Freitag, 14. März 2014

Nostalgie



von Grietje van der Veen

Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte
…..
Frühling, ja du bist's!
Dich hab ich vernommen!

Dieses Gedicht von Eduard Mörike spricht mir heute aus der Seele. Während ich dies schreibe, scheint draussen die Sonne, die schon toll wärmt. Ich höre frühmorgens beim Aufwachen Vögel singen. Manche Bäume knospen schon. Das Herz geht mir auf.

Auch der ohrenbetäubende Baulärm in der Ziegelei hat nach vielen Monaten Tortur allmählich ein erträgliches Mass angenommen. Jetzt gerade ist es ganz ruhig, denn in Basel ist Fasnacht. Alles wird jetzt anders.

Auch die (Un)ordnung in meinen Ateliers. Ich möchte den alten Quilts eine neue Bleibe geben. Und so fielen mir längst vergessene Sachen in die Hände, oder solche, die ich sogar vergessen hatte, fertig zu stellen. Bei manchen muss ich schmunzeln, andere finde ich immer noch schön. Einige habe ich zum Ändern oder Fertigstellen auf die Tische verteilt. Jetzt habe ich schon wieder fünf Sachen zur gleichen Zeit in Arbeit. Ich lerne es wohl nie…

Die Arbeit, die ich am Mittwoch „wordless“ gepostet habe, war die erste, die ich je an eine mir unbekannten Person verkauft habe anlässlich eines „Tages der offenen Tür“. Der Käufer ist Hausarzt, und aus lauter Dankbarkeit bin ich seine Patientin geworden. Nicht, dass es sich für ihn gelohnt hätte, denn ich bin praktisch nie krank. Aber so habe ich meinen Quilt doch in seiner Praxis sehen können. Die auf der Spitze gestellten leuchtendroten Quadrate sehen aus wie Seerosen auf Wasser.

Statt mich nun strikt an meiner selbstgestellten Aufgabe zu halten, nämlich umräumen, begann ich in meiner Fotosammlung nach älteren Werken zu forsten und habe versucht, meine Anfänge als Quilterin zu rekonstruieren trotz meiner lausigen Dokumentation.



„Eternal Space“ :Für dieses ziemlich grosse Werk musste ich recht tüfteln wegen der flechtartigen Verarbeitung der Bänder. Da ich mir die Patchworktechniken autodidaktisch und aus Büchern beigebracht hatte, benutzte ich sicher nicht die effektivste Methode. Dies ist das erste Werk, das hauptsächlich in Grautönen gehalten ist. Momentan befinde ich mich wieder in einer Grauphase. Wie man mit Grau spielen kann… Herrlich!



„Im Pavillon“ :Hier mache ich schon einen Schritt vom Traditionellen weg.



„Manhattan Mania“ : In dieser Nine-Patch-Arbeit wird ein Motiv von Picasso variiert und mit kleinen Resten eines anderen Quilts verbunden.



„Secret Flights“ entstand nach „Nine Eleven“, als bekannt wurde, dass die CIA muslimische Gefangene nach Osteuropa transportierte, um sie dort in den Gefängnissen foltern zu lassen. Die „Flugzeuge“ sind mit Kupferdraht bestickt. Dieses kleine Werk spricht mich immer noch an. Rot wie Blut, schwarz wie die Nacht, grau wie die graue Eminenz, die geheimen Drahtzieher im Hintergrund.



„Twelve Bar Blues“ ist noch ziemlich traditionell angehaucht. Das Werk lebt von den Kontrasten: warm-kalte Farben, Rechtecke und Kreise, hell-dunkel Verteilung. Die Musikinstrumente sind mit Lederbändern angedeutet.

Eine zeitlang war ich hingerissen von Japan. Bin ich eigentlich immer noch, aber ich drücke meine Begeisterung nicht mehr in meinen Werken aus. Aber zu der Zeit verschlang ich Bücher über die japanische Kultur. Wir richteten einen Teil unserer Wohnung mit Tatami Matten und Shojis ein und hängten japanische Bildrollen an die Wand. Natürlich musste das auch in meinen Quilts verarbeitet werden. So entstanden u.a







„Prosperity“ und "Two Umbrellas“. Letzterer hängt zurzeit in meinem Atelier, in dem ich eine japanische Ruhe-Ecke eingerichtet habe.



„A Room wth a View“ entstand nach einem Workshop mit Charlotte Yde. Unter anderem lernten wir die Transfermethode, mit der Zeitungsbilder auf Stoff übertragen werden können. Das beinhaltet lang andauerndes Rubbeln. Damals fand ich die Methode viel zu aufwändig, und ich schwor mir, diese niemals mehr anzuwenden. Na ja, sag niemals „Nie“. Die gerubbelten Bilder habe ich sehr viel später als Plakatwand hinter ein Fenster gesetzt. Dieses Werk wurde an verschiedenen Wettbewerben in Frankreich und USA ausgewählt. Also hat das verhasste Rubbeln doch etwas gebrach. Und ein Käufer liess sich auch finden.



Die Initialzündung zu meiner Beschäftigung mit der Natur gab das kleine Werk „Am Waldrand“, für das ich 2005 den dritten Preis im Husqvarna Wettbewerb „Farb- und Fadenspiele“ erhielt. Es ist ein Foto, das ich üppig bestickte.


„Hortensien“ entstand ebenfalls nach einem Kurs, und zwar bei Heide Stoll Weber im Färben mit Procion MX. Nach dem Einordnen der Muster blieben unzählige kleine Streifchen in allen möglichen Farben übrig. Ich wollte sie nicht wegwerfen, und einige Kursteilnehmerinnen schenkten mir ihre Reste. Ich schnitt sie zu Quadraten und setzte jedes Stückchen mit einer Glasperle auf den Untergrund. Eine unendliche Geduldsarbeit. Lange konnte ich das Stück nicht geniessen, denn es wurde sofort verkauft.

Danach sind viele Naturbilder entstanden. Heute pendele ich hin und her, versuche Collagen, Shibori-Arbeiten, Stoffumwickelungen, etc. Irgend etwas Definitves wird sich schon noch herauskristallisieren.

3 Kommentare:

  1. ...und vielleicht ist gerade das Pendeln zwischen Collagen, Shibori und Stoffumwicklungen das DEFINITIVE!
    Warum sich festlegen?

    Danke fürs Wühlen in Ihrer "Arbeitskiste" :-)

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  2. Welch spannende Rückschau, welch schöne Werke. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie so ein Blick in die Vergangenheit die unterschiedlichsten Techniken zutage fördert. Und ich denke auch, dass man sich nicht festlegen muss, wenn man es nicht möchte. Das kommt manchmal ja nie oder von selbst? Danke für diesen Blick zurück und viel Erfolg beim Aufräumen und Fertigstellen.Vielleicht erfahren wir im nächsten Beitrag, wie es geklappt hat? LG Anette

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  3. Liebe Rahel, liebe Anette,
    Danke fuer eure aufmunternden Worte. Ich denke, der Weg, den man geht mag nch so verschlungen sein, ein Muster erkennt man trotzdem.
    Grietje

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