Freitag, 28. Juni 2013

HOT SPOT INSTANBUL

von Cécile Trentini

Keine Angst, dies wird kein politischer Beitrag, wenn auch die jüngsten Ereignisse in der türkischen Hauptstadt, diesem Titel eine ungewollt brisante Aktualität verliehen haben.
HOT SPOT INSTANBUL ist die aktuelle Ausstellung, die noch bis 22. September 2013 im Museum Haus Konstruktiv in Zürich gezeigt wird. Es ist die erste umfangreiche Ausstellung türkischer abstrakter, konkreter und konzeptueller Kunst in der Schweiz - mit Werken aus über 60 Jahren.

Ursprünglich war nur eine kleinere Einzelausstellung des türkischen Künstlers Ekrem Yalçindağ geplant. Als die Kuratorin Dorothea Strauss den Künstler in Instanbul traf, um Einzelheiten der Ausstellung zu besprechen, entdeckte sie, dass sich in der Türkei seit einigen Jahren eine ganz besondere, vitale und inspirierende Kunstszene etabliert hat. Viele junge Künstlerinnen und Künstler ziehen aus anderen türkischen Städten nach Istanbul, es entstehen neue Galerien, überall entdeckt man neue Art Spaces; Istanbul ist die Stadt, in der alles zu passieren scheint, Istanbul ist eine heisse Stelle, ein Brennpunkt, ein Hot Spot eben. Daraus entstand das Konzept für eine viel umfangreichere Ausstellung, welche die Entwicklung der türkischen abstrakt-konkreten Malerei seit Ende der 1940er Jahre zeigt und ihre Auswirkungen auf eine junge Künstlergeneration, die weit vernetzt in der ganzen Welt tätig ist.

Die Ausstellung ist in enger Zusammenarbeit mit den beteiligten KünstlerInnen erarbeitet worden, einige Werke wurden direkt für die Ausstellung konzipiert.
So begegnet man in der ersten Halle im Erdgeschoss als erstes einer begehbaren Rauminstallation von Cal Altay, in der Werke seit den späten 1940er Jahre zu sehen sind, zusammen mit einigen ausgewählten Arbeiten von grossen Namen aus der Schweizer konstruktiven und konkreten Kunst wie z.B. Max Bill, Verena Loewensberg und Richard Paul Lohse.

Cal Altay "It's not Istanbul, it's you"
Einige Werke wurden speziell gehängt und positioniert, um neue Sichtweisen zu ermöglichen. Lässt man sich auf die begehbare Installation ein, kann man auf spielerische Weise vieles entdecken.

Die Ausstellung zeigt über 80 Werke von 21 Künstlerinnen und Künstlern. Zwei haben mich ganz besonders angesprochen:


Ekrem Yalçindağ


Der Künstler lebt in Berlin und Istanbul. Seine Werke entwickelt er in den beiden dort eingerichteten Ateliers, unterstützt von zahlreichen Assistenten und Assistentinnen, die seine Werke nach präzisen Vorgaben malen. Yalçindağ hat eine eigene Maltechnik entwickelt, bei der die Farbe mit feinstem Pinsel Schicht für Schicht aufgetragen wird, so dass eine reliefartige Struktur entsteht; für mich eine sehr textil anmutende Oberfläche. Ausganspunkt für diese Arbeiten ist eine Untersuchung an Blumenblüten, die dem Künstler eine Sammlung von abstrakten Formen geliefert hat, mit denen seine streng konzipierten Gemälde aufgebaut sind. 


Alle Bilder ohne Titel.
1996-1997, Öl auf Leinwand, 80 x 80 cm
2013, Öl auf Leinwand, 50 x 60 cm
1997, Öl auf Leinwand, 80 x 100 cm








In seinen grossformatigen runden Gemälden (Tondi genannt) lässt sich Yalçindağ von seiner Umwelt inspirieren. Er sammelt die Farben, die er in den Strassen sieht, auf Werbeplakaten, Verpackungen, in Cafés und Restaurants. Er notiert sich Farbkombinationen, die ihn ansprechen und übersetzt diese dann in seine Bilder. 

Ekrem Yalçindağ, "Impressions from the Streets"


Auch diese Werke muten sehr textil an.





Und auch hier verwendet Yalçindağ wieder seine ganz spezielle Technik, um die Farbe aufzutragen, die diese faszinierende Struktur hervorbringt. Sei es in exakter Linienführung 


oder in schwingenden, vibrierenden Linien



 

Ebru Uygun

Die Arbeiten dieser Künstlerin sprechen mich in ihrer Komposition und Ausdruckskraft sehr an, aber sicher auch, weil sie für mich wiederum der textilen Kunst sehr nahe sind. Zuerst bemalt Ebru Uygun Leinwände, die sie dann in Streifen zerreisst und zu neuen Bildern zusammensetzt











Dabei dürfen die Eigenschaften des Material und des Arbeitsprozesses, die herabhängenden Fäden durchaus sichtbar werden und bleiben. 














