von Grietje van deer Veen
In diesem Beitrag möchte ich Ihnen etwas über die alte Ziegelei Oberwil und ihre Bewohner erzählen. Da die Vorstellung recht lang ist, werde ich sie in zwei Teilen präsentieren.
Während mehr als 100 Jahren grub die Mechanische Ziegelei aus dem dahinter liegenden Gelände Lehm aus dem Boden für die Produktion von Backsteinen. Nachdem die Ziegelproduktion 1997 stillgelegt wurde, wurde das Gebäude
umfunktioniert zu einem Kultur- und Gewerbekomplex. 2002 zog
auch ich da ein. Erst kürzlich wurde die zweigeschossige, ehemalige
Ofenhalle, ebenfalls umgebaut. Heute umfasst der Komplex 90 Objekte:
Ateliers, Werkstätte, Lager, einen Lebensmittelladen und ein Restaurant.
So präsentiert sich die Frontseite des Komplexes. Das einsame Fenster rechts oben unter dem Dach gehört zu meinem Kursraum.
Das Gebäude besteht aus mehreren Häusern, die ziemlich abenteuerlich mit
einander verbunden sind. Es braucht einen guten Orientierungssinn, sich
da zurechtzufinden. Besucher irren oft verzweifelt von einem Trakt zum
anderen. Nach dem „Guten Tag“ kommt oft meine Frage: „Suchen Sie
jemanden?“
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Seitenansicht von Gebäude H |
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Rückseite Gebäude H. Ganz oben unter dem Dach befindet sich das Fenster meines Privatateliers |
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Werkstätten |
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Innenhof. Im Sommer lädt das Restaurant hierbei einem guten Essen zum Entspannen ein. |
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Eines der Treppenhäuser |
Bis zur Stilllegung entstand hinter der Fabrik eine Grube von ca. 300'000 m3
Inhalt. Eine Wunde in der Landschaft. In Zusammenarbeit mit dem
Amt für Umwelt und Energie sowie mit den Naturschutzfachstellen wurde
ein Auffüllkonzept erarbeitet, welches von 2004 bis 2008 realisiert
wurde. Vier Jahre lang habe ich beobachten können, wie Lastwagen nach Lastwagen Bauschutt in die Grube schüttete. Die Staubwolken sind inzwischen vergessen, denn heute präsentiert sich das Gelände als Naturschutzgebiet, das acht Hektaren umfasst
mit verstreut liegenden Tümpeln. Es ist umzaunt und nicht für die
Öffentlichkeit zugänglich. Seltene Amphibien wie Kreuzkröte, Kammolch,
Fadenmolch, Geburtshelferkröte tummeln sich seitdem in den Teichen. Im
Sommer sieht man Fischreiher und scharenweise Störche, denen es wohl
ziemlich egal sein dürfte, dass die Frösche selten und geschützt sind. Ein Storchenpaar erfrechte sich, auf dem Kamin der Ziegelei ein Nest zu bauen, zur Freude der Bewohner. Der Verwaltung sah das anders und baute flux ein konisches Kupferdach auf dem Kamin. So wich das Paar auf den Swisscom Sendeturm aus. Der bot aber zu wenig Fläche, und so blieb das Nest leer.
Mehrere Schottische Hochlandrinder streifen als lebende Rasenmäher umher.
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So romantisch können die Abende sein |
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Das alles sehe ich, wenn ich aus meinen Fenstern schaue. Vom Kursraum aus sehe ich das Dorf Oberwil, |
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Vom Privatatelier aus das Naturschutzgebiet und das Naherholungsgebiet Allschwilerwald | | |
Die Mischung von Ateliers und Handwerkbetriebe ist ideal. Braucht man Holz, geht man zum Schreiner. Ein stabiles Untergestell für eine Konstruktion notwendig? Da ist doch der Metallbauer im anderen Trakt. Streikt das Auto? Dann schnell zur Autowerkstatt.
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Ruedi makes the bit. Sein urchiges Berndeutsch klingt wie Musik in den Ohren. Leider für mich immer noch schwer verständlich. |
Es gibt einen Kreativ-Lackierer, eine Baufirma, einen Steinhauer, der sinnigerweise Steinhauser heisst.
Oder da ist der Kletterwandbauer, der seine Karriere als Kunstlehrer und freier Künstler zugunsten seiner Leidenschaft fürs Klettern an den Nagel gehängt hat. Kurze Zeit versuchte er sich nochmals als Holzschnitzer. Mit einer Riesensäge gestaltete er eine primitive Figur. Weitere Baumstämme wurden schon mal vorsorglich für noch mehr Skulpturen bereitgelegt. Die modern jetzt schon seit etlichen Jahren vor sich hin und dienen als Nährboden für immer schönere Pilze. Jetzt wissen Sie endlich, was die Pilze im Wordless Wednesday mit der Ziegelei zu tun haben.
