Freitag, 5. Dezember 2014

Ragtime


von Grietje van der Veen

Es gibt Wörter in einer Sprache, die nicht in andere Sprachen übersetzt werden können. Jede/r kennt z.B. das Wort „Kindergarten“, das tel quel ins Englische übergegangen ist. Umgekehrt ist aber auch gefahren: Für „Bodger“ oder „Rag Rugger“ gibt es keine Entsprechung im Deutschen. Schlichtweg weil es sich um ein Werkzeug handelt, das im deutschsprachigen Raum unbekannt ist. Mit dem Gerät arbeitet man Stoffstreifen in Jute ein. Sie werden nicht geknüpft, sondern mit dem Haken einfach durch den Stoff gezogen. Weil sie sehr eng eingearbeitet werden, verschieben sich die Streifen nicht.

Diese Methode gibt es nach meinen Recherchen nur in Gross-Britannien, Nord-Amerika und Australien. Auch wir kennen die Verarbeitung von ausgedienten Stoffen zu Teppichen, aber sie werden gewebt, geflochten, gehäkelt oder geknüpft. Sollten Leserinnen weitere Methoden kennen, würde es mich freuen, davon zu hören.

Den Namen „Ragtime“ habe ich für meinen neuesten Workshop gewählt, den ich an Lehrpersonen für textiles Gestalten gebe. Die Verbindung „Rag (Lappen, Lumpen, zerrissen) und „time“ (Zeit) steht bekanntlich für eine eine afro-amerikanische Musikrichtung, die in der gleichen Zeit wie die die rag rugs ihre Blütezeit hatte.

Den Bodger, oder auch Rag Rugger genannt, habe ich am letzten Wordless Wednesday gezeigt. Ich habe ihn vor 2 Jahren am „Festival of Quilts“ in Birmingham entdeckt, als jemand die Arbeitsweise mit diesem Haken vorführte. Ich war fasziniert. Das Ganze mutete unheimlich altmodisch an, aber ich sah darin grosses Potential für moderne Interpretationen. Also kaufte ich das Werkzeug und probierte es zu Hause aus.

Ich beriet mich mit der Verantwortlichen der Weiterbildungskurse Schulen BL und BS und schlug ihr den Workshop vor. Sie gab grünes Licht, und so bestellte ich in GB einen eine Anzahl Rag Ruggers, die ich am letzten Festival of Quilts in Empfang nehmen konnte. Nun ging es darum, die richtige Jute zu finden, die verschiedenen Stoffe auszuprobieren und den Stoffverbrauch der einzelnen Stoffqualitäten zu ermitteln. So ergibt z.B. ein in Streifen geschnittenes altes T-Shirt in Grösse M mit kurzen Ärmeln ein Rechteck von 25 x 12 cm. Das auszuprobieren ist unabdingbar, wenn man ein grösseres Projekt anstrebt. Nichts ist schlimmer, als halbwegs zu sein, um dann festzustellen, dass der Stoff nicht reicht. Und es braucht viel!!


Die Kursteilnehmerinnen waren begeistert. Im Nu wechselten meine Rag Ruggers die Besitzerinnen. Einige Lehrerinnen mit Sitz in einer „Energiestadt“ reichten bei der zuständigen Stelle ein Gesuch ein und bekamen die Erlaubnis, eine Anzahl auf Kosten der Stadt für die Schule zu kaufen. Mein Workshop mit Rag Ruggers als Energiesparprojekt. Da war ich aber mächtig stolz.

Ich zeige jetzt die Arbeiten der Kursteilnehmerinnen, soweit die Projekte fertig gestellt werden konnten. Es sind viele Adventskränze dabei - kein Wunder, so kurz vor Weihnachten.























 








Hier wurden einige Jeans verarbeitet. Der Kranz wurde noch zusätzlich über eine Styroporform gezogen
 Hier noch einige Details. Wie Sie sehen, können alle Stoffarten  wie Jeans, T-Shirts, Tüll, ja sogar Garne mit eingearbeitet werden. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.






Detail eines Kissenbezugs. Die Farben sind traumhaft.


