von Grietje van der Veen
Vor ca. zwei Jahren las ich erstmals von einer Künstlerin, die im Alter von 80+ ihr erstes Bild verkaufen konnte. Nicht, dass sie erst vor Kurzem zu malen angefangen hätte. Nein, sie hatte eine normale künstlerische Ausbildung in jungen Jahren genossen, konnte auch in vielen Galerien ausstellen. Nur der internationale Durchbruch liess auf sich warten.
Seither stosse ich immer wieder auf ähnliche Geschichten. Mein Blick ist geschärft. Ich habe mich entschlossen, die Ausstellungen dieser Frauen zu besuchen, wann immer es mir möglich ist, und ihnen einen Blogbeitrag zu widmen.
Ich beginne mit der letzten Entdeckung, deren Werke bis vor kurzem im Zentrum Paul Klee ausgestellt wurden: ETEL ADNAN.
Etel Adnan wird 1925 in Beirut, im Französisch besetzen Libanon geboren. Ihr Vater ist ein muslimischer Syrer, ihre Mutter eine griechische Christin aus der Türkei. Etel wächst somit mehrsprachig auf und spricht seit ihrer Jugend fliessend Griechisch, Türkisch (zuhause) und Französisch (in der Schule). Auf Anregung des Vaters beginnt sie auch Arabisch zu lernen, eine Sprache, die sie tagtäglich auf der Strasse hört. Vor allem die arabische Schrift fasziniert sie.
Wie viele Leute, die bi- oder multilingual aufwachsen, interessiert sie sich sehr für Sprache(n). Schon früh schreibt sie Gedichte. 1949 erhält sie eine Stipendium für ein Philosophie-Studium an der Sorbonne in Paris. Viele Museumsbesuche wecken ihre Faszination für die Malerei.
Sechs Jahre später geht sie nach Berkeley, Kalifornien, und bereitet sich dort auf ihre Doktorarbeit in Ästhetik vor. Sie verliebt sich die englische Sprache. 1958 wird sie Dozentin am Domincan College of San Rafael und lässt sich in Sausalito, nördlich von San Fransisco nieder. Von ihrer Wohnung hat sie einen einen direkten Blick auf den Mount Tamalpais, ein Berg, der sie jahrelang fesselt. In unendlichen Variationen malt sie ihren Lieblingsberg. In einem TV-Interview sagt sie, die Begegnung mit dem Berg sei für sie die wichtigste in ihrem Leben.
In diesem Leporello vereinen sich Etel Adnans Liebe zur Sprache und zur Malerei. Jahrelang kreiert sie unzählige Leporellos, der Beginn einer Symbiose zwischen Schrift und Malerei. 1964 lernt sie das Werk von Paul Klee kennen und verliebt sich unsterblich in dessen Malweise. Sie befasst sich intensiv mit seiner Linienführung und Farbwahl.
1966 bereist Etel Adnan die nordafrikanischen Länder und lernt in Ägypten Ramses Wissa Wassef kennen. In seinem Art Center werden junge Leute aus der Umgebung in die Kunst des Webens unterrichtet. Danach weben sie Tapisserien ohne vorher auch nur eine einzige Zeichnung gemacht zu haben. Gewebt wird nur aus dem Gedächtnis.
Und schon entdeckt Etel Adnan ein weiteres Feld für ihren künstlerischen Werdegang. Sobald sie von ihrer Reise zurückkommt, schickt sie einem tunesischen Weber die Entwürfe für zwei Webstücke, die er auch ausführt. Der Beginn einer neuen Aera. Bald aber wechselt Etel Adnan zu Hal Painter, einem Weber in San Fransisco, der von da an ihre Entwürfe webt.
Etel Adnan hat noch unzählige Tapisserie-Entwürfe in der Schublade, die auf eine Realisierung warten.
Etel Adnan nimmt auch politisch Stellung. 1972 kehrt sie aus gesundheitlichen Gründen nach Beirut zurück, wo drei Jahre später ein grausamer Krieg ausbricht. 1978 schreibt sie einen Roman, der diesen Krieg im Libanon thematisiert. Sie erhält dafür den Amitié Franco-Arabe-Preis, erhält aber viele Todesdrohungen, infolge dessen sie den Libanon für immer verlässt.
In den letzten Jahren stellt Etel Adnan immer öfter ihre Werke aus. Nach ihrer Teilnahme an der 13. dOCUMENTA in Kassel. gilt sie als Shooting Star. Da ist sie 87 Jahre alt!
Für Etel Adnan kommt der Ruhm spät, doch wie sagt sie selbst? «Ich mag mein Alter nicht zum Thema machen. Viele Künstlerinnen wurden erst spät entdeckt.» (Zitat nach der BZ Berner Zeitung vom 15.06.2018.
Bilder mit Zustimmung des Zentrums Paul Klee aufgenommen.
