Wie ist es zu Ihrem Konzept living-fabric gekommen?
Seit 2009 habe ich verschiedene Male mit Ekta Parishad, einer indischen Menschenrechtsorganisation zusammengearbeitet. Vor etwa 1 1/2 Jahren haben wir uns getroffen und sie haben von ihrer großen Menschenrechtskonferenz 2020 in Genf erzählt. Da ist dann die Idee entstanden ein weiteres künstlerisches Projekt dafür zu entwickeln.
Seit wann führen Sie es durch?
Ich habe mir viel Zeit genommen dieses Projekt zu entwickeln. Etwa ein Jahr lang habe ich unzählige Versuche umgesetzt und das Projekt für mich inhaltlich und künstlerisch so entwickelt, damit ich alle Ebenen, die mir wichtig sind, integrieren kann. Im Frühling 2016 habe ich es mit 40 Kindern aus der Asylunterkunft das erste Mal durchgeführt. Die Kinder waren zwischen 3 und 16 Jahre alt. Ein weiteres Projekt habe ich mit Familien durchgeführt und an einem weiteren waren vor allem Frauen beteiligt. Es ist mir wichtig, dass das Konzept sehr breit funktioniert und offen ist für alle Altersgruppen, Nationen usw.
Wie wird ein solches Projekt geplant?
Es gibt in solchen Projekten verschiedenen Phasen. In der Entwicklungsphase arbeite ich viele Stunden alleine daran. Danach muss es nach außen getragen werden. Auf der einen Seite die partizipierenden Aktionen und anderseits auch die Ausstellungen der Installation. Das gesamte Projekt ist sehr komplex und verflochten. Wir werden jetzt eine Finanzierung auf die Beine stellen müssen, das ist immer ein sehr aufwendiger Teil von solchen Projekten.
Können Gruppen auf Sie zukommen, mit der Bitte um eine Zusammenarbeit, oder suchen Sie sich die Gruppen, Orte, oder Veranstaltungen aus?
Gruppen können auf jeden Fall auf mich zukommen. Es ist ein sehr offenes Konzept. Die Idee ist, dass sich bis 2020 etwa 100 Orte und sicher 1000 Personen daran beteiligen, aus möglichst vielen Nationen, Altersgruppen, Frauen und Männer, usw. Es wird darüber eine Statistik geführt und auch eine Videodokumentation entstehen. Das ist ein wichtiger Teil der Arbeit.
Woher kommen die Kleidungsstücke, die in diesen Werken verarbeitet werden?
Die Kleider bekomme ich geschenkt. Die Kleider, die mitgebracht werden kommen in einen Pool. Das war früher ein normaler Vorgang. Kleider wurden gesammelt und wiederverwertet, bis zu den Flickenteppichen. Daran knüpfe ich an. Ein anderer Aspekt sind die Lebensspuren in den gebrauchten Kleidern. Beim Verarbeiten werden oft Geschichten erzählt über die Kleider. Es sollen etwa 10'000 Kleidungsstücke zusammenkommen. Es soll auch auf die absurde Situation in der Kleiderindustrie aufmerksam machen. In diesen Textilien sehen wir die Arbeit nicht mehr, weil sie für uns keinen Wert mehr haben.
Wie lange dauert eine solche Aktion?
Das kann sehr unterschiedlich sein und richtet sich nach dem Ort. Bei Aktionen mit Erwachsenen steht das Zusammensein im Zentrum. Es gibt heute kaum noch Arbeiten, die man gemeinsam macht, wo man zusammen ist, erzählt, usw.
Mit Kindern, auch in Schulen kann es auch eine ganze Woche sein. Da geht es um die spielerische Umsetzung und um das Verständnis woher unsere Kleider kommen und wer sie gemacht hat usw.
Welche Erfahrung haben Sie mit der Reaktion der "Mitarbeiterinnen"?
Viele freuen sich endlich wieder mal etwas von Hand zu machen. Es gibt Scheren, Garn, Nadeln, Stoffe, gebrauchte Kleider, Hocker, die ich zur Verfügung stelle. Der gestickte Teppich auf dem wir zusammen sticken, darf nur ohne Schuhe betreten werden. Jeder kann sich daran beteiligen. Man kann an angefangen Teilen weiter arbeiten, oder etwas Neues anfangen. Jeder bringt sich so ein, wie es möglich ist. Bei kleinen Kindern steht oft das Schneiden im Mittelpunkt. Zentral ist auch die haptische Erfahrung mit elementaren Kulturtechniken, nicht nur für Kinder.
Welche Reaktionen erfahren Sie von Seiten der Aussenstehenden?
Männer tun sich schwerer sich aktiv darauf einzulassen. Da sind immer noch diese stereotypen Bilder im Kopf. Sie sind dann eher die Beobachtenden. Das Projekt ist bewusst sehr offen gehalten, es soll jeder in der eigenen Form teilnehmen können. Beobachten kann auch eine Form der Anteilnahme sein. Das Projekt löst bei vielen auch Freude aus. Von Hand sticken ist ein sehr langwieriger Prozess und oft sagen Leute sie würden ja gerne teilnehmen, haben aber leider keine Zeit.
Was passiert mit den entstandenen Werken?
Nach den Aktionen bleiben die Teile im Pool. Jemand anders kann daran weitersticken. Nach jeder Aktion nehme ich Teile heraus, ergänze sie und verarbeite sie zu den Teppichobjekten, die zusammen eine grosse Installation bilden. Das Verarbeiten bis zur Versiegelung ist nochmals ein sehr aufwendiger Prozess. Aus etwa 10 Stunden Partizipation entsteht ein Teppichobjekt. Für die Nachbearbeitung brauche ich etwa 80 – 100 Stunden, je nach Grösse des Objekts. Am Ende werden in der Installation 10'000 Stunden Arbeit vereint sein. Die unregelmässigen Stiche machen die Arbeit, die dahinter steht, sichtbar.
Die Installation wird 2018 in Delhi (noch nicht im vollen Umfang) und 2020 in Genf zu den Human-Rights-konferenzen ausgestellt werden. Sie sollen ohne Schuhe begehbar sein, so dass man in einer Aufsicht die Geschichten der Kleider, der Sticker usw. wahrnehmen kann.
Hat sich das Projekt im Laufe der Zeit verändert? Wenn ja in welche Richtung?
Es ist sehr gewachsen und es kamen neue Aspekte dazu. Das Video wird eine wichtige Ebene sein im ganzen Prozess. Wir planen auch eine Publikation darüber zu machen.
Die Dimension war nicht von Anfang an in diesem Umfang geplant. Das Projekt hat sich bei der Erarbeitung so entwickelt. Der zeitliche Aufwand wird für mich sehr gross sein. Ich bin sehr gespannt, was alles noch dazu kommt im Laufe des Prozesses. Ich werde nächstes Jahr für einige Zeit auch Indien daran arbeiten.
Human-Rights machen nur Sinn wenn sie für jedermann gelten. Wenn wir etwas verändern wollen auf der Welt, dann geht das nur zusammen. Auf dieser Teppichinstallation werden 1000 Sticker aus vielleicht 100 Nationen und 10'000 Kleider mit all den Spuren der Träger, der Hersteller usw, unzähligen Beobachter der Aktionen und 10'000 Stunden Arbeit versammelt sein.
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