Freitag, 22. Juni 2018

Flowers from the Nile

 

Oder: wie entsteht Kunst ohne jegliche Beeinflussung

von Grietje van der Veen

Letzten Montag besuchten Bea, Ursula und ich gemeinsam den Kulturort Garnlager in Lyssach, um eine sehr interessante Ausstellung zu besichtigen. Schon vor etlichen Wochen hat Bea an dieser Stelle über eine Ausstellung dort berichtet. Jetzt waren es Webarbeiten aus Ägypten unter dem Titel „Flowers from the Nile“.


Oben:" The Garden" 2017, Mrs HanemAbd El Hay

Unten "Wild Flwoers" 2017 ; 33 x 49 cm, Mr. Abd El Chaly Chaaban
Hoopoes, 2017, 50 x 33 cm; Mrs Gyhan Rizsk
Faszinierend an der Entstehungsgeschichte dieser Wandbilder ist die Absicht, die dahintersteckt.

Der ägyptische Architekt Ramses Wissa Wassef (1911-74) liebte es als junger Mann, durch die historischen Stadtteile von Kairo zu streifen. Vor allem die Handwerkerviertel hatten es ihm angetan. Ihm fiel auf, dass die mittelalterlichen Handarbeiter viel kreativer waren als diejenigen der 1930er Jahre, die offensichtlich neue Impulse nicht umsetzen konnten. Ramses war davon überzeugt, dass jeder Mensch künstlerische Fähigkeiten hat. Jedoch nur wenn diese Fähigkeiten durch nichts behindert werden, könnten sie sich voll entfalten.

1941 erhielt er den Auftrag eine Grundschule zu erbauen. Er bat die Auftraggeber um die Erlaubnis, den Kindern nach der Schule das Weben beizubringen. Das wurde ihm für einige Jahre gestattet. Dann aber lief das Experiment aus.

So nahmen Ramses Wissa Wassef und seine Frau Sophie das Heft selber in die Hand und kauften 1951 ein Stück Land in Harrania, in der Nähe der Pyramiden von Gizeh. Sie machten mit einigen acht- bis zehnjährigen Kindern Ausflüge auf Land, besuchten die Ufern des Nils und die Wüste, gingen in den Zoo und schärften ihnen ein, alles gut zu beobachten. Die unzähligen Bilder in den Köpfen der Kinder manifestierten sich nach und nach auf den Webstühlen. Nach einigen Jahren waren sie so weit, dass Ausstellungen organisiert werden konnten.

Nach dem Tod von Ramses übernahmen seine Frau, die Töchter Yoanna und Suzanna sowie deren Ehemann Ikram Noshi sein Werk.

Hoopoes, 2017, 46 x 34 cm; Mr. Abd El Chaly Chaaban
Birds enjoying the Pond, 2017, 43 x 26 cm; Mrs Hanem Abd El Hay
Drei Regeln stellte Ramses auf, die während des ganzen Arbeitsprozesses streng eingehalten wurden:

1. Keine Zeichnungen oder Skizzen. Gemäss Ramses bedeutete das Anfertigen einer Skizze eine Aufteilung des schöpferischen Aktes. Seines Erachtens leistet die Zeichnung nicht den gleichen Widerstand wie das Material des Werkstoffs. Das schöpferische Potential liegt nur im Werkstoff selbst.

2. Keine ästhetischen Einflüsse von aussen. Die Kinder kamen nie in Kontakt mit anderen Kunstwerken weder in Museen noch in anderen Werkstätten, denn es gab ja keine Webetradition in Harrania. Sie sollten völlig unbedarft an ihre Kreationen rangehen.

3. Keine Kritik oder Einmischung von Seiten der Erwachsenen. Ein Kind kann sich nicht gegen Kritik von Erwachsenen wehren. Wird die Einmischung zu gross, verliert es jede Lust daran, sich auszudrücken.



"Small Creatures", 2017, 45 x 36 cm, Mrs Halawa Mohamed


"Spring", 2017, 33 x 57 cm, Mrs Nadra Abdallah

Foxes inn the Garden, 2017, 59 x 40 cm, Ms Harbeya Ali
"Goats", 2016, 59 x 39 cm, Mr. Saiid Chaabon


"Fish", 2017, 41 x 26 cm, Mr. Mandouh Farag

"Puzzle ", 2017, 38 x 30 cm, Mr. Said Chaaban
"Sunflowers and Maze", 2016, 125 x 165 cm, Ms Basima Mohamed
"Toffla Bush", 2015, 94 x 142 cm,  Ms Basima Mohamed

Die Künstlerinnen und Künstler

1. Wollwebereien standen vom Anfang an im Zentrum des Interesses

2. Baumwollwebereien. 1962 führte Ramses Wissa Wassef das Weben von feinen Baumwollstoffen auf Flachwebstühlen ein. Die feinen Fäden werden mit pflanzlichen Farbstoffen vorgefärbt

3. Batik. Drei Jahre später wurde die Technik der Batik eingeführt, die eine neue Qualität von Stoffen für Tischwäsche, Möbelstoffe und Wandbehänge erlaubt. Auch hier gibt es keine Vorzeichnungen. Die ganze Planung geschieht im Kopf. Die Tochter Yoanna ist für die Batikarbeiten der Werkstätten verantwortlich.




"Geese and Banana Trees", 2016, 121 x 105 cm, Ms Soraya Hassan

"Garden Flowers", 2016, 135 x 161 cm, Ms Nagah Sayed
"Pigeons", 2017, 110 x 95 cm, Ms Mona Seliem
"Corals and Fish", 2018, 139 x 130 cm, Ms Nagla Farouk


In den Werkstätten wird auch heute noch gewebt – in der dritten und vierten Generation. Voraussetzungen sind nach wie vor die obengenannten drei Grundregeln.

"Living Creatures", 2017, 41 x 28 cm, Mrs. Nadra Abdallah

"Cats", 2017, 47 x 31 cm, Mr. Saiid Chaaban

"Yucca and Flowers", 2017, 106 x 154, Ms Basima Mohamed

Die Ausstellung kann noch bis zum 19. August 2018 besucht werden.

Interessante Links:

http://www.wissawassef.com

http://www.wissa-wassef-arts.com/intro.htm

www.garnlager.ch

 
















































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