Freitag, 6. Juni 2014

Im Atelier!

von: Gabi Mett

Im Atelier


mein Arbeitsraum

Ein Künstlerinnengespräch im Textilmuseum in Bocholt vor zwei Wochen hat mich wieder einmal zum Denken, Nachdenken und Reflektieren über die eigenen Werke, Ideen, Inhalte und Arbeitsweisen geführt. Ich habe festgestellt, dass mich Fragen eines sehr netten und gut informierten Kurators zu meiner Person, zu meiner Arbeitsweise, zu meinem Lebenslauf als Künstlerin mehr irritierten als dass ich mich wirklich hätte erklären können. Ein Leben mit der Kunst und für die Kunst läßt sich nicht mit einem Satz erklären, auch nicht mit zwei oder drei Sätzen. Die Arbeit im Atelier zu beschreiben? Fast nicht möglich Schließlich sind die Wege, die zu einer Arbeit führen, nie gleich. Künstler befinden sich im Idealfall in einem Prozeß, der nicht immer reflektiert werden kann, einfach, weil man mitten drin steckt. Es spielt sich so vieles gleichzeitig ab beim Entwickeln, Verwerfen und Schaffen, dass auch nicht hier, im Blog, genügend Platz wäre, um diesen Werdegang zu beschreiben. Und immer noch bin ich bildende Künstlerin und nicht Schriftstellerin, die einen solchen Prozess in Worte kleiden könnte. Ich mache Bilder und Objekte, weil es für mich eine Notwendigkeit ist, mich so auszudrücken, nicht nur ein Wunsch. Wenn ich meine Ideen mehr sprachlich fassen könnte, wäre ich doch Autorin geworden, oder? 
 
Blick auf meine Stoffsammlung


Hinter diesen Schränken finden sich ebenfalss Stoffe und Garne

In diesem Zusammenhang muss ich an einen Artikel denken, den ich in der „Kunstzeitung“ in der Ausgabe vom April diesen Jahres gelesen habe. Der Herausgeber Karlheinz Schmid schreibt über die Einsamkeit im Atelier. Die Überschrift zu diesem Artikel lautet: Künstler brauchen Freunde, wahre Freunde. Das macht neugierig. Nach einer kurzen Betrachtung, wie heute in vielen Fällen Kunst hergestellt , produziert wird, oftmals nicht vom Künstler selbst, weil es egal ist, ob er den Pinsel schwingt oder einer der vielen Helfer dies tut und es dem Kunstmarkt ebenfalls egal ist, Hauptsache, der Name unter der Arbeit zieht und bringt den erwünschten Gewinn, kommt der Autor auf den Künstler oder die Künstlerin zu sprechen, der oder die einsam im Atelier um Ausdruck und Inhalt ringt, wo Emotionen, eigene Emotionen mit einfließen, wo das Abenteuer Kunst noch gelebt wird. 

ein Teil meiner Werkzeuge

Die folgende Passage möchte ich zitieren: „Unzählige Künstler... wünschen ... sich dann und wann ein gutes tiefes Gespräch, wenn schon keine Ausstellung aus der Fülle des laufend zunehmenden Bilderbergs möglich ist. Doch wo sind die Freunde, die wahren Freunde? Wo sind sie, die Menschen, die mit dem Künstler reden mögen, stundenlang, bis tief in die Nacht hinein, die mit ihm ins Philosophieren geraten, die sich trauen, selbst so viel Persönliches einzubringen, wie es im Gegenzug auch von einem Künstler erwartet wird, der eben auf aalglatte Produkte und die windschnittige Kariere verzichtet?... Die meisten Künstler jedoch sind dankbar, überglücklich, wenn sie jemanden kennen oder kennenlernen, dem sie vertrauen können, der sich einfühlt und einlässt, der gewissermassen tantrisch aufgeladen bereit ist, auf Gedanken- und Augenhöhe zu sinnieren. Nur so sind Last und Lust künstlerischen Schaffens dauerhaft zu ertragen.“ 

