Freitag, 5. Juli 2013

Eine Reise zu den Miao

von Grietje van der Veen

Der Höhepunkt des Jahres 2011 war für mich eine Reise nach China, genau genommen in die Provinz Guizhou, die als die ärmste Gegend Chinas gilt. Hier sind die Miao, eine ethnische Minderheit, zuhause. Die Bevölkerung von China besteht zu 97 Prozent aus Han Chinesen, die restlichen drei Prozent teilen sich unzählig viele Minderheiten. In Guizhou aber sind überdurchschnittlich viele Miao angesiedelt. Die Landschaft dort ist extrem gebirgig und die Dörfer waren lange vom Rest der Welt isoliert. So war es möglich, dass die kulturelle Identität lange in ihrer Reinheit bestehen bleiben konnte, was sich vor allem in der Herstellung der Festkleidung manifestiert. Batik, Spinnen, Weben und Sticken sind Handfertigkeiten, die seit Jahrhunderten jedes Mädchen schon sehr früh - meist im Alter von sieben bis neun Jahren - lernt.

Die textilen Arbeiten haben bei den Miao einen hohen Stellenwert. Da sie keine geschriebene Sprache haben, werden die Legenden mündlich überliefert und in Stickereien festgehalten. Für die Miao ist Sticken nicht eine Beschäftigung, die der Schönheit dient, sondern eine Huldigung der Vorfahren und Götter, also eine spirituelle Handlung. Dies mag erklären, weshalb die Frauen gerne bereit sind, über fünf Jahre an einem einzigen Kostüm zu arbeiten. Die Frauen versuchen, die bestmögliche Perfektion in ihren Stickfertigkeiten und -techniken zu erlangen, weil sie damit die Götter ehren.


Baby in einem reichbestickten Tragetuch



In diesem Beitrag möchte ich auf eine einzige Stickerei eingehen, die mich fasziniert. Ich konnte damals ein typisches Beispiel einer Zinnstickerei kaufen, hatte aber keine Ahnung, wie so etwas gemacht wird.



 Ein Freundin war so freundlich, Modell zu stehen



Eines Tages hatten wir eine Stunde zur freien Verfügung und wir kämpften uns durch eine verschlammte Strasse, gesäumt von zur Schau gestellten Waren.



Es gab hier eben keine öffentlichen Toiletten



Der Zufall wollte, dass ich in dieser Strasse eine Frau entdeckte, die an einer Zinnstickerei arbeitete. Ich durfte zuschauen und Fotos machen. Metallstickereien werden in Guizhou lediglich in einer Region, Jianhe, hergestellt. Die Metallstickerei findet man an Jacken, aber meistens als eine schmale Dekorationsschürze, die entweder auf dem Rücken oder vorne getragen wird. Die Fertigung ist extrem zeitaufwendig und nichts für schlechte Augen. Ich gebe hier eine Anleitung für diejenigen unter Ihnen, die einige Monate nichts zu tun haben und Lust verspüren, etwas Ähnliches zu versuchen. Man muss dabei ja nicht unbedingt an die göttlichen Vorfahren denken. Aber die Arbeit hat sicher etwas Meditatives.

Der Basisstoff ist weiss. Dieses Beispiel habe ich dem Buch „One Needle, One Thread“ von Tomoko Torimaru (ISBN 978-1-60702-173-5) entnommen, da die freundliche Frau auf meinen Fotos diesen Arbeitsschritt schon gemacht hatte.


Auf dem weissen Stoff wird mit dunklem Garn das Muster vorgestickt (traditionsgemäss ohne es vorzuzeichnen!). Dann wird der weisse Stoff mit Indigo eingefärbt. Jetzt wird ein sekundäres Muster mit Plattstichen zwischen dem schon vorhandenen Primärmuster mit dunklen Farben eingestickt. Grösse der Stiche: ca. zwei mm. Leider ist das Foto ein bisschen verschwommen, aber da ich kein Makroobjektiv habe, sind Nahaufnahmen von den winzigen Stichen sehr schwierig.
Breite der Metallstreifen: 1,5 mm, dazwischen das mit Plattstichen gestickte Sekundärmuster
Jetzt werden die Metallstreifen eingearbeitet. Von einer Zinnfolie wird ein schmaler Streifen abgeschnitten. Dieser Streifen wird an einem Ende mit der Schere zu einer Spitze geformt und am anderen Ende umgebogen.




Der Streifen wird jetzt durch die Stiche des ersten Musters bis ans umgebogene Ende geschoben und dann kurz abgeschnitten.




Das Ende wird jetzt mit dem Fingernagel fest angedrückt.




Eigentlich einfach. Das Metallmuster liegt oben auf dem Stoff und wird nur durch die vorgestickten Fäden des Primärmusters gehalten. Lediglich die Fransen und die Querstreifen werden - nach dem Entfernen einiger Schussfäden – um die Kettfäden des Basisstoffs gewunden und somit auch auf der Rückseite sichtbar.



Rückseite der Schürze

Zum Schluss noch ein Beispiel mit Messingfolie und weiteren Stickereien. Auf einem Markt gekauft. Allem Anschein nach von einem Kleidungsstück abgetrennt. Die Touristen – und vor allem die Textilbegeisterten – hamstern solche Stücke ja, was das Zeug hält. 








2 Kommentare:

  1. Bravo Grietje pour ce bel article. J'ai aussi été dans cette région et ai été fascinée par ces panneaux rebrodés d'étain. C'est à couper le souffle, et d'une grande élégance. Mais j'admire seulement, je ne vais pas m'y mettre!

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  2. Liebe Mary,
    leider ist mein französisch sehr schlecht, aber ich habe ihre Zeilen verstanden. Ich interessierte mich für die Technik, aber auch ich habe nicht versucht, es selber zu versuchen. Meine Augen machen da nicht mit. Was bleibt, ist - wie bei Ihnen - eine schöne Erinnerung.
    Grietje

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