Gabi Mett
Mitte der siebziger Jahre, ich hatte gerade meine Studium der Kunst und Textilgestaltung begonnen, bekam ich ein Buch geschenkt, dass mich beeindruckt und nachhaltig beeinflusst hat. Es trägt den Titel: Das große Ravensburger Werkkunstbuch von Jutta Lammer und stellt auf 425 Seiten 18 Techniken vor, die man im kunsthandwerklichen Bereich immer wieder finden kann. Das Besondere an diesem Buch ist die Abhandlung der einzelnen Techniken. Vorgestellt wird jede Technik mit einem Blick in die Historie. Es folgen Porträts international anerkannter Künstlerinnen und Künstler. Die Arbeitstechniken werden in ihren Grundzügen erklärt und im letzten Abschnitt Werke vorgestellt, die sich durch Ideenreichtum, Unbefangenheit und Mut zum Experiment auszeichnen. Besonders beeindruckend war für mich das Kapitel Textilobjekte. Bisher nie gesehene Objekte für Wand und Raum haben mich gefangen genommen und mich neugierig gemacht, was in der Kunst des Weichen und Textilen möglich ist.
Eine dieser Künstlerinnen, die in Wort und Bild vorgestellt wurden, ist die Schweizer Künstlerin Elsi Giauque.
Geboren am 15.11.1900 als Berta Elsa Kleinpeter im Zürcher Oberland, wechselte sie nach der Primar- und Sekundarschule an die Frauenfachschule in Zürich, um eine Ausbildung zur Handarbeitslehrerin zu absolvieren. Sehr schnell wurde deutlich, dass diese junge Frau ein sehr großes Talent besitzt, was den Bereich Entwurf und Gestaltung angeht. Man wurde an der Kunstgewerbeschule auf sie aufmerksam und mit 18 Jahren und der Zustimmung der Eltern wechselte sie in den Vorkurs an der Zürcher Schule. Hier wurde sie von den LehrerInnen Sophie Taeuber und Otto Monarch stark beeinflusst. Sie konnte ungehindert ihren Ideen folgen, diese Schule setze auf die individuelle Förderung jedes Studenten, und so nach und nach die Grundlagen für ihre eigene Handschrift legen. Neben der textilen Arbeit wurde an diesem Ort ihre zweite Leidenschaft geweckt. In der Ausbildung stand auch die Auseinandersetzung mit dem Marionettentheater auf dem Programm. Das war für sie eine Offenbarung. Sie hat sich intensiv und lange Jahre mit dieser ganz speziellen Form des Theaters auseinandergesetzt und Aufführungen initiiert.
In dieser Zeit lernte sie auch Fernad Giauque kennen. Er hatte an dieser Schule eine Ausbildung zum Innenarchitekten absolviert. Man plante sehr schnell eine gemeinsame Zukunft, es sollte aber noch bis 1925 dauern, bis sie heirateten.1922 hatte Elsi Giauque ihr Diplom als Kunstgewerblerin erhalten. Sie arbeitete nun freischaffend. Ihr zukünftiger Mann hatte in dieser Zeit bereits nach einem Haus Ausschau gehalten, in dem sie in Zukunft gemeinsam leben und arbeiten konnten. Er entdeckte „la maison verte“ in Ligerz oberhalb des Bielersees. Bis zu ihrem Lebensende wird sie in diesem Haus wohnen bleiben.
Bis zu ihrem 65. Lebensjahr wird sie in vieler Hinsicht Zeichen setzen durch den Entwurf und die Ausführung von Heimtextilien, durch Druck- und Webstoffe u.a. mehr. Seit 1960 geht sie auch in die freie Raumgestaltung. Als sie ihre pädagogische Tätigkeit an der Zürcher Schule aus Altersgründen beendet, beginnt ihre eigentliche künstlerische Laufbahn. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1990 ist sie unermüdlich künstlerisch tätig. Sie revolutioniert die klassische Tapisserie, setzt Maßstäbe, indem sie mit ihren Arbeiten Raum gestaltet und in den Raum wirkt. Ihre Arbeiten sind phantastische transparente Gebilde, die dem Faden und damit auch der textilen Linie einen besonderen Auftritt geben. Ihre Werke strahlen eine wunderbare Leichtigkeit aus. Sie lassen auch sehr stark an kinetische Arbeiten denken.
Schauen Sie sich im Folgenden Arbeiten von ihr an, die im Laufe ihres Lebens entstanden sind. Es handelt sich wirklich nur um einen kleinen Ausschnitt.