 
In der Vitrine findet sich Altes und Neues


Alte Garne und Garnspulen

Karlheinz Schmid bringt im weiteren zur Sprache, wie schwer es ist für den Künstler und sein Gegenüber, ein gemeinsames Vokabular zu finden, wie schwierig es ist, sich in den anderen hineinzuversetzen. „Natürlich haben es Kuratoren oder Galeristen leichter, ein Fachgespräch mit dem Maler zu führen. Aber schon die Kollegen des Künstlers dienen nicht wirklich dem ehrlichen Austausch, weil es sich immer um die Kommunikation von Mitbewerbern handelt.“ Diese Ansicht ist mir noch sehr gut im Gedächtnis geblieben beim Gespräch mit einer sehr angesehenen Textilkünstlerin, die sich genau so geäußert hat: Das Verständnis und die Auseinandersetzung mit einer Künstlerkollegin geht nur so lange gut, solange man sich nicht bei Ausschreibungen, Ausstellungen und Wettbewerben in die Quere kommt. Was meinen Sie zu einer solchen Äußerung? Muss das so sein oder geht es auch anders? Ich denke, es geht auch anders.
 
Döschen mit antiken Perlen und Baumrinde

Weiter Karlheinz Schmid: „Es geht ja nicht nur um den Informationsaustausch in Sachen Material und Preisgestaltung, sondern vor allem um das Verständnis, das etwa der Maler für seine Inhalte sucht, für seine Botschaften, allemal für die Motive der Auseinandersetzung.Und übers Phänomenlogische und die vielfach sich anschließende Interpretation hinaus will der Künstler doch auf anderer übergeordneter oder Basis gebender Ebene weiterreden. Das setzt Verständnis voraus, Vertrauen. In der Folge dann die Bereitschaft auf beiden Seiten, Nonverbales sprachlich zu erfassen. Das Atelier als Baustelle des Geistes, als Tummelplatz der Ideen. Ob evolutionär oder revolutionär!“ Ist das nicht ein interessanter Ansatz? Was könnte in solchen Momenten entstehen?
 
Leinenstoffe

Ich selber weiß um einen großen Schatz. Eine liebe Freundin, keine Künstlerin, sagt mir immer dann, wenn sie neue Arbeiten von mir sieht, auf eine sehr schöne Art, wie sie meine Arbeiten empfindet und was ihr daran behagt oder nicht. Ich darf erklären, ich darf ins Stottern kommen, ich darf auch gar nichts sagen. Immer ist es ein gleichberechtigter Austausch über das, was entsteht und über weit mehr, nämlich Gedanken zur Zeit, zum eigenen Leben und Erleben. Beglückende Momente, die ich auch noch sehr intensiv mit einer Reihe anderer Menschen, auch KünstlerInnen, erleben darf. Die Einsamkeit im Atelier spüre ich natürlich auch immer wieder einmal. Das Alleinsein im Atelier empfinde ich allerdings als eine wunderbare, inspirierende, enrgiespendende Zeit. Ich genieße es, bei mir und meinem Material und meinen Ideen zu sein. Wenn ich zu lange nicht in diesen, meinen persönlichen Bereich eintauchen kann, werde ich ruhelos. 
 
Leinenhandtücher und antike Blusen


P.S.: Alle Zitate aus: „Kunstzeitung“ Ausgabe April 2014, Seite 15. Diese Zeitung wird monatlich kostenlos in vielen Museen und an anderen Stellen verteilt. Weil sie aber so anders daher kommt, als viele andere Hochglanzzeitschriften, habe ich mir ein Abo geleistet und kann so Monat für Monat Meinungen zu Ausstellungen und anderen interessanten Events verfolgen, die etwas gegen den Strich gebürstet sind. Sehr zu empfehlen!

9 Kommentare:

  1. Danke für diesen schönen und tiefsinnigen Post. Ich kann vieles davon nachempfinden. Sei es das Glück, in Ruhe im Atelier arbeiten zu können, sei es die seltene Gelegenheit, mit Gleichgesinnten auf Augenhöhe kommunizieren und sich austauschen zu können, sei es die Schwierigkeit, eigene Gedanken und Empfindungen in Worte zu übersetzen.