Text-Quelle: "Etel Adnan", Ausstellungskatalog, Mai 2018, ISBN: 978 2 37372 060 0
Vor ca. zwei Jahren las ich erstmals von einer Künstlerin, die im Alter von 80+ ihr erstes Bild verkaufen konnte. Nicht, dass sie erst vor Kurzem zu malen angefangen hätte. Nein, sie hatte eine normale künstlerische Ausbildung in jungen Jahren genossen, konnte auch in vielen Galerien ausstellen. Nur der internationale Durchbruch liess auf sich warten.
Seither stosse ich immer wieder auf ähnliche Geschichten. Mein Blick ist geschärft. Ich habe mich entschlossen, die Ausstellungen dieser Frauen zu besuchen, wann immer es mir möglich ist, und ihnen einen Blogbeitrag zu widmen.
Ich beginne mit der letzten Entdeckung, deren Werke bis vor kurzem im Zentrum Paul Klee ausgestellt wurden: ETEL ADNAN.
Etel Adnan wird 1925 in Beirut, im Französisch besetzen Libanon geboren. Ihr Vater ist ein muslimischer Syrer, ihre Mutter eine griechische Christin aus der Türkei. Etel wächst somit mehrsprachig auf und spricht seit ihrer Jugend fliessend Griechisch, Türkisch (zuhause) und Französisch (in der Schule). Auf Anregung des Vaters beginnt sie auch Arabisch zu lernen, eine Sprache, die sie tagtäglich auf der Strasse hört. Vor allem die arabische Schrift fasziniert sie.
Wie viele Leute, die bi- oder multilingual aufwachsen, interessiert sie sich sehr für Sprache(n). Schon früh schreibt sie Gedichte. 1949 erhält sie eine Stipendium für ein Philosophie-Studium an der Sorbonne in Paris. Viele Museumsbesuche wecken ihre Faszination für die Malerei.
Sechs Jahre später geht sie nach Berkeley, Kalifornien, und bereitet sich dort auf ihre Doktorarbeit in Ästhetik vor. Sie verliebt sich die englische Sprache. 1958 wird sie Dozentin am Domincan College of San Rafael und lässt sich in Sausalito, nördlich von San Fransisco nieder. Von ihrer Wohnung hat sie einen einen direkten Blick auf den Mount Tamalpais, ein Berg, der sie jahrelang fesselt. In unendlichen Variationen malt sie ihren Lieblingsberg. In einem TV-Interview sagt sie, die Begegnung mit dem Berg sei für sie die wichtigste in ihrem Leben.
Rhila ila Jabal Tamalpais (Detail), Leporello. Gedicht von Etel Adnan, übersetzt ins Arabische, 30 x 567 cm |
Eines ihrer Bilder des Mount Tamalpais |
Hier ein farbiges Bild vom gleichen Sujet |
Leporello, New York 1990 |
Leporello, ohne Titel, Bleistift und Wasserfarbe auf Papier |
Ramses Wissa Wassef Art Center: The Gardener, 1960 |
Sunny Swamp, 2017, Tapisserie, Wolle,177 x 220 cm |
Sunny Swamp, 2017, Detail-1 |
|
Traveler, 2016, Tapisserie, 137 x 192 cm |
Untitled, ca. 1980, oil on canvas |
Asian Point, 2015, Tapisserie, 180 x 200 cm |
Duo Ensooleillé, 2016, Tapisserie, 209 x 230 cm |
The Departure (die Abreise), 2013, Tapisserie, 165 x 200 cm |
Foret automnale, 1960s/2015, Tapisserie, keine Grössenangaben |
The Departure (die Abreise), 2013, Detail |
Asian Point, 2015, Detail |
Duo Ensooleillé, 2016, Detail |
Blick in den Ausstellungsraum Zentrum Paul Klee.Tapisserien auf einem Podest und an der Wand |
Etel Adnan nimmt auch politisch Stellung. 1972 kehrt sie aus gesundheitlichen Gründen nach Beirut zurück, wo drei Jahre später ein grausamer Krieg ausbricht. 1978 schreibt sie einen Roman, der diesen Krieg im Libanon thematisiert. Sie erhält dafür den Amitié Franco-Arabe-Preis, erhält aber viele Todesdrohungen, infolge dessen sie den Libanon für immer verlässt.
In den letzten Jahren stellt Etel Adnan immer öfter ihre Werke aus. Nach ihrer Teilnahme an der 13. dOCUMENTA in Kassel. gilt sie als Shooting Star. Da ist sie 87 Jahre alt!
Für Etel Adnan kommt der Ruhm spät, doch wie sagt sie selbst? «Ich mag mein Alter nicht zum Thema machen. Viele Künstlerinnen wurden erst spät entdeckt.» (Zitat nach der BZ Berner Zeitung vom 15.06.2018.
Bilder mit Zustimmung des Zentrums Paul Klee aufgenommen.
Text-Quelle: "Etel Adnan", Ausstellungskatalog, Mai 2018, ISBN: 978 2 37372 060 0