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Die Skulptur wurde müde vom sinnlosen Stehen und hat sich hingelegt. |
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Herrliche Pilzkulturen. Es juckt mir in de Finger, sie in Stoff umzusetzen. |
Alle 90 Mieter hier vorzustellen, wäre wohl eine Zumutung für die LeserInnen. Ehrlich gesagt kenne ich längst nicht alle. Ich fange mal an mit einigen KünstlerInnen unserer Ziegelei-Gruppe.
Selina Baumann ist Keramikerin und hat den Master in Bildhauerei absolviert. Sie ist mit dem Kiefer Hablitzelpreis 2014 ausgezeichnet (bestplatziert!). Zurzeit sind ihre Werke im Museo d’Arte in Lugano ausgestellt. Wenn Sie mehr über sie erfahren möchten, dann klicken sie
hier.
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Selina Baumann |
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Selinas Wahrzeichen vor ihrer Ateliertür. Die Arbeit ist so gross, dass sie nicht durch die Ateliertür geht. |
Cyrill Weber ist Silberschmied, macht aber keinen Schmuck, sondern ist auf Grösseres spezialisiert. Nebst eigenen Kreationen repariert er auch defekte Silberobjekte oder gibt ihnen einen neuen Glanz.
Hier ist seine Website.
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Cyrill Weber hämmert und hämmert geduldig stundenlang. |
Im vierten Stock befindet sich eine
Fotogalerie. Monika Wertheimer hat sich einen Namen gemacht als Expertin in der Fotokunst. Zurzeit stellt sie Bilder von Bianca Dugaro aus, welche mit Fotosynthese experimentiert.
hier ist die Website der Künstlerin und
hier die der der Galerie.
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Monika erklärt, wie die Bilder von Bianca Dugaro entstanden sind. |
Marianne Vogler ist Papierkünstlerin, macht Schnittbilder, Buchobjekte und zeichnet.
Zurzeit ist ein grosses Projekt von ihr im Landesmuseum zu sehen:
„Schnittobjekte Rondo 1 und 2“ sind 1,50 m hoch und 5 m lang. Es ist
eine Auftragsarbeit als Ergänzung zur Scherenschnitt-Ausstellung vom
09.01 bis 19. 04 2015.
Hier erfahren Sie mehr über die Künstlerin und
hier über die Ausstellng im Landesmuseum..
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Papierskulptur von Marianne, zurzeit im Landesmuseum zu sehen. |
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Auch
Tami Komai ist Papierkünstlerinn, arbeitet aber ganz anders als Marianne. Ihre Papiere sind fein, zart, fast flüchtig. Ob
Wandarbeiten, filigraner Schmuck, raffinierte Behälter, Tami
experimentiert mit fragilen lichtdurchlässigen Papiere und reizt deren
Möglichkeiten aus.
Hier ist ihre Website.
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Tami Komai vor einer ihrer grazilen Objekten |
Als letzte Künstlerin in diesem ersten Beitrag über die Ziegelei stelle ich Ihnen
Beatrice Portmann vor. Bei Beatrice steht die Sprache im Mittelpunkt. Sie ist Mitglied
der Schreibwerkstätten Bottmingen und Brugg, organisiert Schreibkurse
und Vorbereitungen zu Lesungen in ihrem Atelier. Als Atempädagogin biete
sie Kurse an. "Nebenbei" malt sie Acrylbilder. Möchten Sie mehr über sie erfahren, dann klicken Sie
hier.
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Beatrice Portmann in ihrem Element |
So, ich denke für heute reichts. Im nächsten Beitrag werde ich weitere Künstler unserer Gruppe vorstellen, u.a. über ein Motorradmuseum berichten und versuchen, einige interessante Werkstätte zu besichtigen. Es sei denn, Sie bitten mich inständig, ein anderes Thema zu wählen..
Welch ein schöner Ort. Mir gefällt es, wenn alte Industrieanlagen zu solch kreativen Orten werden. Und bei so vielen unterschiedlichen Künstlern gibt es sicher jede Menge Inspiration. Dort muss frau sich doch wohlfühlen? Herzlichen Dank für diesen Einblick. Ich freue mich auf weitere Nachbarn. Herzliche Grüße Anette
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