Freitag, 30. März 2018

Recycling – Repurposing – Umwandeln


von Grietje van der Veen

Das kennt ihr sicher auch: Irgendwann überlegt man sich, ob das, was man schon seit Jahren tut, überhaupt sinnvoll ist. Sollte man weitermachen oder das Ruder umwerfen? Ich war mehrmals in einer solchen Situation. So, als ich als Hausfrau und Mutter die Idee hatte, die Matura (das Abitur) nachzuholen. 3,5 Jahre hat es gedauert und regelmässig hatte ich das Gefühl, es sei sinnlos, was ich tue. Vor allem, wenn ich versuchte, Physik zu verstehen.  z.B. Fragen wie "Was ist der Unterschied zwischen Gewicht und Masse" haben mich verzeifeln lassen, denn ich verstand nur Bahnhof. Und Geometrieaufgaben in der Freizeit zu lösen ist auch nicht gerade das, was einem Spass macht. Aber dann kam unweigerlich die Überlegung: was könnte ich denn sonst machen? Da gab es nur die Antwort: Was ich tue ist alternativlos, also weitermachen.

So geht es auch mit dem Arbeiten mit Textil. Ich kann mir nichts anderes vorstellen. Sogar, wenn mir die Fantasie für etwas Neues fehlt, mache ich etwas, wovon ich eigentlich noch gar nicht weiss, wohin das führen soll. So fing ich vor über 10 Jahren an, Stoffstreifen mit Garnen zu umwickeln. Danach wurde alles mit Schnur, Garn, Bast oder Stoff umwickelt, was lang und dünn war. Eine ideale Beschäftigung, wenn man viele Reste hat. So sind Werke entstanden, die zum Teil international ausgestellt und auch verkauft wurden.
Erster Versuch: umwickelte Stoffstreifen auf gewebten Stoffstreifen

Loveletteres to P.
Wiederverwertetes Futter einer Wanderjacke und ausgediente Kopfkissen, dekoriert mit gerollten umwickelten Stoffstreifen


Eine solche Arbeit wurde gerade an der „12th International Biennial of Contemporary Textile Art „Scythia“, Ivano-Frankivs’k, Ukraine“ angenommen und wird vom 29. Mai bis 15. Juni dort ausgestellt.Auch dieses Werk war früher Teil eines anderen.
Migration
Migration, Detail

Ein ganzer Korb voll mit verschiedenen "Röllchen"

Natürlich recycle ich auch die umwickelten Stoffstreifen, die schon mal eine Bestimmung erhalten hatten. Obwohl „Recyclen“ nicht das richtige Wort ist, denn ich verändere die Grundstoffe ja nicht. Es wird neuerdings der englische Ausdruck „Repurpose“ (einem neuen Zweck zuführen) verwendet, was ich sehr treffend finde, wenn es nicht Denglisch wäre. Also benenne ich die neuen Sachen mal als umgewandelt. Die Stoffröllchen vom Untergrund zu lösen war recht arbeitsaufwändig, aber da bin ich inzwischen durch.


Abgetrennte "Röllchen"
 

Das sind die Originale: "Lamelli bracchia"

Neuerdings wandele ich Wandbehänge in dreidimensionale Gegenstände um, bis jetzt hauptsächlich Bäume. Es braucht dann allerdings eine Erweiterung. Sonst wären die Bäumstümpfe gar mickrig.


Baumrinde IV
Baumrinde IV habe ich in einen 3-dimensionalen Baumstumpf verwandelt

 
Auch diese zwei Baumstümpfe waren früher Wanndbilder

"Spirale". Besticketer Filzstreifen mit Birkenrinde

Diese Methode ist auch von Erfolg gekrönt. Das Museum für Urgeschichte(n) in Zug hat mich angefragt, ob ich die Baumstümpfe Anfang September 2018 im Museum ausstellen möchte. Eine grosse Ehre, die mich sehr gefreut hat.

Ich habe noch einiges im Petto mit den Umwickelten Stoffstreifen, aber hier bin ich noch im Anfangsstadium und möchte daher noch nicht soviel darüber erzählen oder zeigen.

Während der langjährigen Beschäftigung mit dem Textilen stehe ich immer wieder vor einem Scheideweg. Welchen Weg man nimmt ist immer ein Risiko. Vielleicht ist die gewählte Richtung auch nur ein Umweg und führt wieder zum Ursprung zurück. Die Zukunft wird es zeigen




Mittwoch, 28. März 2018

Freitag, 23. März 2018

Textiles in Bundesstaat Chiapas im Süden Mexiko




von Isabelle Wiessler

Letzte Woche hat Bea über Frida Khalo berichtet – wir bleiben in Mexiko!

Ich war im Februar beim 10. Patchwork Festival in Mexiko City als ausstellende Künstlerin und Kursleiterin eingeladen. Ich werde später darüber berichten.

