefolgt von Beatrice Streuli mit dem Werk „ Samen - durchbrochen“ und Bea Bernasconi mit den „Forgotten Stories“.



Heidi Imsand    Letters I `ve written...

Die Gewinnerin des Jurypreises haben wir Ihnen ja bereits vorgestellt. Wir möchten Ihnen an dieser Stelle noch die Begründung darlegen:
Die Künstlerin interpretiert auf innovative Weise das Zusammenfügen einer in diesem Fall imaginären Fläche und ihr gelingt es, alltägliches Material wie Moosgummi, Tüll, Kabelbinder und anderes in einen neuen Sinnzusammenhang zu transformieren. Ihre Arbeit ist je nach Ausstellungsort immer wieder neu zusammen setzbar. Sie ist damit sehr zeitgemäss, bietet sie doch ein Gleichnis für das moderne, unstete, sich ständig verändernde, oftmals laute Leben, vielleicht sogar mit einem klugen Hinweis auf die Unverbundenheit des Einzelnen mit weiten Bereichen der Gesellschaft.


Barbara Thüler Hollenstein    Tagwickel (Ausschnitt)


Auffällig und damit durchaus erwähnenswert ist die Tatsache, dass im Gegensatz zur ersten Ausstellung thematisch und gestalterisch sehr viel intensivere Werke zu finden waren. Es war von Erinnerungen, Verletzungen, Gedankenreisen und kostbaren Lebensqualitäten die Rede. Die reine Auseinandersetzung mit grafischen Mitteln stand nicht so sehr im Mittelpunkt. Bei dem Einsatz von Material liess sich eine Tendenz in Richtung Papier beobachten. Aus Fasern geschöpft und flexibel einsetzbar hat es schon seit einiger Zeit seinen Platz im textilen Bereich gefunden. Mixed Media findet sich in ganz vielen Arbeiten. Die Filzkunst scheint auf dem Weg zu sein, dort für sich neue Ausdrucksmöglichkeiten zu entdecken. Die klassische Tapisserie war mit zwei gegensätzlichen Positionen vertreten. Anklänge an die Natur wurden gekonnt u.a. in Strickarbeiten, aber auch in Applikationen umgesetzt.


Conny Wepfer     Körperlandschaften


Vivi Linnemann    MISS


Von Besuchern und Künstlerinnen wurde gleichermassen die feinfühlige und jedem Werk gerecht werdende Hängung bescheinigt. Das ist in diesem alten Haus mit seiner Geschichte und seinen ausdrucksstarken Räumen ein besondere Herausforderung.


Anna Affolter    Marianny



Anna Affolter    Elisabeth


TAFch ist in jeder Hinsicht mit dieser Werkschau zufrieden. Was sie besonders erfreut hat, waren die Verkäufe von einem Fünftel der ausgestellten Werke. Auch das ist nicht die Regel sondern eher die Ausnahme im Kunstgeschehen.


Rosemarie Artmann-Graf     Ond Nägeli dezue...

Christine Matthey    Un drapeau suisse


Mit der textilen Geschichte kamen wir ebenfalls hautnah in Berührung. Die Künstlerin Rosemarie Baschung-von Rohr stellte sich vor, in der Hand einen Katalog von einer Ausstellung aus dem Jahr 1993, mit dem Titel „Tendenzen textiler Kunst“ mit Schweizer Kunstschaffenden ebenfalls im damals noch so genannten alten Kunsthaus Zug, heute die Altstadthalle. Sie hat 15 Künstlerinnen in dieser Ausstellung gezeigt, u.a. Lissy Funk, der bedeutenden Stickerin aus der Schweiz. Es soll aus dem Vorwort des Katalogs zitiert werden, das deutlich macht, wo sich auch nach 25 Jahren noch ähnliche Problemstellungen zeigen:



Die spannende Begegnung von uns TAF Frauen mit der Textilkünstlerin Rosemarie Baschung-von Rohr

Vergangenheit verbindet sich mit der Gegenwart und schaut zusammen in die Zukunft......



Noch immer ist die Integration der freien textilen Gestaltung in einem ganzheitlichen Kunstbegriff eine Wunschvorstellung. Das Schaffen mit Fasern, die sich verweben, verknüpfen, umwickeln, spannen lassen, das An-, In- oder Übereinanderfügen von genähten, geklebten oder sonst wie verbundenen Stoffen gilt in der Kunstgeschichte zu Unrecht als wenig relevant. Die Gründe dafür sind komplex; sie haben unter anderem mit der Zuordnung des Textilen zum traditionell Weiblichen (und damit zum Unmännlichen) zu tun. Diese emotionale Struktur verunmöglicht es heute paradoxerweise sowohl vielen Männern wie Frauen, sich offen auf die faszinierenden Qualitäten und Eigenheiten eines freien Umgangs mit textilem oder textilähnlichem Material einzulassen. Die latente Abwehr behindert den Blick auf die enormen Entwicklungen, die sich in den letzten 20 bis 30 Jahren innerhalb der textilen Kunst vollzogen haben. Und sie verhindert eine anerkannte analytische Auseinandersetzung mit der Wesensart der textilen Kunst, auch der Frage, warum sich immer noch, mit Ausnahme von Japan, vor allem Künstlerinnen damit beschäftigen. Eine der wichtigen Beobachtungen, die sich beim intensiven Studium der zeitgenössischen Kunst von Frauen einstellt, ist ihr besonderer Umgang mit Materialien, welcher Art auch immer. Künstlerinnen verstehen die Stoffe, mit denen sie arbeiten vielfach als Gesprächspartnerinnen. Das heisst, ihr Ziel ist es nicht, sich Werkmaterial gefügig zu machen, sie ausschliesslich dem menschlichen Gestaltungswillen unterzuordnen, sondern zu einem Gleichgewicht zu gelangen, in dem Werkstoffe und die künstlerische Vorstellung eine Synthese eingehen...
Textilkunst ist nicht nur Form (eventuell Volumen) und Farbe - die klassischen Komponenten von Malerei und Skulptur -, sondern immer Form, Farbe und Material. Nur diese Dreiheit umfasst das Ganze… 
Und die Frage, ob es sinnvoll sei, Textilkunst im Ghetto ihrer Techniken zu zeigen, muss gestellt werden. Sie muss aber angesichts der Realität der Kunstszene und des gemeinsamen, berechtigten Anliegens, textiles Schaffen als künstlerische Kraft zur Diskussion zu stellen, gleichzeitig (noch) bejaht werden.

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