Für HOT SPOT ISTANBUL hat Ebru Uygun zum ersten Mal zwei wandfüllende Malerei-Installationen realisiert, einmal in Weiss und einmal in Schwarz, die ich aufgrund ihrer Grösse aber leider nicht fotografieren konnte.


Weitere Arbeiten, die mich faszinierten,

sei es weil sie wiederum durch ihre Textur textile Assoziationen wecken 

Ahmet Oran, Ohne Titel, 2013, Öl auf Leinwand, Dyptichon je 250 x 190 cm (Ausschnitt)

Burhan Doğançay, A Wall in Zurich IIAcryl, Collage, Tackerklammern auf Holz auf Leinwand, 114 x 146 cm


Nejat Sati, Ohne Titel, 2012, Öl auf Leinwand 


Nejat Sati, Ohne Titel, 2012 (li), 2013 (re), Öl auf Leinwand

einfach witzig sind


Arslan Sükan, Ohne Titel (252 Volt), 168 AA Batterien gerahmt

oder von einer packenden Schlichtheit sind, die einem tief berührt, so wie diese Video Arbeit
"Au commencement la tête" von Sarkis,
die auch wieder ungewollt einen brisanten Bezug zur Aktualität aufweist 

Leider versagte hier der Akku meiner Kamera, weshalb die Bildqualität nicht optimal ist


In vielen Museen ist es heute erlaubt (ohne blitz und ohne Stativ) zu fotografieren. Was einem ermöglich nicht nur bildliche Erinnerungen mitzunehmen, sondern mit den ausgestellten Werken 


Seyun Topuz, Ohne Titel, 1987 - 2012, Fiberglas, Eisen, 175 x 150 x 118 cm
selbst gestalterisch zu spielen.




und eigene Bildkompositionen zu schaffen, die durchaus Ausgangslage für einen eigenen Entwurf sein könnten. Eine "Hommage à".

Eine weitere Kostbarkeit der Ausstellung sind die Fotographien von Pari Dukovic, die beinahe nebenbei in den Gängen zwischen den einzelnen Stockwerken ausgestellt sind. Dukovic hat im Auftrag des Museums Haus Konstruktiv, die ausstellenden Künstler in Instanbul porträtiert,. Von jenen, die er nicht treffen konnte, hat er ein bereits bestehendes Porträt in einem neuen Kontext inszeniert..



     Pari Dukovic, Porträt Mübin Orhon                           Canan Tolon,                                 Ebru Uygun                                       
Renée Levi                                         Sarkis

Zum Schluss erhielt die Ausstellung doch noch einen Bezug zur Aktualität. Ohne Rücksprache mit der Kuratorin oder der Museumsleitung, sprayte Can Altay seine Solidarität mit den Demonstranten in Istanbul auf die Wand seiner Rauminstallation 




In diesem Kontext konnte dieses politische Statement im Rahmen einer kunsthistorischen Ausstellung durchaus belassen werden.


Ich fordere meine Kursteilnehmerinnen immer wieder auf, nicht nur Quilt Ausstellungen zu besuchen, sondern auch Kunst-Ausstellungen. Die Auseinandersetzung mit einer anderen Bildsprache, einem anderem Medium, einer anderen Sicht- und Herangehensweise ist immer inspirierend. Die Frage "Was gefällt mir besonders an diesen Werken und warum?", oder "Warum sprechen mich diese Arbeiten nicht an?" ist lehrreich und bringt auch Erkenntnisse für das eigene Schaffen.


Ich hoffe in Ihnen, liebe LeserInnen, mit diesem kleinen, alles andere als vollständigen, Rundgang, die Lust auf diese oder eine andere Kunstausstellung, geweckt zu haben.




Quelle: Ausstellungstext Museum Haus Konstruktiv

2 Kommentare:

  1. Das ist ein absolut toller und sehr informativer Bericht liebe Cécile, schade daß Zürich so weit weg ist von hier, der badischen Bergstraße... diese Ausstellung hätte ich gerne gesehen; der gesamte Blog ist phantastisch und "extraordinaire", dem ganzen Team ein großes Lob!

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  2. Yvonne Türler7. Juli 2013 um 22:58

    Liebe Cécile, gratuliere Dir zum Blog im Allgemeinen und zum Beitrag über die "Hot Spot Istabul" Ausstellung im Speziellen! Yvonne Türler

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