Freitag, 9. September 2016

"Quinary" am Festival of Quilts, Birmingham

von Grietje van der Veen


Das Festival of Quilts ist nichts für Leute, die ihre Ruhe suchen. Die Eindrücke stürmen auf einen ein und (fast) nirgends findet man ein Plätzchen, wo man sich zurückziehen kann. Deshalb bin ich seit einigen Jahren immer auf der Suche nach einer Ausstellung, die Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt.

Diesmal habe ich sie gefunden bei «Quinary», eine Gruppe von fünf Künstlerinnen: Val Cross, Marilyn Hall, Caroline Hibbs, Denise Jones und Jean Kirk. Val Cross starb Anfang dieses Jahres. Ihre Werke sind aber in der Ausstellung vertreten.

Das Thema der Ausstellung ist «Locating». Das englische Verb «to locate» heisst auf Deutsch «örtlich festlegen». Das Partizip Präsens «locating» (örtlich festlegend) hingegen deutet auf ein zusätzliches Zeitverhältnis hin, nämlich die Gleichzeitigkeit (singend stiegen die Mädchen in den Bus).

Die Künstlerinnen haben sich also zum Ziel gesetzt, das Räumliche durch das Zeitliche zu erweitern.

«All the works incorporate a sense of movement, fluidity and change. They engage with our need to map, to search, pause and reflect and are appropriately imagnined in printed, constructed and stitched textile»

(Alle Arbeiten beinhalten ein Gefühl von etwas Fliessendem, von Bewegung und Veränderung. Diese Gefühle lassen sich ein auf unser Bedürfnis, uns festzulegen, zu suchen, inne zu halten und zu reflektieren. Sie offenbaren sich in bedruckten, zusammengefügten und bestickten Textilien.)

Val Cross fand am Strand ein Patchworkkissen, halb unter dem Sand begraben. Die Kissenhülle bestand aus zusammengenähten Baumwoll-Hexagons, das Futter aus einem Polyester-Baumwollgemisch. Wind und Wasser hatten der Baumwolle sehr zugesetzt. Val trennte die Hexagonpatches auf und spannte sie einzeln in ein Eisendrahtgeflecht. So verwandelte sich der praktische Gegenstand in ein vergängliches Gebilde ohne verwendbaren Zweck.


Val Cross: "Locatiing"
Val Cross: "Locatiing"
Marilyn Hall findet ihre Inspiration in der Stadt Stroud, in deren Umgebung im 19. Jahrhundert 140 Fabriken Wollstoffe produzierten. Heute wird dort nicht mehr gesponnen und gewoben, wie überall in Europa. Marilyn kreierte aus Wollstoff eine Installation als Huldigung an die FabrikarbeiterInnen jener Zeit. Jedes einzelne Segment verweist auf eine Fabrik. Sie sind zusammengehalten mit aus dem Stoff gezogenen Fäden, die die ArbeiterInnen repräsentieren. Diese sind ein integraler Bestandteil des Stoffs, denn ohne sie würde es den Stoff nicht geben.



Marilyn Hall: "String of Pearls"
Marilyn Hall: "String of Pearls", Ausschnitt





Caroline Hibbs thematisiert den Schutz, der von den Schichten der Boden- und Felsformationen ausgehen. Sie transformiert diese Schichten in Stoffstücke, die sie übereinanderlegt, zusammennäht und teilweise wieder ausschneidet, um die unteren Schichten sichtbar zu machen. Muster, die sie um sich herum sieht, finden ihren Weg in den geschichteten Stoffen: Strassen, Eisenbahnschienen, Tore, Abfall. Die ausgefransten Nähte verweisen auf unsere Zerbrechlichkeit und unser Bedürfnis nach Schutz.
Caroline Hibbs: "Journeys with Wild Lace", Ausschnitt
Caroline Hibbs: "Journeys with Wild Lace", Ausschnitt
Caroline Hibbs: "Journeys with Wild Lace", Ausschnitt
Caroline Hibbs: "Journeys with Wild Lace", Totale
Caroline Hibbs: "Journeys with Wild Lace", Ausschnitt
Denise Jones untersucht die sich wiederholende Bewegung der Nadel beim Sticken und kommt zu dem Schluss, dass der Stoff sich wie eine symbolische Haut verhält. Nadel und Faden verbinden die Haut mit dem inneren Selbst. Die Haut sieht sie als psychischen Behälter, der uns umhüllt und Gefühle, die wir (noch) nicht zeigen wollen, zurückhält.
Denise Jones "Through"
Denise Jones "Through", Ausschnitt
Jean Kirk erwanderte für ihre Untersuchung einen Teil der „Icknield Way“, einen nationalen Wanderweg (274 km lang). Ihre Eindrücke verarbeitete sie in ihrem Werk „Old Ways“. Sie verwendete afrikanische Baumwolle („tree cotton“), welche zwar nicht nichts mit dem Icknield Way zu tun hat, aber eine Kultur von Wanderungen entlang alter Pfade symbolisiert. Gedruckte Füsse und Pfeile deuten an, dass der Pfad weiterhin benutzt wird. Gemäss Jean tragen wir die Vergangenheit mit uns, wenn wir die alten Pfade bewandern. Eine einen Zentimeter tiefe Falte symbolisiert einen historischen Pfad.

Jane Kirk: "Old Ways", Ausschnitt


Jane Kirk: "Old Ways", Ausschnitt
Jane Kirk: "Old Ways", Ausschnitt

Wenn Sie mehr von der Gruppe erfahren möchten, klicken Sie HIER.

PS: Wenn Sie sich fragen, was Wordless Wednesday mit diesem Beitrag zu tun hat: das Bild zeigt die Aufhängung von Marilyn Halls Werk.

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