Freitag, 5. April 2013

Es schaut's dir keiner weg!


Von Cécile Trentini

Diesen Spruch habe ich immer von mir gegeben, wenn meine Kinder, als sie noch klein waren, z.B. ein Bilderbuch einem Geschwister nicht ausleihen wollten. Und ich denke ihn immer wieder, wenn ich in Wettbewerbsbestimmungen lese, dass man nur Werke einreichen darf, die noch nie öffentlich gezeigt  wurden. Warum? frage ich mich immer; ist ein Werk denn weniger sehenswert, wenn es schon mal gesehen wurde? Nimmt ihm jeder Blick von seiner Attraktivität? Würden Textilkunstbegeisterte nicht mehr in die Ausstellung gehen, wenn sie die gezeigten Werke schon mal irgendwo in echt oder abgebildet gesehen hätten? Ist es nicht eher so, dass Werke, die ich hie und da schon gesehen habe, erst recht meine Neugierde wecken, und Lust darauf machen, sie in einem würdigen Rahmen zusammen mit anderen Arbeiten ausgestellt zu sehen? Davon bin ich eigentlich überzeugt.
Und dennoch. Schaut man sich meine Webseite an www.stoffwerke.ch , datiert das neueste Werk, in der chronologisch geordneten Galerie von 2011. Habe ich denn seither nichts gearbeitet? 2012 kein einziges Stoffwerk genäht? Ganz im Gegenteil; ich war letztes Jahr ziemlich fleissig und hatte viel Zeit zum Nähen, da ich mein Kurspensum etwas reduziert hatte. Die erste Arbeit wurde bereits anfangs Februar fertiggestellt und am EAQ VII Wettbewerb eingereicht, wo es auch angenommen wurde


Circonvolutions, 104 x 105cm
Inspiriert von der surrealistischen  "écriture automatique" (automatisches Schreiben) könnte man diese Technik "automatisches Quilten" nennen. Die 6 Farben des Farbkreises in hellen, mittleren und dunklen Tonwerten; eine Farbe am Tag, ein Unterfadenspule lang genäht, spontan, intuitiv, ohne Überlegungen, dem Lauf der Nadel folgend.
Diese für mich völlig neue Vorgehensweise, ganz ohne Planung einfach drauflos zu nähen hat mich total fasziniert und ich habe die Möglichkeiten des "automatischen Nähens" in vielen verschiedenen Varianten erforscht und 6 weitere Arbeiten in diesem Stil gemacht,

Blue circonvolutions - Ausschnitt
Bending the rules - Ausschnitt
Une sorte d'ivresse - Ausschnitt

Red circonvolutions - Ausschnitt

Talk to me - Ausschnitt
wovon eine 12-teilige, die eben letzten Monat fertig wurde. 

Daily circonvolutions, Juli - Ausschnitt

Das siebte Werk ist gerade unter der Nähmaschine und ca. weitere 10 Ideen warten darauf realisiert zu werden.

In der Zwischenzeit hat sich die Serie zu einem Gesamtkonzept entwickelt, mit geplanten Derivaten der grossen Arbeit, Querbezüge und ergänzenden Werken. Und gerade darin liegt die Krux: ich plane dieses gesamte Konzept in einer eigenen Ausstellung zu zeigen. Dies wird aber erst in einem oder eventuell gar erst in zwei Jahren möglich sein; so lange brauche ich mindestens noch, um alle Ideen umzusetzen. Und bis dahin scheue ich mich davor, die Arbeiten zu zeigen. Ich will die Serie vollständig haben, bevor ich damit, quasi mit einem Paukenschlag, an die Öffentlichkeit gehe. Der Überraschungsmoment soll erhalten bleiben. Und deshalb hat bisher keines dieser Werke Eingang in die Galerie auf meiner Webseite gefunden.
Ich bin mir des Widerspruchs zu meiner oben beschriebenen Überzeugung bewusst und habe mich deshalb auch entschlossen, ein paar Arbeiten aus dieser Serie an der NADELWELT (26. - 28. April 2013 www.nadel-welt.de) in Karlsruhe zu zeigen. Wobei die Besucher in Karlsruhe nicht die gleichen sein werden, wie diejenige, die meine geplante Ausstellung in Zürich besuchen würden - so gesehen, habe ich die Werke dann trotzdem noch nicht wirklich "meinem" Publikum gezeigt...
Und ich bin mir immer noch unschlüssig, ob ich die neu entstehende Werke fortlaufend auf meiner Webseite präsentieren soll, oder ob ich alle Arbeiten "geheim" halte, bis die ganze Serie vollendet ist oder zumindest die gewünschte Ausstellungsreife erreicht hat. Befürchte ich gar am Ende doch, dass sie mir weggeschaut werden?
Was meinen Sie? Sollten Werke in einer Ausstellung immer zum ersten Mal gezeigt werden, oder würden Sie eine Ausstellung auch besuchen, um "alte Bekannte" wieder zu sehen?

3 Kommentare:

  1. liebe cécile
    für mich als besucherin habe ich mittlerweile akzeptiert: wettbewerbs-arbeiten sehe ich zum ersten mal, in ausstellungen treffe ich auf liebe alte bekannte, an denen ich mich beim ersten mal unter umständen noch nicht sattgesehen habe. wenn ich gewisse arbeiten wiedersehe, finde ich meistens neue interessante aspekte.
    deshalb: ich kann dir deine zerrissenheit nachfühlen. mach das, was für dich stimmt. als betrachterin bin ich immer interessiert, ob beim ersten oder zig-sten mal.
    liebe grüsse
    dolores

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  2. Sali Cécile, diese Frage habe ich mir auch schon öfters gestellt. Ganz klar ist für mich, dass man Quilts an Ausstellungen zeigen darf, die bereits schon einmal gezeigt wurden resp. Veröffentlicht wurden. Ich geniesse es schon bekannte Werke nocheinmal zu sehen, denn man schaut diese ja immer wieder anders an und entdeckt wiederum ganz neue, andere Sachen. Bei Wettbewerben ist meine Meinung nicht ganz so eindeutig. Meine Bedenken dazu sind, wie stark lassen sich Juroren beeinflussen, wenn man die Werke schon einmal gesehen hat? Auf der anderen Seite ist es auch schade ein gelungenes Werk nur einmal zu zeigen. Ich denke mir, dass es sehr schwierig ist darauf eine definitive Antwort zu erhalten, denn es gibt ja auch Wettbewerbsausstellung wo die Bedingung des noch nie gezeigten nicht aufgeführt ist. Diies sind meine Gedanken zum ganzen Thema und könnten noch lange weitergesponnen werden.
    Lg Edith

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  3. Liebe Cécile,

    Es hat mich riesig gefreut, dich in Karlsruhe kennenzulernen. Vielen Dank nochmals an Dich für das schöne Buch, das ich gewonnen habe. Und in "echt" sieht der Quilt noch viel besser aus! Mir haben auch deine Arbeiten zum automatischen Nähen sehr gut gefallen und ich könnte sie immer wieder bei einer Ausstellung betrachten. Überhaupt bin ich immer so überfrachtet bei den Ausstellungen, dass ich alle Quilts nochmals und immer wieder betrachten könnte. Und wie Du schon sagst, keiner schuf es dir weg!!!!
    Viele liebe Grüße, Sabine

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