Hockerbezug aus Jeansstoffen

Blume

Sitzkissen

Dieser Blume fehlt noch das Innere


Mit einer solchen Hülle kann dem Handy nichts mehr passieren


Mit dieser Arbeit wird eine Schachtel bezogen


noch eine Blume


Eine wunderschöne grafische Arbeit






Fürs Säumen hat es bei einigen nicht  ganz gereicht, aber ich bin davon überzeugt, dass sie jetzt alle fertig sind. Für Teppiche war die Zeit natürlich auch zu kurz, aber die Kursteilnehmerinnen fanden allerhand Anwendungsmöglichkeiten für kleinere Sachen: von Hocker- und Kissenbezügen über Handytaschen, Schachtelbezüge und Schmuckstücke.

Im Gegensatz zu den Kursteilnehmerinnen hatte ich Zeit, etwas Grösseres zu machen:


Die Arbeit ist 80 x 80 cm gross. Ich habe ein Bild von Sonja Delaunay als Vorlage genommen.

7 Kommentare:

  1. Hallo Grietje,
    das ist wirklich sehr schön. Davon habe ich noch nie was gehört. Und die Sachen sind wirklich sehr schön geworden. Eine Frage, wie wird das ganze haltbar. Kommt da noch eine Rückseite dran. Fallen die Streifen nicht irgendwann mal raus oder ist da ein Knoten dran. Meine Mutter hat vor dreissig Jahren mal was ähnliches gemacht, aber mit Stofffäden und Stramin. Und wie ist es mit dem Waschen, wenn man z.B. einen Teppich fürs Bad oder so machen würde.
    LG Martina

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  2. Hallo,
    ja das kommt mir auch bekannt vor. Hier in Deutschland gab es in den 80er/90er ? Jahren Fertigpackungen mit zusammengestellten bereits fertig geschnittenen Farbfäden in den Bastelgeschäften zu kaufen. Viele Grüße
    Kirsten

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  3. Liebe Martina,
    Traditionell wird mit Jute gearbeitet. Jute hat den Vorteil, dass die Fäden sich gut der Dicke der Stoffstreifen anpassen.Jute ist aber nicht gut waschbar. Wegen der Feuchtigkeit würde ich keinen Teppich mit Jute ins Badzimmer legen. Zum Waschen empfiehlt sich, das Stück einige Minuten in lauwarmes Seifenwasser zu legen und dann gründlich auszuspülen. Liegend trocknen lassen.
    Stramin geht auch. Die Hakenspitze ist aber relativ dick, somit ist es ziemlich schwierig, ihn durch den Stoff zu ziehen. Es gibt viele Stoffe, die sehr grob gewoben sind. Man muss einfach suchen.
    Futtern ist möglich. Teppiche können hinten auch mit Latexmilch behandelt werden. Bei den Kränzen haben wir Karton für de Rückseite genommen, die überstehende Jute darauf geklebt und entweder nochmals Karton aufgeklebt oder mit Stoff gefüttert.
    Ich hoffe, das diese Ausführungen Dir weiterhelfen.
    Liebe Grüsse
    Grietje

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  4. Liebe Kirstin,
    Denke für den Hinweis.
    Hatte die Packung einen Namen und war der Haken genau derselbe, den ich hier meine? Wenn ja, wie hiess der Haken auf Deutsch?
    Ich bin für jeden Hinweis dankbar.
    Liebe Grüsse
    Grietje

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  5. Ich war ganz gespannt, was man mit diesem seltsamen Werkzeug anfangen kann.Jetzt bin ich erstaunt, welch schöne Objekte entstanden sind. Ich habe noch nie davon gehört, kenne nur den klassischen Knüpfhaken für Fäden, die geknotet werden.Gern würde ich mal ein Bild "Stoff an Nase" bewundern.Es eröffnen sich mir gerade unzählige Möglichkeiten, was man alles damit machen kann. Weiterhin fröhliches Werkeln und viel Spaß beim Ausprobieren. Herzliche Grüße Anette

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  6. Hallo Grietje,
    danke für die ausführliche Antwort. Da tun sich wirklich ungeahnte Möglichkeiten auf.
    LG Martina

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  7. Liebe Grietje,
    damals war ich noch sehr jung und kann mich an die Namen nicht erinnern. Es wurde aber auch geknüpft in dem man den Haken (ich glaube er hatte einen einzigen Holzgriff) durch das grob gewebte Material stach, den ca 5-6cm lange Faden auflegte und mit dem Haken zurückzog. Viele Grüße Kirsten

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