Wir sind danach in die südliche Richtung weitergereist, dort, wo das Textile einen hohen Stellenwert hat. Heute möchte ich über die verschiedene Textilien in und um San Cristobal de la Casa berichten. San Cristobal ist eine historisch bedeutsame Kolonialstadt und liegt auf 2.100 Meter zwischen pinienbewaldete Berge im Bundesstaat Chiapas mit dem größten Indigenen Bevölkerungsanteil in Mexiko.




Dort wird immer noch sehr viel gewebt und gestickt. Ich denke, weil die Frauen hauptsächlich in den umliegenden Dörfer sich mit ihren Trachten kleiden, aber auch durch die Kaufkraft und das Interesse der Touristen. Es sind im Ort zwei Kunsthandwerk Märkte und dann noch unzählige Kunsthandwerk Geschäfte. Zudem laufen viele Indiofrauen mit ihren Kindern herum und versuchen einiges an den Mann zu bringen. Die Frage ist nur: was wird tatsächlich dort hergestellt und was kommt aus China?!



Anhand der verschiedenen Trachten, Farben und Webmuster kann erkannt werden, aus welchem Dorf die Frauen stammen. Ich war selbst in zwei Dörfer um San Cristobal: Chamula und Zinacantàn. Diese zwei Dörfer liegen nur ein paar Kilometer auseinander, aber die Frauen sind vollkommen anders angezogen.

Chamula ist ein 4.000 Einwohner großes Dorf und das religiöse Zentrum für die dort lebende Tzotziles. Chamula-Frauen tragen schwarze gefilzte Röcke, blaue oder weiße Blusen und in ihre langen Zöpfe flechten sie oft bunte Bänder ein. Der Rock wird meistens mit schönen gewebten Bändern zusammengehalten.




Manchmal tragen Sie auch sehr schön „gesmockte“ Blusen.



Die Männer tragen auch manchmal ärmellose Jacken aus roher gesponnener Schafswolle mit Gürtel über eine Hose. Ich habe jedoch nur ein Paar vor dem Kircheneingang stehen gesehen und vermute, dass Männer ihre Tracht eher nur bei Feierlichkeiten tragen.



In Zinacantàn tragen die Frauen blaue Wollröcke, weiße Blusen und darüber gestickte Poncho-Umhänge. Manchmal wird aber einfach die Bluse bestickt.






Andere umliegende Dörfer haben auch noch eigene Trachten.

Es werden auch eigewebte Motive und Ornamente, die meist uralte Maya-Sinnbilder darstellen eigearbeitet, wie auch das Rautenmuster der Frauen von San Andrés.


Ein meiner Highlights in San Cristobal de la Casa war der Besuch des Museums „Na Bolom“ (Haus des Jaguars). Auf dieser großzügigen Anlage mit Garten und Patio lebten der dänische Archäologe Frans Blom (1893-1963) und seine Frau Gertrude Duby-Blom (1901-1993) aus der Schweiz


Na Bolom ist heute eine gemeinnützige Stiftung und ein Maya-Studienzentrum mit Museum und Bibliothek. Das Museum ist voll mit Gebrauchsgegenstände, Schmuck, Fotos und Textilien der Lacandonen, eine indigene Volksgruppe aus Chiapas, den das Ehepaar Blom ihr Lebenswerk widmete. Die Lacandonen lebten und leben tief im Regenwald nah der Grenze zu Guatemala und wurden deshalb von Kolonisierung und Christianisierung weitestgehend verschont. Gertrude Duby-Blom, die bis zu ihrem Lebensende überwiegend in diesem Haus gelebt hat, machte es zu Ihrer Lebensaufgabe das Leben dieses Volkes zu dokumentieren und zu schützen.

Mich haben natürlich vor allem die Textilien interessiert. Diese Arbeiten sind älter, offensichtlich weben die Lacandonen jetzt nicht mehr. Man kann erkennen, wie die gewebten Stoffe einfach zusammengesetzt und reichlich bestickt wurden.




Hier hatte ich den Eindruck, dass der bestickte Stoff zum Teil aus Wolle bestand und sich mit der Zeit verfilzt hat.




Auch Taschen und Netze wurden gewebt bzw. geknotet.


Dieser Ort war für mich magisch. Ich spürte dort gleichzeitig Ruhe und große Kraft, als wenn der Geist von Frans und Trudi Blom über diesen Ort noch schweben würden.

Wenn ihr Interesse habt empfehle ich folgende Website:

https://www.nabolom.org/ (leider nur in Spanisch)

http://nabolom.ch/ Ich bin bei meinen Recherchen auf diese Seite gestoßen über ein Schweizer Kulturverein, der sich zum Ziel gesetzt hat Trudis Arbeit weiter zu führen.

Ich bin selbst von dieser Frau extrem beeindruckt!

Und wenn ihr in diese Gegend reisen solltet, würde ich euch empfehlen dort zu übernachten und zu essen. Man muss sich für beides voranmelden, was ich nicht wusste, aber unser kleines Mittagessen dort war viel versprechend!