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  2. Liebe Pasqualina,

    vielen Dank für Deine Rückmeldung.Ich habe lange gezögert, diesen Post zu schreiben, denke, aber, dass man auch über solche Empfingungen schreiben kann,m zumal, wenn die Gedanken durch einen solchen Artikel noch unterstützt werden.

    liebe Grüße Gabi

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  3. Herzlichen Dank für den Einblick in deine Gedanken- und Atelierwelt. Ich finde es sehr gut, dass du diesen Post geschrieben hast, sehr interessante Gedanken. Vieles kann ich nachempfinden und auch ich denke, dass man trotz einer Wettbewerbssituation auch Freundin sein kann und muss. Dieses mit sich ringen, anfangen,verwerfen, neu beginnen ist manchmal ein sehr mühsamer Prozess,aber als Einsamkeit empfinde ich es bisher nicht,allerdings ist Alleinsein für mich sehr angenehm. Natürlich, wenn ich so gar nicht voran komme, dann wünsche ich mir schonmal eine seelenverwandte KünstlerIn an meiner Seite, die mir auf die Sprünge helfen könnte.Leider habe ich sie oder ihn bisher noch nicht gefunden. Aber auch ich habe Menschen, eben keine Künstler, was ich auch als Vorteil sehe, mit denen ich über Gott und die Welt reden kann und die mir ihre Meinung zu meinen Arbeiten offen und ehrlich sagen. Wirklich ein Geschenk!!!!!
    Einsamkeit gibt es bei mir in anderen Situationen, aber ich werde ebenfalls unzufrieden, wenn keine Zeit für mich allein und die Kreativität ist.Bei mir handelt es sich allerdings "nur" um ein Hobby, aber wer weiß was noch kommt?
    Ich finde es jedenfalls wunderbar, dass du dich weiterhin in Textilien ausdrücken willst!!!!!Mir würde etwas fehlen. Und eine Autorin bist du ja trozdem geworden, eine sehr lesenswerte, wie ich finde. Also weiter so, ich freu mich drauf. Herzliche Grüße Anette

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  4. Ist mir heute zufällig in die Hände gefallen:
    "Kunst ist kein Handwerk, sondern Vermittlung von Gefühlen, die der Künstler empfunden hat" von Leo Tolstoi
    Passt doch!!
    Schönen Pfingstmontag noch. Herzliche Grüße
    Anette

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  5. Liebe Anette,

    ja, da hat der Herr Tolstoi doch einen guten Satz formuliert. Und dir ganz herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar und deine persönlichen Gedanken.

    herzliche Grüße Gabi

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  6. Um mich zu wiederholen: ich finde /empfinde alle Kommentare zu diesem Post genau so. Auch ich bin gerne allein, aber Einsamkeit ist etwas ganz anderes. Schrecklich, der Augenblick, wenn ein Werk von mir vorgezeigt wird - und die Resonanz ist einfach nur schlecht/gleichgültig/ abwertend. Ich kann ebenso nicht lange ohne mein Nähzimmer sein, meine Stoffe, meine Ideen. Nur ein Hobby, aber doch viel mehr. Wiedermal aus dem Herzen, liebe Gabi. Aber auch ich habe zwei Freundinnen, mit denen ich über alles das reden kann, die mich aufbauen und klare Ansagen machen.
    Liebe Grüße
    Martina

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  7. Liebe Martine,

    vielen Dank für Deine persönlichen Gedanken zu diesem Thema. Ich denke, es ist auch wichtig, darüber öffentlich nachzudenken, um anderen die Angst zu nehmen und gewappnet zu sein für die eigenen Arbeit und den Höhen und Tiefen, die da lauern.

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  8. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  9. großzügiger Einblick in einen "room of your own". Dank dafür!
    Dieser Aspekt eines für mich notwendigen und ebenso fruchtbaren Wechsels zwischen kreativer Ein-und Zweisamkeit beschäftigt mich auch immer wieder und ist spannend. Die eigene Ausdrucksnotwendigkeit in einem dafür bestimmten Raum ver-wirklichen zu können empfinde ich persönlich als grosses Glück und auch seine dementsprechend wohltuende Wirkung widerfährt mir so oft in mienem "room of my own"...

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