Kragen und ein Paar Manschetten, 1919, Kreuzstich |
Collier, Perlenhäkelei, 1920 |
Le Réve, Perlenweberei, 1927 |
Stoffmusterkarte, Ende der 20er bis Mitte der 30er Jahre |
Modell Schweidegger-Mosimann: La Cour de Neptune, 1943 |
Colonne aux couleures qui chantent, 1964, 380 x 37 x 37 cm |
Mais III, Ende der 40er Jahre |
Theater, Homage á Dürrenmatt, 1967/68, 220 x 200 x 15 cm |
La lune perdue.La lune, 1971/72, 250 x 250 x 250 cm |
Gespensterszenen, 1974, 300 x 50 x 50 cm |
Ausstellung in Solothurn, 1977 |
Prototyp, Klingende Säule, 1978, 203 x 30 cm |
Sie erhielt für ihre Arbeiten viele Preise, war an bedeutenden Textilkunstausstellungen beteiligt, alleine 8x an der Biennale für Tapisserie in Lausanne, war auch in der Kunstwelt akzeptiert. Preise und Auszeichnungen begleiten ihren Weg von der Schule bis ins hohe Alter. Sie hat sich in vielen Bereichen engagiert und für die künstlerischen Belange eingesetzt.
An dieser Stelle würde es zu weit führen, über das Werk und das Wirken dieser Frau detailliert zu berichten. Mit einer ausführlicheren Würdigung dieser Künstlerpersönlichkeit wollen wir unser Archiv starten, in dem zu herausragenden Schweizer KünstlerInnen, die ihre Ausdrucksweise im Textilen gefunden haben, Wissenswertes zusammengetragen werden soll. Dazu bald mehr.
Alle Fotos und Informationen sind folgendem Buch entnommen
Elsi Giauque 1900 - 1989
Wegbereiterin der textilen Kunst
Johanna Morel von Schulthess
Benteli Verlag Bern, 1997
Das Zitat vom Mittwoch stammt aus ihrer Feder und ebendiesem Buch. (S.107)
Herzlichen Dank, wieder eine neue Künstlerin kennengelernt, die traumhaft schöne Arbeiten erstellt hat. Auf das Portrait im Archiv bin ich schon jetzt gespannt. Wie gut, dass es damals Menschen gab, die ihre Begabung rechtzeitig entdeckt haben und sie Eltern hatte, die dieses auch zugelassen haben. Wie immer ist es schön, hier Neues zu entdecken! Herzliche Grüße Anette
AntwortenLöschenLiebe Gabi,
AntwortenLöschendas Buch von Jutta Lammer befindet sich auch in meinem Bücherregal. Ungefähr 1976 gekauft, habe ich es von vorn bis hinten studiert. Es hat meine Begeisterung für die Kunst. hier insbesondere die Textilkunst, entfacht, die bis heute anhält und mein Leben sehr bereichert hat.
Elsi Giauque war ja auch vor zwei Jahren in der Ausstellung Open Letter In Mönchengladbach vertreten. Dank deines Hinweises hier auf dem Blog im Oktober 2013 bin ich nach Mönchengladbach gefahren. Die Ausstellung hat mich sehr beeindruckt. Ich habe dort Werke vieler Künstlerinnen und Künstler zum ersten Mal im Original sehen können. Das war wirklich ein Erlebnis gewesen!
Danke für deine/eure Beiräge und herzliche Grüße, Christine
Hallo zusammen,
AntwortenLöschenich denke, es gibt noch sehr viel interessante Künstlerinnen zu entdecken. Ich freu mich auch schon darauf.
Wenn ich an Gespräche in den letzten Monaten denke, wird immer wieder deutlich, dass viele Frauen erst einmal den Weg gegangen sind, den die Eltern sich so vorgestellt hatten. Erst oft Jahre danach kam es dann zu einer Hinwendung zur Kunst. Um so interessanter ist der Weg dieser Künstlerin.
Christine, du hast recht, Elsi Giauque war in Mönchengladbach vertreten. Ich habe mich auch sehr gefreut, ihre und auch Arbeiten von anderen Künstlerinnen, die ich nur aus Büchern kannte, dort zu sehen. Es war wirklich sehr beeindruckend.
herzliche Grüße Gabi
Das hat mir sehr beeindruckt und gefallen. Möchte gern in Kontakt bleiben. Vielen Dank.
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