Freitag, 16. März 2018

Frida Khalo


von Bea Bernasconi

Im Museo delle Culture, MUDEC,  in Mailand ist zurzeit (noch bis am 3. Juni) eine Ausstellung mit Frida Khalo’s Werken zu besichtigen.
Frida Khalo
Leider war das Fotografieren nur mit dem Telefon erlaubt und die Lichtverhältnisse waren nicht ideal. Ausserdem hatte es wahnsinnig viele Besucher, was alles noch ein wenig erschwerte. Es waren nicht sehr viel Bilder von Frida ausgestellt, dafür unzählige Briefe, Zeichnungen und Fotografien.

Es ist schwierig eine Ausstellung mit Frida Khalo’s Werken zu organisieren. Zum einen umfasst das Gesamtwerk nur 144 Gemälde, davon sind 55 Selbstbildnisse, zum anderen verfügte ihr Ehemann Diego Rivera, dass die Exponate des Museums Casa Azul in Coyoacán niemals Mexiko verlassen dürfen.

Frida Khalo ist die wohl berühmteste Malerin Mexikos. Sie wurde 1907 in Coyoacán geboren. Schon als kleines Kind hatte sie gesundheitliche Probleme, man spricht zum einen von einer Spina Bifida, aber auch von einer Poliomyelitis (Kinderlähmung). Nichts desto trotz trieb sie als Kind viel Sport und besuchte die «Escuela National Preparatoria», eine der besten mexikanischen Schulen.

Fridas Vater hatte sie zu seinem Lieblingskind erkoren und führte sie in die Kunst des Fotografierens ein. Sie lernt dadurch früh genaues Beobachten.

Am 17 September 1925 erleidet Frida Khalo einen schweren Unfall. Die Malerin wird Ihr ganzes Leben an den Konsequenzen der schwerwiegenden, multiplen Frakturen leiden. Aber entgegen aller medizinischer Prognosen lernt Frida wieder gehen.

Porträt Alicia Galant
Während ihrer langen Bettlägerigkeit fängt Frida an zu malen. Ihr erstes Bild ist das Porträt Ihrer Freundin Alicia Galant.

1929 heiratet sie den 20 Jahre älteren Diego Rivera, damals schon ein weltberühmter Maler, dank seiner politischen Murales.

Unfall, 17. September 1926

Selbstbildnis mit Dornkette, 1940
Infolge des Unfalls erlitt sie mehrere Fehlgeburten. Diego Rivera war ein Frauenheld und hatte andauernd Affären, was Frida vorerst nicht allzu stark zu stören schien. Sie selbst hat vielfache aussereheliche Beziehungen sowohl mit Männern als auch mit Frauen. Die Affäre Diego's mit Ihrer geliebten, jüngeren Schwester Cristina konnte sie aber nicht ertragen. Frida trennt sich 1939 von Diego und lässt sich sogar scheiden, aber ein Jahr später heiraten die beiden wieder. Es scheint so als ob Frida ohne den von ihr abgöttisch geliebten Diego nicht leben kann. Dies kommt auch in Ihren Bildern häufig zum Ausdruck.


Selbstbildnis 1943 (Diego in meinem Kopf)
Wurzeln, 1943
Das Malen wurde für Frida Khalo zum Ausdruck ihrer Qualen, sowohl der körperlichen als auch der seelischen. Sie malte, was in Ihrem Leben und um sie herum passierte. Ihre Bilder geben Gefühle wider, das ist eine Neuigkeit. Frida Kahlo liebt Ihre Heimat und ist ihr sehr verbunden und drückt dies auch in Ihren Bildern immer wieder deutlich aus.


Atombombe, 1951
Drei wichtige Ausstellungen waren ihr gewidmet: 1938 in New York, 1939 in Paris. Erst 1953 wurden ihre Werke erstmals in einer Einzelausstellung in ihrer Heimat gezeigt, eine Anerkennung, die sie sich schon lange gewünscht hatte.

Ihre Bilder haben für mich eine starke Ähnlichkeit mit denjenigen von Salvador Dalí, aber auch mit «Ex voto» Bildern. «Ex voto» sind Bilder die der Kirche oder einem Heiligen offeriert wurden als Fürbitte oder als Dank. Sie beinhalten in bildlicher Form die Bitte oder den Dank für etwas das jemandem wiederfahren ist und enthalten immer auch schriftliche Mitteilungen. Dies kommt sehr häufig auch in Frida Khalo’s Bildern vor.

Die Malerin starb 1954, erst 47-jährig, offiziell an einer Lungenembolie, Freunde schlossen aber einen Selbstmord nicht aus.

Zu Lebzeiten stand Frida immer im Schatten ihres Ehemannes Diego Rivera. Nach ihrem Tod war es lange Zeit still um sie, bis sie zu Beginn der 70er Jahre während der Frauenbewegung wiederentdeckt wurde. Seitdem gab es zahlreiche Ausstellungen und ihre Popularität ist stetig steigend.